Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg


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er­wählt wer­den.«

      Die bei­den Hof­meis­ter, die bis­her ver­geb­lich dem Wort­wech­sel zu steu­ern ver­sucht hat­ten, dran­gen nun­mehr durch, der bay­ri­sche, in­dem er Ma­xi­mi­li­an flüs­ternd an den Be­fehl sei­nes Va­ters er­in­ner­te, stets höf­lich ge­gen Fer­di­nand zu sein und auf alle Fäl­le in gu­tem Ver­neh­men mit ihm zu blei­ben, wäh­rend der stei­er­mär­ki­sche Fer­di­nand mit dem Zorn sei­ner Mut­ter schreck­te, die ihm streng be­foh­len hat­te, dem Her­zog von Bay­ern, ih­rem Bru­der, wie ei­nem Va­ter zu ge­hor­chen und Ma­xi­mi­li­an wie einen äl­te­ren Bru­der zu re­spek­tie­ren. Der Ge­dan­ke dar­an, dass sei­ne Mut­ter schon mehr­mals ge­droht hat­te, ihn von In­gol­stadt fort­zu­neh­men, wie es der Kai­ser und des­sen Brü­der, Fer­di­n­ands Ohei­me, wünsch­ten, schlug sei­nen Hoch­mut nie­der, und er ver­stand sich dazu, Ma­xi­mi­li­an zu bit­ten, er möge ihm den Stuhl, ab­ge­se­hen von der Rang­fra­ge, aus vet­ter­li­cher Freund­schaft über­las­sen, weil er sich an ihn ge­wöhnt habe. Ma­xi­mi­li­an gab mit küh­ler Herab­las­sung, aber im Grun­de nicht un­gern nach; denn in­zwi­schen wa­ren ihm Zwei­fel auf­ge­stie­gen, ob er nicht doch ei­nem Habs­bur­ger ge­gen­über, der des Kai­sers Nef­fe war, ein we­nig zu weit ge­gan­gen sei. Wäh­rend der kirch­li­chen Ze­re­mo­nie gab sich Fer­di­nand aus­ge­las­se­nen Spä­ßen über einen der Geist­li­chen hin, der au­gen­schein­lich den Schnup­fen hat­te und sei­ne rot­ge­schwol­le­ne Nase mit dem reich­ge­stick­ten Un­ter­är­mel sei­nes Ge­wan­des putz­te; aber wie der Hof­meis­ter sei­ne Lus­tig­keit nicht zu dämp­fen ver­moch­te, so ge­lang es ihm nicht, Ma­xi­mi­li­an zum La­chen zu brin­gen.

      An die­sen Vor­fall knüpf­te sich ein lan­ger, nicht un­be­schwer­li­cher Brief­wech­sel zwi­schen Ma­xi­mi­lians Va­ter, Her­zog Wil­helm von Bay­ern, und des­sen Schwes­ter, der Erz­her­zo­gin Ma­ria von Stei­er­mark, Fer­di­n­ands Mut­ter, die sich herz­lich lieb­ten, ob­wohl die Hef­tig­keit der jün­ge­ren Erz­her­zo­gin ih­rem fried­fer­ti­gen Bru­der man­che Nach­gie­big­keit zu­mu­te­te. Ma­ria hielt ihre bay­ri­sche Fa­mi­lie für weit tüch­ti­ger und ver­dienst­li­cher als die ih­res Man­nes, die sie im Stil­len herz­lich ver­ach­te­te; al­lein da ihre Kin­der nun ein­mal Habs­bur­ger wa­ren, trotz­te sie auf de­ren Ti­tel und Rech­te und ge­bär­de­te sich so­gar dem Her­zog ge­gen­über zu­wei­len als die Hö­he­re, de­ren An­sprü­chen ein je­der zu wei­chen habe. Da von ih­ren fünf­zehn Kin­dern die meis­ten kränk­lich und un­be­gabt wa­ren, mach­te ihr die Er­zie­hung viel zu schaf­fen, umso mehr, als sie bei ih­rem Man­ne we­nig Un­ter­stüt­zung fand, im Ge­gen­teil sei­ne Träg­heit, Gleich­gül­tig­keit und Leicht­fer­tig­keit be­stän­dig durch ih­ren Ernst und ihre Tat­kraft er­set­zen muss­te. Wenn sie be­dach­te, wie sie ihn stets hat­te sto­ßen und trei­ben müs­sen, da­mit er den An­ma­ßun­gen sei­nes Adels stand­hielt, wie sie hat­te weh­ren müs­sen, wo er nach­ge­ben woll­te, wie sie mit Dro­hen, Kei­fen, Pre­di­gen und Int­ri­gie­ren al­lem Ge­gen­wir­ken der Stän­de zum Trotz Je­sui­ten und Ka­pu­zi­ner ins Land ge­bracht hat­te, dass sie nun­mehr al­lent­hal­ben das wah­re ka­tho­li­sche Le­ben sprie­ßen und um sich grei­fen sah, so moch­te sie sich füg­lich von ih­rer Wich­tig­keit und Macht­fül­le durch­drun­gen füh­len. Auch hät­te kei­nes von ih­ren Kin­dern ge­wagt, ihr den Ge­hor­sam zu wei­gern; aber das konn­te sie doch nicht hin­dern, dass et­was habs­bur­gi­sches Un­kraut selbst in ih­res Fer­di­n­ands gute An­la­gen, die er von bay­ri­scher Sei­te mit­be­kom­men hat­te, hin­ein­wil­der­te.

      Als er das ers­te Mal nach dem Tode des Va­ters von In­gol­stadt nach Hau­se kam, hoff­te sie ihn et­was ge­reif­ter und männ­li­cher zu fin­den; in­des­sen muss­te sie ihm schon beim Ein­tritt sei­ne Lus­tig­keit und Scher­ze mit der Die­ner­schaft als dem Trau­er­hau­se un­ziem­lich ver­wei­sen. Sie über­rasch­te ihn mit ei­nem Ge­schenk aus dem Nach­las­se des Va­ters, ei­ner reich mit Perl­mut­ter und El­fen­bein ein­ge­leg­ten Büch­se, die der Nürn­ber­ger Künst­ler Jam­nit­zer ver­fer­tigt hat­te; denn er soll­te sie künf­tig an Stel­le des Va­ters zur Jagd be­glei­ten. Der sechs­jäh­ri­ge Leo­pold, der auch zur Jagd zu ge­hen ver­lang­te, wur­de im Hin­blick auf sei­ne Be­stim­mung zum geist­li­chen Stan­de mit ei­nem Ro­sen­kranz aus böh­mi­schen Gra­na­ten ge­trös­tet, der ne­ben dem Bet­te des ver­stor­be­nen Va­ters ge­han­gen hat­te. Dies gab An­lass zu ei­ner Rau­fe­rei, da Fer­di­nand den Klei­nen aus­lach­te und ne­ckend sag­te: »Ler­ne du nur flei­ßig be­ten, du kannst nicht zur Jagd ge­hen, denn du wirst Wei­ber­rö­cke tra­gen und müss­test als ein Weib auf dem Sat­tel sit­zen«, eine von den An­spie­lun­gen, mit de­nen die Ge­schwis­ter den wil­den Bu­ben zu rei­zen lieb­ten. In laut­lo­ser Wut stürz­te sich Leo­pold auf den großen Bru­der, warf ihn mit dem ers­ten An­lauf zu Bo­den und schlug den jäm­mer­lich Schrei­en­den mit der Faust auf den Kopf, in­dem er schrie: »Ich will dir auf dei­nen dre­cki­gen Grind be­ten!«, bis Ma­ri­as fes­te Hand den Knäu­el aus­ein­an­der­riss. Sie gab Leo­pold zwei Ohr­fei­gen, die eine we­gen sei­ner Ver­sün­di­gung am hei­li­gen Ge­bet, die an­de­re, weil er sei­nen äl­te­ren Bru­der, dem er Ge­hor­sam schul­dig sei, ver­prü­gelt habe; dann sich plötz­lich zu Fer­di­nand wen­dend, der bei der Be­stra­fung sei­nes Bru­ders zu weh­kla­gen auf­ge­hört und la­chend zu­ge­se­hen hat­te, ver­setz­te sie auch ihm eine, denn er sei nicht min­der schul­dig als Leo­pold, in­so­fern er mit un­ziem­li­chen Ne­cke­rei­en den An­fang ge­macht habe, wo er doch viel­mehr den künf­ti­gen Pries­ter in sei­nem Bru­der eh­ren soll­te. Dann wisch­te sie Leo­pold die Trä­nen ab, der un­ter dem Schluch­zen wü­ten­de Bli­cke auf sei­nen Bru­der schoss, reich­te ihm einen Ap­fel und führ­te ihn in ein an­de­res Zim­mer, wo ihn die Schwes­tern mit neu­gie­ri­gen Bli­cken und Fra­gen emp­fin­gen. Von der Zu­rück­keh­ren­den bat sich Fer­di­nand, halb dreist, halb ängst­lich, auch einen Ap­fel aus; Leo­pold wer­de von ihr ver­hät­schelt, und das sei der Grund, warum er ihm nicht ge­hor­che, er wis­se wohl, dass die Mut­ter ihm al­les hin­ge­hen las­se, die Ohr­fei­gen habe sie ihm ja auch gleich ver­gü­tet.

      Es ver­hal­te sich ganz an­ders, sag­te Ma­ria streng; ei­gent­lich hät­te sie ihn, Fer­di­nand, al­lein stra­fen sol­len, denn nicht nur, dass er als der Äl­te­re der Ver­stän­di­ge­re sein und ein gu­tes Bei­spiel ge­ben soll­te, hät­te er, der Gro­ße, sich von dem tap­fe­ren Klei­nen wie ein Feig­ling zu Bo­den schla­gen und ver­prü­geln las­sen, dazu noch Ze­ter ge­schri­en. Fröm­mig­keit sei zwar für einen christ­li­chen Re­gen­ten die Haupt­sa­che, und auch die ka­tho­li­schen Wis­sen­schaf­ten und die His­to­rie sei­en ihm nütz­lich, aber die rit­ter­li­chen Übun­gen und eine statt­li­che, krie­ge­ri­sche Hal­tung dür­fe er nicht ver­nach­läs­si­gen. Die Ver­wand­ten mach­ten ihr Vor­wür­fe, dass sie ihn zu lan­ge auf der Uni­ver­si­tät las­se, wo er nichts als ge­lehr­tes Sil­ben­ste­chen und Dis­pu­tie­ren ler­ne.

      Fer­di­nand sag­te mau­lend, er neh­me Reit- und Fecht­stun­den und habe schon große Fort­schrit­te ge­macht. Der päpst­li­che Nun­ti­us, der kürz­lich durch In­gol­stadt ge­kom­men sei und ihn in der Fecht­schu­le ge­se­hen habe, habe ihn mit dem blit­ze­schleu­dern­den Apol­lo ver­gli­chen. Was hät­ten sich auch sei­ne Ohei­me, die Erz­her­zö­ge, ein­zu­mi­schen? Sie, die Mut­ter, hät­te al­lein zu be­stim­men und al­len­falls ihr Bru­der, der alte Her­zog von Bay­ern, ih­nen bei­den wol­le er gern ge­hor­chen.

      Ganz be­sänf­tigt, hieß Ma­ria ih­ren Sohn sich zu ihr set­zen und sprach ihm ver­trau­lich von