Deshalb näherte er sich allmählich der Sibylle, die kümmerlich und sorgenvoll als eine freiwillig Gefangene im Schlosse lebte und sich gegen jedermann beklagte, dass die Schwägerin sie nicht zu ihrem Bruder lasse und dass sie seit dem Tode ihres Vaters verachtet und verstoßen in steten Ängsten leben müsse. Er hinterbrachte ihr, wie das Unkraut der Ketzerei im Lande fortwuchere, da es nicht ausgereutet werde, sondern unter dem Schutze der Herzogin sich frech ausspreizen könne; wie die protestantischen Fürsten sich schon als Herren gebärdeten und wie man ihr, der Sibylle, zu guter Letzt auch noch einen ketzerischen Gemahl aufzwingen werde.
Das solle niemals geschehen, sagte Sibylle, lieber wolle sie unter ausgesuchten Martern sterben; sie habe es aber auch schon bemerkt, dass man sie herumzukriegen hoffe.
Wenn sie nur eine Stütze an ihrem Bruder hätte, sagte Schenkern. Es sei doch wunderlich, wie Jan Wilhelm vor der Hochzeit ein so gesunder, frommer und trefflicher Herr gewesen sei und wie mit dem Einzuge der Jakobe das Unwesen seinen Anfang genommen habe.
Niemals habe sie ihr trauen mögen, sagte Sibylle; schaurig sei es ihr über die Haut gelaufen, als sie sie zuerst erblickt habe, und auch ihr armer Bruder habe oft wunderliche Reden über sie geführt, wenn er sich auch nicht offen herausgetraut hätte, da er offenbar von ihr verstrickt und verzaubert gewesen sei. Dass sie ihm niemals mit rechter ehelicher Liebe zugetan gewesen sei, könne sie, Sibylle, genugsam beweisen; was für Teufeleien sie mit ihm und ihnen allen vorhabe, wisse keiner genau, und es sei wohl angezeigt, sich rechtzeitig in Defension zu setzen. Es hielt nicht schwer, die Prinzessin in der Überzeugung zu bestärken, es werde nicht eher gut, als bis Jakobe mit ihren Teufelskünsten fortgeräumt sei; dann erst werde es mit der Religion, dem Herzog und dem ganzen Lande wieder in den alten Flor kommen. Als eine fleißige Schreiberin setzte Sibylle die Punkte auf, durch welche ihre Schwägerin sich von Anfang an verdächtig gemacht habe, ging sie mit Schenkern durch, der noch dies und jenes hinzusetzte, und gab das Versprechen, vor Gericht alles mündlich zu wiederholen und zu bekräftigen, wenn der Prozess nur stracks angezettelt und eifrig gefördert würde.
Bald danach kam Herr von Bongart in großer Erregung zu Jakobe: Schenkern habe allen Ständen, Beamten und herzoglichen Dienern angezeigt, der Herzog werde unter dem Vorgeben, dass er krank sei, von seiner Gemahlin in gefängnishafter Einsperrung gehalten; niemand solle ihr bei Strafe Leibes und Lebens mehr dienen, er wolle den Herzog befreien, damit die Untertanen ihres rechtmäßigen Herrn wieder genießen könnten. Jakobe solle nicht meinen, dass dies nur leere Drohungen wären; man munkle schon, dass auf ein gegebenes Zeichen die Spanier einfallen und eine neue Bartholomäusnacht veranstalten würden, welcher keiner entrinnen sollte, der reformierten Glaubens sei oder sich Schenkern widersetzen würde. Die Herzogin müsse sich nun entscheiden, ob sie es mit ihnen halten wolle, so wollten sie auch Gut und Blut an ihre Rettung wagen. Sie solle ihrem Glauben in Frieden anhängen und ihn im Schlosse ausüben, ebenso sollten ihre Glaubensgenossen, sofern sie sich bescheiden hielten, vor gewaltsamer Bedrängung sicher sein; doch müsse sie ihrerseits den Reformierten ihren Glauben und sonstige Rechte verbürgen und ihnen Sicherheit gegen die Spanier und Jesuiten geben. Sie wollten sich jetzt mit ihrem fürstlichen Wort zufriedenstellen, weil Gefahr im Verzuge sei, später, wenn sie erst freie Hand vor den Tyrannen hätten, könne der Vertrag im einzelnen ausgemacht werden.
