Lucy Guth

Perry Rhodan Neo 226: Erbe des Kristallthrons


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      Glühender Zorn spülte über sie hinweg wie Lava nach einem Vulkanausbruch. Das kann nicht wahr sein! Man hat mich eingesperrt! Es hat bereits begonnen!

      Allein der Versuch war lächerlich. Sie überlegte kurz, Atlan mit dem Komgerät des Zimmers zu rufen und zur Rede zu stellen. Es kann schließlich sein, dass nicht er, sondern sein Vater dafür verantwortlich ist, dass die Türen verschlossen sind. Ich traue Mascudar ohne Weiteres zu, seinen Sohn in dieser Hinsicht zu übergehen. Sie entschied sich trotzdem dagegen. Ich habe genug mit ihm diskutiert; er wird seine Ansichten nicht ändern. Sie schluckte trocken und ging einmal zurück zum Bett, um einen Schluck Wasser aus dem bereitstehenden Glas neben ihrer Schlafstatt zu trinken. Ich muss es mir eingestehen: Die Aussicht, gemeinsam mit seinem für immer verloren geglaubten Vater ein neues Sternenreich aufzubauen und sein vom Schicksal gebeuteltes Volk in eine glorreiche Zukunft zu führen, ist für Atlan einfach zu verlockend.

      Mirona wäre gern weiter wütend auf ihn gewesen, aber irgendwie gelang es ihr nicht. Sie wusste, dass Mascudar da Gonozals Einfluss auf seinen Sohn Atlan sich nicht auf die Ebene von Vernunft oder Verstand gründete. Sie war selbst emotional zu stark eingebunden, denn die Trauer über den Verlust ihres Geliebten beherrschte ihr Denken – ebenso wie die Sorge um die Zweite Insel. »Ich darf mich nicht ablenken lassen – ich muss mich konzentrieren«, mahnte sie sich halblaut.

      Während Mirona Thetin routiniert das Kontrollfeld der Türautomatik manipulierte, versuchte sie, die gebührende innere Distanz aufzubauen. Es gelang ihr nicht, und als die Tür schließlich beiseiteglitt, fühlte sie sich längst nicht bereit dafür, ihren Weg anzutreten.

      Natürlich tat sie es trotzdem.

      4.

      Happy New Year

      Die Tür zur Messe schloss sich hinter Thora Rhodan da Zoltral, und die letzten Töne von »Auld Lang Syne« wurden abrupt abgeschnitten. Sie war ganz froh darum. Eigentlich mochte sie die alte irdische Weise und den Brauch, dieses Lied zum Jahreswechsel gemeinsam zu singen, wenngleich sie selbst eher selten mitsang. Wie jedoch den meisten an Bord der CREST II war ihr in diesen Tagen wenig zum Feiern zumute. Der Tod von Conrad Deringhouse belastete sie alle.

      Perry Rhodan hatte sogar überlegt, die Silvesterparty abzusagen, sich dann aber dagegen entschieden. Die CREST II verbarg sich derzeit im Ortungsschutz einer kleinen Sonne, die von den Arkoniden Brelastera genannt wurde. Schiff und Besatzung waren dort in Sicherheit, wenn man es so nennen konnte. Die Techniker und Ingenieure hatten einen Großteil der von dem Transformkanonentreffer verursachten Zerstörungen, mit dem Theta ihren Rivalen Mascudar da Gonozal auf der CREST II hatte vernichten wollen, bereits repariert. Trotzdem gab es nach wie vor Schäden zu beheben. Die Stimmung an Bord war daher ziemlich gedrückt.

      Deswegen hatte Rhodan entschieden, dass die Silvesterfeier der Mannschaft zuliebe stattfinden sollte. Thora hatte ihn darauf hingewiesen, dass er sich in diesem Fall dort blicken lassen musste. Ihr Mann hatte zugestimmt – aber kurz vor Mitternacht war er verschwunden. Als sich am frisch angebrochenen 1. Januar 2090 alle in den Armen lagen – sowohl an Bord des Raumschiffs als auch im weit entfernten Terrania –, stand Thora allein inmitten der Feiernden und fragte sich, wo Rhodan wohl abgeblieben war. Das würde sie auf jeden Fall herausfinden.

      Sie entfernte sich von der Messe und überlegte, ob sie zu ihrem Quartier gehen sollte. Aber irgendwie glaube ich nicht, dass Perry in unserer Wohnung ist. Sie ließ sich von ihrem Bauchgefühl leiten – etwas, das sie vor ihrer Begegnung mit den Menschen sicher nicht getan hätte – und stand schließlich vor dem Schott an der höchsten Stelle der äußeren Zentralkugel. Dort war ein kleines Planetarium mit »Aussichtskuppel« untergebracht – wobei die Außendarstellung des Weltalls allerdings holografisch erzeugt wurde. Immerhin lagen noch gigantische Massen an Stahl zwischen der Zentralkugel, die auf Basis eines 500-Meter-Raumers konstruiert war, und dem freien Raum. Wenn Rhodan nachdenken wollte, ging er oft in dieses Observatorium und genoss den Anblick der Sterne.

