Cornelia Lohs

Fettnäpfchenführer Schweden


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als die Deutschen schleppen die Schweden keine Wasserkästen vom Supermarkt nach Hause. Wenn sie Durst haben, drehen sie einfach den Wasserhahn auf. Und weil es so gut schmeckt, wird das Leitungswasser auch in Restaurants serviert. Wie auch im Rest Schwedens, wo das Leitungswasser von äußerst hoher Qualität ist. Viele Restaurants führen gar kein abgefülltes Mineralwasser, eben weil das Wasser aus dem Hahn so hervorragend ist. Das Wasser, das oft in hübschen Glaskaraffen oder Dekoflaschen serviert wird, ist für den Gast kostenlos.

      Stockholm bezieht sein Trinkwasser aus dem Mälaren, der mit 1090 Quadratkilometern doppelt so groß ist wie der Bodensee. Erzeugt wird es in den Wasserwerken Norsborg und Lovö, die täglich rund 370.000 Kubikmeter Trinkwasser für mehr als eine Million Menschen im Großraum Stockholm produzieren. Das Wasser wird in drei Schritten gereinigt, bevor es den häuslichen Wasserhahn erreicht. Der Reinigungsprozess beginnt bereits mit der Gewinnung von Wasser aus dem Mälaren zwischen fünf und fünfunddreißig Meter Tiefe. Wie jedes Seewasser enthält es organische Substanzen, die entfernt werden müssen, bevor es zum Trinkwasser wird. In der Ansaugkammer wird das Wasser durch ein feinmaschiges Netz gesiebt, das Wasserpflanzen und andere gröbere Gegenstände auffängt. Das gesiebte Wasser wird danach zum Wasserwerk gepumpt, wo es zwei weiteren Reinigungsschritten unterworfen wird. Der gesamte Prozess dauert etwa zwölf Stunden.

      Natürlich gibt es in schwedischen Supermärkten auch Mineralwasser in Flaschen. Das bekannteste ist Ramlösa aus der gleichnamigen Heil- und Mineralwasserquelle in Helsingborg. Der Großteil der Schweden schwört indes auf das heimische Leitungswasser. Für unterwegs wird Ramlösa jedoch gern gekauft. Vor allem das leicht sprudelnde und das Wasser mit Erdbeer- und Zitronengeschmack.

       Katharina kann’s besser

      Da die junge Deutsche zum ersten Mal in Schweden ist, konnte sie natürlich nicht wissen, dass das Land von Nord bis Süd über Leitungswasser von so ausgezeichneter Trinkwasserqualität verfügt, dass es auch in der Gastronomie serviert wird. Nachdem sie auch diesem Missverständnis auf den Grund gegangen ist, hat sie sich vorgenommen, in Zukunft in Restaurants nicht mehr nach kommerziellem Mineralwasser zu fragen: aus finanziellen Gründen, der Umwelt zuliebe – und weil das schwedische kranvatten einfach besser schmeckt.

       DIE SCHWEDISCHE KÜCHE – MEHR ALS KÖTTBULLAR

      Dank Ikea kennen auch diejenigen, die noch nie in Schweden waren, das Nationalgericht köttbullar (ausgesprochen schöttbullar). Wer jetzt aber glaubt, die Schweden seien alle verrückt nach diesen Fleischbällchen, irrt. Seit die Dänen Anfang der 2000er die »Neue Nordische Küche« (nordisk mat) entwickelten, hat sich auch die schwedische Küche neu erfunden und ist kreativer denn je. Die jungen Köche setzen auf Qualität statt Quantität und zum großen Teil auf einheimische Produkte. In Topf und Pfanne kommt, was Süß- und Salzwasser, Wiesen und Wälder, Garten und Hof hergeben.

      Ein wichtiger Bestandteil der schwedischen Küche ist seit Jahrzehnten das smörgås, ein üppig belegtes Butterbrot. Abhängig vom Belag, verwendet man dafür Weißbrot, Roggenoder Schwarzbrot. Auf die gebutterten Scheiben werden unterschiedliche Zutaten geschichtet. Das räksmörgås (Krabbenbrot) gehört zu den beliebtesten Varianten. Hauptzutaten sind Roggenbrot, Krabben, Salatblätter, Gurken- und Tomatenscheiben. Darüber kommt eine Salatsoße aus saurer Sahne und Mayonnaise, garniert wird das Sandwich mit Schnittlauch oder Dill und Herinsgrogen. Beliebt sind auch das gravad lax smörgås (Lachsbrot) und das hering-smörgås, die ähnlich belegt werden. Vegetarische und vegane Varianten des smörgås werden mit diversen Gemüsesorten, Sprossen und eifreier Mayo belegt. Auf smörgåsboards (Buffets) in Restaurants werden nicht nur, wie der Name vermuten lässt, smörgåsar (Butterbrote; Plural) angeboten, sondern auch verschiedene kalte und warme Speisen.