Nein, rief Jakobe aufflammend, sie kennten sie schlecht, wenn sie glaubten, dass sie etwas zur Verkleinerung ihrer Religion unternehmen würde. Dann würde Gott freilich die Hand von ihr abziehen, wenn sie Land und Leute den Ketzern auslieferte. Sie wolle mit Hilfe Gottes und auf seine Gerechtigkeit bauend aller ihrer Feinde Herr werden. Davon war sie nicht abzubringen, sodass Bongart nach langer vergeblicher Unterredung mit düsterer Miene das Schloss verließ.
Jakobe meinte im Schlosse sicher wie in einer Festung zu sein; als aber die Dunkelheit des Abends hereinbrach und sie vom Rhein her ein Plätschern und Rauschen zu hören glaubte, wurde ihr bange, und es fiel ihr ein, selbst an den Fluss zu gehen und den Fährleuten zu befehlen, dass sie während der Nacht niemanden, wer es auch sei, übersetzten. Sie legte ihren Pelz an, denn es war Winter, und ging, nur von einer ihrer Kammerfrauen begleitet, zu den Hütten der Fährleute, die ihr bereitwillig Gehorsam zusicherten. Über dem schwarzblanken Strome wogte kalter Dunst, und am Himmel glitzerten die Sterne mit Eisglanz. Es könnte leicht die kälteste Nacht des Winters werden, sagte ein Fährmann, indem er dem Rauch seines Atems nachblickte. Sie wolle ihnen einen guten Schlaftrunk hinunterschicken, sagte Jakobe munter; dann sollten sie sich aufs Ohr legen und ausruhen, denn in dieser Nacht sei ihr Dienst, keine Dienste zu leisten.
Wie ehrlich die Fährleute es auch im Augenblick meinten, stimmten sie doch die Versprechungen Schenkerns und noch mehr seine Drohungen rasch um; denn wer, dachten sie, würde sie hernach vor seinem Zorne beschirmen? und so setzten sie die Verschworenen mit ihren Knechten und Waffen nacheinander über den Strom. Auch im Schlosse fanden diese nur geringen Widerstand, besetzten es, quartierten Jan Wilhelm in die Gemächer seiner Gemahlin ein und führten Jakobe unter höhnischen Drohungen und anzüglichen Späßen in das Zimmer, das er seit drei Jahren nie verlassen hatte. Sie sei die Zauberin Circe und habe ihren eigenen Gemahl als ein verächtliches Schwein in einen Koben gesperrt; aber wie der rühmliche Held Odysseus die Listige überlistet habe, so müsse sie nun selbst in den unflätigen Käfig wandern, wo sie zuvor das Opfer ihrer Teufelskünste gehalten hätte.
Wie dann die förmliche Anklage ans Licht trat, in welcher Jakobe als eine Ehebrecherin und Zauberin abgeschildert war, die den Scheiterhaufen verdient habe, entsetzte und entrüstete sie sich zwar anfänglich; aber sie tröstete sich ihres Mannes, der sie, wie sie meinte, doch nicht ganz vergessen und verstoßen haben könnte, ferner des Kurfürsten Ernst, des alten Herzogs von Bayern, ihres Pflegevaters, und anderer Freunde, schließlich der Stellvertreter Gottes auf Erden, des Papstes und des Kaisers, welche beide oftmals ihr väterliches Wohlwollen für sie umständlich angezogen hatten.
Was Jan Wilhelm anbelangt, so bekam er krampfhafte Zufälle, wenn man nur den Namen seiner Frau nannte, und schimpfte sie Betrügerin, Zauberin und Hexe, die ihm zuerst mit gottlosen Ränken den Kopf krank gemacht und ihn dann für toll ausgegeben habe, um die Herrin zu spielen und seiner zu spotten. Als es ihr vermittelst ein paar treuer Diener gelang, ihm einen Brief zuzuspielen, in dem sie ihn an die eheliche Liebe und Treue mahnte und anflehte,