in der Ansprache verheiratete Frauen (Mrs) und unverheiratete Frauen (Miss), so ist es heute, im Zuge der Gleichberechtigung, nicht mehr üblich, die Anrede dem Familienstand anzupassen. Stattdessen schreibt man »Ms«, ganz egal, ob sie verheiratet ist und nicht. Bei »Ms« handelt es sich jedoch nicht um eine Abkürzung für »Miss«, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern um die Kurzform von »Mistress«. So sprach man früher respektvoll die Dame des Hauses an, ledige ebenso wie verheiratete. Im »Ms« schwingt also eine Respektsbekundung mit, die bei »Miss« vollends fehlt.
Auch in der mündlichen Kommunikation hat die Anrede »Miss« nichts mehr zu suchen. Sie ist das englische Äquiva-lent zu »Fräulein« und könnte in vielen Situationen (etwa im Tourismus oder im Service) als abwertend oder sogar diskriminierend empfunden werden. Achten Sie deshalb darauf, auch in der Aussprache einen deutlichen Unterschied zu machen: »Ms« wird mit einem stimmhaften s am Ende gesprochen, das wie das Summen einer Biene klingt.
Alleinstehend, also etwa »Ms, could you please ...«, wird die Anrede nicht verwendet – immer nur im Zusammenhang mit dem Nachnamen. Benötigen Sie eine Formulierung, um die Aufmerksamkeit von jemandem zu erregen, sagen Sie einfach: »Excuse me, could you please ...«
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I AM VERY GOOD, THANK YOU, BUT ...
DIE GEFÜRCHTETE BEGRÜSSUNGSFLOSKEL
»Franziska, so pleased to meet you. How are you doing?« Fröhlich nimmt Sophie, die Sekretärin des Fachbereichs, Franziska in Empfang und führt sie in ihr Büro, wo sie den Papierkram für die Anstellung in Inverness vorbereitet hat. »Danke, es geht mir gut. Ich bin jetzt schon eine ganze Woche hier und es gefällt mir wahnsinnig gut. Ich habe wirklich nette Mitbewohner, und die Kollegen hier haben mich alle so lieb aufgenommen. In manchen Punkten fällt mir die Umstellung noch schwer, aber das wird sich in den nächsten Tagen und Wochen sicherlich alles einspielen. Nur das Wetter macht mir noch ein bisschen zu schaffen. In München haben wir immer sehr viel Sonne und ein recht mildes Klima. Das ist hier oben schon ganz anders ...« Sophie nickt geistesabwesend, während sie mit konzentrierter Miene durch einen Stapel Formulare blättert. Hin und wieder huscht ein routiniertes Lächeln über ihre Lippen, und schließlich setzt sie Franziskas Redefluss mit einem resoluten »Sure. You’ll be fine!« ein Ende.
Franziska beißt sich auf die Unterlippe und nimmt den Papierstapel in Empfang. »Das kannst du gleich ausfüllen, nachdem wir in der Personalabteilung waren. Ich brauche das bis heute Abend zurück. Komm am besten gleich mit!« Schon ist Sophie wieder auf den Beinen und dirigiert Franziska zur Tür hinaus. Ein Stockwerk höher bleibt sie schließlich vor einer Tür stehen und klopft kurz an, bevor sie sie öffnet. »Rose, das ist Franziska aus Deutschland. Sie ist in Berts Team. Hast du schon den Hausausweis fertig?« Rose steht schwerfällig von ihrem Schreibtisch auf und kommt mit einem strahlenden Lächeln auf Franziska zu. »Franziska, how are you?« Franziska ergreift die ausgestreckte Hand und freut sich über die Herzlichkeit, die ihr hier überall entgegenschlägt. »Sehr gut, vielen Dank. Ich habe mich schon ganz gut eingelebt und finde Inverness wirklich wunderschön. Alle Menschen sind so nett und hilfsbereit. Ich fühle mich sehr gut aufgehoben. Allerdings muss ich mich erst noch an das Wetter gewöhnen ...« Ein leises Hüsteln von Sophie unterbricht Franziska einmal mehr, und sie blickt irritiert zur Tür, wo die zierliche Frau an den Türrahmen gelehnt steht. »Schön, das freut mich zu hören«, sagt Rose – auf nichts im Speziellen bezogen. Sie verspricht, Franziska anzurufen, sobald der Hausausweis fertig ist, und ehe diese sichs versieht, steht sie wieder neben Sophie auf dem Gang. Die Sekretärin blickt kurz auf ihre Uhr und murmelt dann mit einem erzwungenen Lächeln: »Beim nächsten Mal magst du vielleicht einfach nur ›Gut, danke‹ antworten. Das geht auch.«
Souverän auf »How are you doing?« antworten
Es gibt eine Frage, die den meisten Schottlandbesucher aus Deutschland ein Graus ist: »How are you?« Diese eigentlich so freundlich gemeinte Höflichkeitsfloskel zur Begrüßung kann auch geübte Schottlandurlauber nach Jahren noch ins Schwitzen bringen. Denn: Was antwortet man darauf? Und antworten muss man doch schließlich – oder etwa nicht?
Eines sollte Ihnen von Anfang an klar sein: Ihr schottisches Gegenüber möchte keine genaue Bestandsaufnahme Ihrer Befindlichkeit! Man möchte nicht im Detail wissen, wie Sie sich heute fühlen und was Sie derzeit so beschäftigt. In Wahrheit ist vielen Briten wohl gar nicht mehr bewusst, dass es sich bei »How are you?« oder »How do you do?« um eine Frage handelt, die in der Regel eine Antwort erfordert. Die Floskel kommt ihnen ohne tieferen Sinn über die Lippen, könnte aber genauso gut durch ein einfaches »Hi«, »Hello« oder »Good morning« ersetzt werden. Die Bedeutung ist die gleiche.
Diese Interpretation macht den Umgang mit der verhassten Frage, die einem in Schottland zahllose Male am Tag entgegentönt, etwas leichter. Schließlich würde niemand von uns auf »Hi« mit »Danke, es geht mir gut. Heute Nacht habe ich leider etwas schlecht geschlafen, und ich habe leichte Kopfschmerzen, aber jetzt habe ich eine Tablette genommen, und es wird sicher gleich besser« antworten. Sie können die Frage also entweder ignorieren und mit einem einfachen »Hi« oder »Hello« darüber hinweggehen. Oder – das ist etwas souveräner und enttarnt Sie nicht gleich als Touristen – Sie antworten mit »Fine, how are you?« (ja, es geht Ihnen wirklich immer »fine«, alles andere würde den unangenehmen Moment nur in die Länge ziehen!) oder nur »How are you doing?«
Sie werden bemerken, dass kein Schotte das Bedürfnis verspürt, tatsächlich auf diese Frage zu antworten. Understatement, das Untertreiben, und das Treiben an der Oberfläche im Gespräch sind zwei Dinge, die die Briten im Allgemeinen zur Kunstform erhoben haben. Sich ausführlich zum eigenen Zustand zu äußern wäre ihnen viel zu privat. Bestehen Sie also nicht auf eine Detailanalyse des derzeitigen Befindens und bringen Sie den ungewohnten Gesprächsauftakt einfach schnell hinter sich. Nach einer kurzen Erwiderung dürfen Sie zum eigentlichen Gesprächsanlass übergehen oder sich im Small Talk üben.
SMALL-TALK-THEMEN, DIE IN SCHOTTLAND IMMER GEHEN
1 das Wetter gestern
2 das Wetter heute
3 die Wettervorhersage für morgen
4 der allgemeine Wettertrend des Sommers/Winters
5 das aktuelle Wetter im Vergleich zum letzten Jahr
6 aktuelle Nachrichten, Sportereignisse, lokale Ereignisse und anstehende Events (setzt voraus, dass Sie sich ein bisschen auskennen und das Gefühl haben, dass sich Ihr Gegenüber dafür interessieren könnte – ansonsten schwenken Sie schnell zurück zu den Themen 1 bis 5)
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AUTSCH, SO WAS SAGT MAN DOCH NICHT!
DER BALANCEAKT DES BRITISCHEN HUMORS
Die Kantine des Krankenhauses gleicht bereits um zwölf Uhr einem summenden Bienenstock. Franziska ist froh, dass die Kollegen sie gleich am ersten Tag mitgenommen haben und ihr so die Orientierung erleichtern. Während Emily sofort in Richtung Salatbar verschwindet, lässt sich Franziska von den Jungs aus dem Team zur Essensausgabe mitnehmen, wo sie ein blasses Panino mit ein paar Salatblättern, jeder Menge Käse und einer Tüte Walkers-Chips entgegennimmt, dazu einen Pappbecher, den sie sich an der Getränkestation selbst mit Softdrinks auffüllen kann. So richtig Appetit hat sie nicht, aber es ist eine gute Gelegenheit, die Kollegen kennenzulernen, und sie will ja nicht gleich am ersten Tag zur Außenseiterin werden.
Das ist jedoch gar nicht so einfach,