      7

       KATHARINA SCHNEIDET EINEN KUCHEN AN

      Katharina ist gerade in ein molekularbiologisches Problem vertieft, als es an ihrer Tür klopft. Es ist Emma. »Ich habe ein paar Freundinnen zu Kaffee und Kuchen eingeladen und wollte dich ganz spontan fragen, ob du dich zu uns setzen möchtest«, sagt sie und lehnt am Türpfosten. Katharina überlegt kurz und antwortet: »Das ist lieb von dir, aber was sagen deine Freundinnen dazu? Ich meine, wegen mir müsstet ihr die ganze Zeit über Englisch reden, da ich kein Wort Schwedisch verstehe.«

      »Ach was, das ist überhaupt kein Problem. Komm wenigstens auf ein Stündchen dazu, okay? Du sitzt hier schon den ganzen Nachmittag und brütest über deinen Büchern – eine Pause tut dir sicher gut! Meine Freundinnen sind schon da und ganz gespannt auf meine neue deutsche Untermieterin.«

      Katharina lässt sich überreden und folgt Emma in die geräumige Küche am anderen Ende des Flurs. Um den runden Holztisch sitzen drei junge Frauen in Emmas Alter und schauen den Neuankömmling hinter ihrer Freundin neugierig an. »Hej, ich bin Stine«, sagt die erste, deutet auf die anderen und fügt hinzu: »Das sind Åsa und Janne.«

      »Ich bin Katharina, die neue Untermieterin, aber das wisst ihr sicher schon von Emma«, wirft Katharina in die Runde und setzt sich.

      »Na klar, wir haben schon viel von dir gehört«, antwortet Åsa. Die anderen grinsen. Oh je, hoffentlich hat sie ihnen nicht erzählt, dass ich sie mit den Dänen über einen Kamm geschoren habe, huscht es Katharina durch den Kopf. Sie lächelt verlegen und fragt: »Seid ihr Kolleginnen von Emma?«

      »Ja und nein«, erklärt Janne, »wir kennen uns schon seit dem Gymnasium und haben nach dem Abitur zusammen studiert. Åsa, Stine und ich sind Designer und haben unser eigenes Studio.«

      »Mode oder Möbel?«, fragt Katharina.

      »Weder noch«, antwortet Stine. »Wir sind Kommunikationsdesigner. Das ist Emma auch, aber sie hat sich dann für die Fotografie entschieden. Ab und zu übernimmt sie aber Aufträge für uns. Und du bist Wissenschaftlerin?«

      »Ja, Molekularbiologin. Künstlerisch bin ich leider überhaupt nicht begabt«, sagt Katharina seufzend.

      In der Mitte des Tisches steht eine typische schwedische Erdbeertorte (jordgubbstårta) mit viel Sahne. »Wow, frische Erdbeeren im Herbst!«, ruft Katharina begeistert.

      »Leider nur importierte«, erklärt Emma und schiebt die Torte samt Kuchenmesser mit den Worten »Die Ehre gebührt dir« Katharina zu.

      Schon wieder etwas über die Sitten in Schweden gelernt, denkt sie, nicht die Gastgeberin schneidet die Torte an, sondern der Ehrengast, und das bin wohl ich. Sie nimmt das Messer in die Hand und fängt an, die Torte zu vierteln, um sie dann in zwölf gleich große Teile zu schneiden. »Passt, für jeden zwei Stück und zwei bleiben übrig«, kalkuliert sie in Gedanken. Als sie aufschaut, bemerkt sie, wie die anderen sich seltsame Blicke zuwerfen. Habe ich die Torte ungleich aufgeteilt? Hätte ich sie in zehn Teile schneiden sollen?, fragt sie sich.

      »Du zuerst«, sagt sie zu Emma, schiebt den Tortenheber unter das erste Stück und legt es ihr auf den Teller. Emma schaut ihre Untermieterin irritiert an.

      Was habe ich denn jetzt falsch gemacht? Hätte ich zuerst den Gästen Torte geben sollen? Klar, Emma hat eingeladen, die Gäste werden zuerst bedient. Wie dumm von mir!

      Sie geht mit der Torte um den großen runden Tisch herum, um Åsa, Janne und Stine je ein Stück auf deren Teller zu geben. Die drei schauen sich amüsiert an, und Katharina kommt es so vor, als müssten sie mühsam ihr Lachen unterdrücken.

      Katharina ist ratlos. Irgendetwas hat sie wohl falsch gemacht, aber sie weiß beim besten Willen nicht, was. Und da die anderen nichts sagen und sich nur vielsagende Blicke zuwerfen, muss es wohl etwas sehr Dummes gewesen sein. Schweigend isst sie ihr Stück Torte und wünscht sich zurück in ihr Zimmer.

       Was ist schiefgelaufen?