      Thora ließ den Zugang aufgleiten und trat vorsichtig hindurch. Sie wollte ihren Mann, falls er dort war, in seinem einsamen Brüten nicht erschrecken.

      Rhodan war dort. Aber er war nicht allein. Er saß auf einem der zahlreichen, wie Würfelzucker verstreuten Hocker in der Mitte des kreisrunden Raums und hatte seinen Arm um eine zierliche Frau gelegt. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Beide blickten schweigend zu den Sternen hinauf.

      Ein Stich fuhr Thora ins Herz, als sie die beiden so sitzen sah – nicht aus Eifersucht, denn ihr war klar, wer dort neben ihrem Mann saß. Die weißen Haare gehörten keiner Arkonidin, sondern ihrer alten Freundin Gabrielle Montoya. Und es erfüllte Thora mit Trauer, ihre Wegbegleiterin ohne deren Mann zu sehen, der ein ebenso guter Freund gewesen war.

      »Hallo, ihr zwei«, sagte Thora leise. »Darf ich mich zu euch setzen?«

      »Komm ruhig rein«, lud Montoya sie ein. Ihre Stimme klang belegt.

      Thora hörte ihr an, dass sie geweint hatte. Die Arkonidin setzte sich nicht neben ihren Mann, sondern an Montoyas Seite, und nahm ihre Hand. Stumm betrachteten sie einige Minuten die Sterne.

      »Es tut mir leid, dass ich mich einfach verdrückt habe«, sagte Rhodan schließlich.

      »Das ist in Ordnung.« Thora lächelte Rhodan zu. »Ich war ebenfalls froh, dass ich einen Vorwand hatte, um das Fest zu verlassen.«

      »Ich denke, uns allen ist nicht nach einer wilden Party zumute.« Torgen Shenn war zusammen mit Gucky am Rand der Kuppel aufgetaucht – dank des Teleporters völlig lautlos.

      »Wir haben euch vermisst.« Gucky trat zu Montoya und umarmte sie. »Euch alle drei.«

      »Ich konnte nicht zu dieser Feier gehen.« Mit einem traurigen Lächeln erwiderte Montoya Guckys Umarmung. »Wisst ihr, Conrad hat immer um Mitternacht absichtlich schief gesungen und mich so zum Lachen gebracht. Ich hätte ›Auld Lang Syne‹ heute nicht ertragen.«

      »Das verstehen wir sehr gut.« Rhodan räusperte sich. »Wir sind alle immer noch geschockt, dass Conrad nicht mehr bei uns ist.«

      »Vergesst nicht, dass Thetas Aktion noch weitere Opfer gefordert hat«, sagte Montoya bitter. »Es wäre unangemessen, wenn ich nur um meinen Mann trauern würde und nicht auch um die dreißig anderen Toten.«

      »Das vergessen wir sicher nicht.« Thora kniff die Lippen zusammen. »Theta hat ganze Arbeit geleistet. Ich habe ihr immer misstraut – sie ist skrupellos, wenn es um das Durchsetzen ihrer Pläne geht.«

      »Die Quittung dafür hat sie bekommen.« Rhodan stand auf und ging unruhig hin und her. »Jetzt ist sie in Mascudar da Gonozals Hand, und ihr steht die Infinite Todesstrafe bevor.«

      Sie hatten ein paar Sonden ausgeschickt und lauschten auf Nachrichten aus dem Kugelsternhaufen. Das war nicht besonders schwer: Die offiziellen Kanäle des Großen Imperiums waren voller Informationen aus dem Arkonsystem. Daher wussten die Menschen darüber Bescheid, dass auf Arkon I in Kürze die Inthronisation von Gonozal VII. anstand – und zeitgleich die Exekution seiner beiden größten politischen Gegner. Die gestürzte Imperatrice Emthon V. alias Theta und der bisherige Haushofmeister Gemlin da Hozarius waren beide wegen Hochverrats angeklagt und im Schnellverfahren verurteilt worden. Sie sollten direkt nach der Inthronisation den Tod finden.

      Für Thora war die Infinite Todesstrafe ein gewohnter Bestandteil der arkonidischen Kultur. Sie lebte allerdings bereits lange genug auf der Erde, um die Grausamkeit dieser Methode auch durch die Augen der Menschen betrachten zu können. Mittlerweile hatte sie sich daher von dieser Art der Sühne distanziert, wenngleich sie im Gegensatz zu Rhodan durchaus nicht gegen die Todesstrafe an sich war, die man auf der Erde abgeschafft hatte – zumindest in jenen Staaten, die sich zur Terranischen Union bekannten. Dass Theta nun die Infinite Todesstrafe ereilen sollte, war also durchaus bedauerlich – sogar wenn Thora an ihre toten Mannschaftsmitglieder dachte, war es ein Schicksal, das sie niemandem wünschte.

      »Keiner macht Ihnen Vorwürfe, dass Sie Theta an den Altimperator ausgeliefert haben, Perry«, sagte Shenn. Thora war nur kurz irritiert über die vertrauliche Anrede. Das Schicksal