Rudi Hofer

Fettnäpfchenführer Neuseeland


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nicht annähernd den Beliebtheitsgrad wie Glühwein in heimischen Gefilden.

      Beim Hauptthema des Gespräches, dem house sitting, gab sich Peter eine Spur zu ungläubig, denn tatsächlich gehört das Haushüten oder Haussitten in Neuseeland zur normalsten Sache der Welt. Auch dass der Freund des Hausbesitzers den Job an einen Dritten delegiert, ist durchaus keine Seltenheit, auch wenn er diesen nicht einmal persönlich kennt.

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       DER WEG ISTNICHT DAS ZIEL

       ENDLICH ANGEKOMMEN

      Die 747-800 von Air New Zealand setzte am frühen Morgen in Auckland sicher auf der Landebahn des internationalen Flughafens auf. Irgendwo über dem Südpazifik war es hell geworden, und kurze Zeit, nachdem die Flugbegleiterinnen die Überreste des Frühstücks abgeräumt hatten, konnte Peter Obland rechts unter sich die Küstenlinie der nördlichen Spitze Neuseelands sehen. