Petra Dubilski

Fettnäpfchenführer Irland


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Is’ klar«, murmelte Micha.

      »Wann könnt ihr einziehen?«, fragte Aisling geradeheraus. »Ich brauche die Miete.«

      Kurz und gut, am folgenden Wochenende zogen wir ein.

      Als wir unseren Krempel ins Haus schleppten, schlurfte uns ein verkaterter junger Typ entgegen und blinzelte verschlafen an uns vorbei.

      »Du bist Conor? Hallo, wir sind die Neuen«, sagte Micha.

      Der Typ schüttelte nur den Kopf, brummelte: »Nee, bin Fionn«, und schloss die Badezimmertür hinter sich.

      Ich guckte Micha an. »Fionn? Wer soll das denn sein?«

      Micha zuckte die Schultern, und wir schleppten weiter.

      Nachdem alles in unserem Zimmer verstaut war, wollten wir uns erst einmal einen Kaffee in der Küche machen. Ich fiel bald rückwärts wieder aus der Tür. Bombenalarm! Take-away-Kartons, Bier-dosen, stapelweise dreckiges Geschirr und alle Flächen verklebt.

      Eine junge Frau mit wuscheligen schwarzen Haaren und nur mit einem langen T-Shirt bekleidet wankte, ebenso verschlafen wie dieser Fionn, in die Küche.

      »Hallo«, sagte Micha, weit weniger enthusiastisch als beim ersten Mal. »Du musst Gianna sein, oder?«

      »Hi, ich bin Michelle. Habt ihr irgendwo Kaffee? Und Klopapier?«

      Im Wohnzimmer das gleiche Bild. Leere Chipstüten, Bierdosen, Weinflaschen, dafür volle Aschenbecher und ein volles Sofa – voll mit einem sehr großen und sehr dicken jungen Mann, der vor sich hinschnarchte. Wo war eigentlich Aisling?

      »Ich glaube, die hatten eine Party letzte Nacht«, flüsterte Micha. »Komm, wir gehen in die Stadt Kaffeetrinken, dann sehen wir weiter.«

      Als wir »nach Hause« kamen, war niemand mehr da. Wir räumten also gemeinsam ein bisschen auf, damit wir uns wenigstens in der Küche etwas zu essen machen konnten.

      »Ist aber das erste und letzte Mal, dass ich den Dreck von anderen wegräume«, meinte ich mürrisch. Schöner Einstand.

      »Das regeln wir schon, machen wir wie zu Hause mit ordentlichen Absprachen, wenn wir mal alle zusammensitzen«. Micha bereitete die Tomatensoße für unser Abendessen zu, während ich die letzten Mülltüten hinter das Haus zur Tonne schleppte.

      Wenn wir mal alle zusammensitzen? Nach fünf Tagen hatten wir endlich Gianna kennengelernt, die meist mit ihrem Freund, besagtem Fionn, spät nachts nach Schichtende antanzte und in ihrem Zimmer laut die Musik aufdrehte. Conor bekamen wir auch hin und wieder zu Gesicht, ein irischer Charmeur mit blauen Augen und dem Talent, hauptsächlich von sich zu reden und alles andere zu ignorieren, vor allem wenn ich versuchte, das Gespräch auf ein gemeinsames Essen mit WG-Besprechung zu bringen. Wie neulich.

      »Sweetheart«, sagte er und warf seine hübschen Gliedmaßen aufs Sofa, »wir können jederzeit reden. Ist da nicht eine Flasche Wein im Kühlschrank? Warum holst du uns nicht zwei Gläser?« Er strahlte mich an, als müsste ich augenblicklich dahinschmelzen.

      »Schatzi«, sagte ich ebenfalls nonchalant und pflanzte meinen nicht minder hübschen Hintern auf den Sessel. »Warum holst du dir nicht selbst ein Glas? Ich hätte auch nichts gegen ein nettes Sandwich. Den Weg zum Kühlschrank kennst du ja.«

      »Haha, ihr deutschen Frauen seid ganz schön tough! Muss los, habe noch eine Verabredung. Aber das mit dem Wein steht, okay?« Zwinkerte mir zu und verschwand.

      Micha war nach ein paar Tagen sichtlich frustriert. Es gab ein Kommen und Gehen und das nicht immer von unseren Mitbewohnern. Gianna und ihr Fionn plus diverse musikliebende Freunde, Conor mit Michelle, Riona, Jenny und wie sie noch so hießen. Aisling hatte in unserer ersten Woche Spätdienst im Krankenhaus und kam erst mitten in der Nacht nach Hause. Tagsüber war sie nicht ansprechbar, abends in Eile: »Ihr kommt klar, oder?«

      Schließlich beschloss Micha, ein paar Regelungen schriftlich festzulegen, wie er es nannte. Kurz gesagt, er verfasste einen Putzplan, klebte Namenszettelchen an die Kühlschrankfächer, damit sich nicht jeder einfach nahm, was er brauchte, und stellte demonstrativ die Klobürste auf den Klodeckel, damit jeder daran dachte, sie auch zu benutzen. Und er fügte noch einen Einkaufsfinanzplan hinzu, weil gemeinschaftliche Sachen irgendwie ungeregelt waren.

      »Keine Lust mehr, Klopapier für den Rest Irlands zu kaufen«, grummelte er. Und dann klebte er seinen schönen, mehrfach ausgedruckten Plan an den Kühlschrank, an den Badezimmerspiegel und an jede Schlafzimmertür, damit auch niemand ihn übersah.

      Das klappte endlich. Aber nicht so, wie Micha sich das vorgestellt hatte.

      Aisling klopfte eines Nachts sehr, sehr spät an unsere Tür. »Hab ich euch aufgeweckt?«

      Ich nickte verschlafen.

      »Sorry. Klasse Idee mit dem Plan. Aber hört mal, das mit dem Klopapier besprechen wir noch. Ihr seid ja immer zu Hause und benutzt das Klo am häufigsten. Und wer stellt eigentlich immer die Klobürste auf den Deckel? Schlaft schön weiter, ich bin todmüde.«

      Von wegen schön weiterschlafen.

      Gianna legte uns am nächsten Morgen den Plan auf den Frühstückstisch. »Tolle Idee, ich versteh nur nicht alles. Muss das mit Fionn besprechen. Dein Shampoo ist übrigens super, Jo. Müsste ich mir auch mal besorgen, wenn ich dazu komme. Ach, und wer stellt eigentlich immer die Klobürste auf den Deckel? Ciao!«

      Mein Shampoo?! Das würde ich in Zukunft in meinem Zimmer verstecken.

      »Apropos Fionn: Sollte der sich nicht auch beteiligen?« Mein korrekter Micha, immer im Einsatz für Gerechtigkeit – oder zumindest für die gerechte Aufteilung von Kosten.

      »Dann aber auch Jenny, Michelle und Riona«, fügte ich trocken hinzu.

      »Annemarie heißt die Neueste von Conor«, brummte Micha. »Conor müsste mindestens Gruppentarif zahlen.«

      Der tapste in Unterhosen in die Küche und stöberte im Kühlschrank herum. »Cooler Plan, man. Fände ich auch gut, wenn alles etwas besser organisiert wäre. Sagt mal, habt ihr keinen O-Saft mehr? Könnt ihr den nicht auf euren Einkaufsplan schreiben? Und Klopapier ist auch keins mehr da.«

      »Ich finde, das sollten wir alles mal besprechen, Conor«, versuchte ich Micha zuvorzukommen, dem schon die Ader am Hals anschwoll. »Sollten wir uns nicht mal zusammensetzen, du, Aisling, Gianna und wir?«

      »Aber immer, Baby.« Er zwinkerte Micha zu, so ganz von Mann zu Mann. »Wenn Micha das Bier besorgt und ihr Mädels kocht, bin ich für alles zu haben ... Übrigens, wer stellt eigentlich immer die Klobürste auf den Deckel? Und warum?«

       Kommentar von: Shane

      Ihr habt einen Putzplan in einer irischen WG erstellt? Ja seid ihr denn wahnsinnig? Ich lach mich kaputt. Deutscher geht’s wirklich nicht mehr! Mal im Ernst: Eine Wohngemeinschaftskultur wie in Berlin gibt es in Irland schlichtweg nicht. Man teilt sich dort nicht ein Haus, weil man das Gemeinschaftsgefühl pflegen will, sondern weil sich jüngere und alleinstehende Leute selten eine eigene Wohnung leisten können und wollen. Sie sparen das Geld lieber für die Anzahlung auf ein eigenes Haus. Hausarbeit in solchen Gemeinschaftshäusern erledigt sich, nun ja, »organisch«. Irgendwer macht immer mal wieder sauber, meist wenn Besuch erwartet wird. Ein echtes Interesse am Miteinander ist nicht vorhanden oder entwickelt sich nur langsam – wenn man Glück hat. Es sind Zweckgemeinschaften, die ständig fluktuieren und nur selten in Freundschaften münden. Es sei denn natürlich, alle haben das gleiche Partybedürfnis, die gleiche Schmutztoleranz und vor allem einen Job außer Haus. Wer wie du, Jo, zu Hause arbeitet, kriegt da leicht die Krise.

      Und mit Partys muss immer gerechnet werden. Eine geteilte Wohnung oder Haus ist die Zwischenstation zwischen dem Elternhaus, wo Partys nicht erlaubt sind, jedenfalls nicht in dem wilden Ausmaß, und dem eigenen Haus, wenn mit eigener Familie die Verantwortung ausufernde Partys schon von allein verbietet. Dieses Intermezzo der Freiheit wird heftig genutzt. Ist ja auch keiner da, der sich über den