Ulrike Köhler

Fettnäpfchenführer Schottland


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schnell wieder in den, wie Franziska vermutet, gewohnten Bahnen. Noch immer nicht ganz an den schottischen Akzent und seine kleinen Eigenheiten gewöhnt, versucht sie, der Unterhaltung zu folgen, nur um festzustellen, dass Eleanore und ein junger rothaariger Mann mit dicken Brillengläsern dazu übergegangen sind, einander aufzuziehen. Es scheint, als stamme der Mann aus Glasgow und müsse dafür nicht nur von Eleanore einiges einstecken – auch die beiden fast identisch aussehenden Männer daneben, Jimmy und Sean, wenn sie sich richtig erinnert, klinken sich irgendwann ein. Doch der Rothaarige ist nicht um Antworten verlegen: »Wenigstens trinken wir dort nicht solchen Mist wie ihr hier oben. Würdest du in einem Pub in Glasgow ein Bier mit Zitrone bestellen, würde man dir dort nur sagen: ›Wir bieten keine Cocktails an‹ und dir die Tür vor der Nase zuschlagen. Ihr seid ganz schöne Weicheier hier.«

      »Besser als Alkoholiker und Rassisten«, pariert Eleanore gut gelaunt, und Franziska spürt, wie sie zusammenzuckt. Eleanore sieht zu ihr hinüber, doch ihr Gegenüber fordert sofort wieder ihre Aufmerksamkeit.

      »Lieber das als solche Geizhälse wie ihr.«

      Eleanore lacht auf. »Wo sind wir denn geizig?«

      Der Rotschopf lehnt sich zurück. Anscheinend hat er sich eine Pointe zurechtgelegt und ist froh, dass Eleanore ihm direkt ins offene Messer gelaufen ist. »Erst letztens habe ich an einem Golfplatz ein Schild gesehen, auf dem stand, dass die Mitglieder keine verloren gegangenen Bälle aufsammeln und mitnehmen dürfen, solange diese noch rollen.«

      Alle lachen, und Eleanore macht ein gespielt betroffenes Gesicht: »Aber die bringen doch 50 Pence das Stück!«, sagt sie scheinbar schmollend, kichert und schiebt sich eine Handvoll Chips in den Mund. Als sie aufblickt und den Ausdruck in Franziskas versteinertem Gesicht sieht, stockt sie erneut: »Alles in Ordnung?«

      »Ja«, sagt Franziska zögernd. »Ich habe nur das Gefühl, ich bin euren Umgangston hier noch nicht gewohnt.« Sie lächelnd entschuldigend, doch Eleanore sieht ratlos in die Runde.

      »Welchen Ton meinst du?«

      »Na ja, was du eben über Leute aus Glasgow gesagt hast. In Deutschland würde man das ziemlich persönlich nehmen.«

      »Ach das!«, schaltet sich der Rothaarige ein. »Das ist gar nichts. So vertreiben wir uns nur die Zeit. Harmlose Neckereien, sonst nichts. Aber«, er macht eine kleine Pause und zwinkert ihr zu, »dass ihr Deutschen nicht für euren Humor bekannt seid, das wissen wir ja schon.«

      Wieder lachen alle, und selbst Franziska kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

       Gebrauchsanweisung für schottischen Humor

      Wenn es um Humor geht, müssen sich deutsche Besucher in Schottland warm anziehen. Nicht nur wird ihnen bei jeder sich bietenden Gelegenheit vorgeworfen, vollkommen humorbefreit zu sein, die Witze der Briten gehen auch immer haarscharf an jener feinen Linie entlang, die wir als erträglich betrachten. Die Grenzen zur Geschmacklosigkeit sind fließend, so etwas wie Befangenheit gibt es hier nicht – wenigstens nicht, wenn es um Humor geht. Da ist alles erlaubt! Er darf messerscharf sein, den Finger in die Wunde legen und schreckt im besten Falle nicht davor zurück Schwächen und Unzulänglichkeiten zu entlarven. Etwas, das wohl den meisten Deutschen unangenehm wäre, ist nicht nur in Schottland, sondern überall in Großbritannien ein wichtiger Teil des demokratischen Prozesses, wie der britische Satiriker Ian Hislop dem Deutschlandfunk erklärte – und das schon seit Jahrhunderten. Was einst mit Romanen von Jonathan Swift und Alexander Pope begann, setzte sich mit Filmen und Serien von Mr. Bean und Monty Python fort.

      Doch es sind natürlich nicht immer nur die großen Comedians, die sich dieser Werkzeuge bedienen. In einem Land, das stolz auf seinen bitterbösen, schwarzen Humor ist, fühlt sich jeder als großartiger Witzereißer. Sie sollten deshalb lernen, die Anzeichen für den Scherz eines Schotten zu erkennen. Wenn Ihnen jemand brutal, respektlos und direkt den Spiegel vorhält – sehr wahrscheinlich vorgetragen in einer trockenen Art und Weise, die Sie zusätzlich aus dem Konzept bringt –, hat er vermutlich einen Witz gemacht. Ironie ist ebenfalls ein deutlicher Hinweis – aber gerade für Menschen, die nicht so gut Englisch sprechen, oft nur schwer zu erkennen. Manchmal ist aber auch genau das Gegenteil der Fall: Bei ihren Witzen haben die Briten oft einen gewissen Hang zu Nonsense und Skurrilität: je blöder, desto besser. Wenn Sie sich darauf einlassen, werden Sie merken, wie witzig das sein kann.

      Zu guter Letzt sei noch die Paradedisziplin des britischen Humors erwähnt, mit der Sie auch in Schottland immer wieder konfrontiert werden können: Naziwitze. Bei den meisten Besuchern aus Deutschland ist spätestens hier Schluss! Wir sind uns einig, dass es hier nichts zu lachen gibt. Ganz anders die Briten: Für sie ist der Zweite Weltkrieg ein schier unerschöpflicher Quell für Witze und fiese Pointen, die im Alltag einen festen Platz haben. Kleine Seitenhiebe, versteckte Spitzen, Doppeldeutigkeiten – das können die Briten gut. Dass sie den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, lassen sie gerne und immer wieder in kleine Sticheleien einfließen. Und sie erwarten, dass wir darüber lachen – nicht weil das, was damals passiert ist, lächerlich gewesen wäre, sondern weil unsere verkrampfte Art, damit umzugehen, ihnen eine besondere Freude bereitet. Nicht böse Absicht treibt sie dabei an, sondern die dann doch wieder recht liebenswerte Eigenschaft, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Nicht umsonst sind sie zugleich Könige der Selbstironie und lachen viel und gerne über sich selbst. Und das erwarten sie auch von anderen. Sogar von den Deutschen.

       DER LEGENDÄRE »YOU STARTED IT!«-SKETCH

      Ein zeitloser Klassiker, der immer und überall gerne zitiert wird, ist diese Szene von und mit John Cleese in der Serie Fawlty Towers: Der Hotelbesitzer Basil Fawlty bewirtet Gäste aus Deutschland und lässt dabei – aller guten Vorsätze zum Trotz (»Don’t mention the war!«) – ständig Anspielungen auf den Krieg fallen.

      Als der deutsche Gast ihn schließlich empört auffordert, die Witze zu unterlassen, antwortet Fawlty: »Wieso, Sie haben doch angefangen!« (»You started it!«)

      »Haben wir nicht!«, ruft der deutsche Gast entrüstet.

      »Doch, Sie sind in Polen einmarschiert!«

      Für viele Briten ist diese Szene legendär und wird nie ihren Charme verlieren.

      Aber keine Sorge: Natürlich muss in Wahrheit niemand befürchten, zum Frühstück neben pochierten Eiern und Speck auch Naziwitze serviert zu bekommen. Wer sich jedoch abseits der ausgetretenen Touristenpfade bewegt und vielleicht engeren Kontakt zu Einheimischen knüpft, sollte sich für diesen Fall schon einmal ein dickes Fell zulegen.

      8

       DAS GEHÖRT DOCH NICHT IN DIE FRITTEUSE!

      Dass ihr erster Arbeitstag am Krankenhaus von Inverness schon vorbei ist, merkt Franziska erst, als Emily und Eleanore mit ihren Taschen und Jacken an ihrem Schreibtisch auftauchen und gut gelaunt fragen, ob sie noch etwas essen gehen möchte, um ihren Einstand anständig zu feiern. Neugierig darauf, mit wem sie da in den nächsten Monaten zusammenarbeiten wird, sagt sie freudig zu und hängt ihren Kittel in den Spint. Vor der Tür trifft sie die beiden Mädchen, die inzwischen noch weitere Kollegen zum Mitkommen überreden konnten, darunter auch Jimmy und Sean, die Franziska bereits aus der Kantine kennt.

      Die Wahl der Gruppe fällt auf das Johnny Foxes, gleich am Ufer des River Ness, unterhalb des Castle. Der Vorteil: Der Laden ist zugleich ein Pub, in dem es abends oft Livemusik gibt, sodass es gerne mal später werden und nach dem Essen das eine oder andere Bier geben darf, wie Emily verschwörerisch grinsend erklärt. Und für alle, die gar nicht nach Hause gehen wollen, öffnen sich anschließend die Türen des angeschlossenen Nachtclubs The Den, in dem weitergefeiert werden darf. Franziska versucht,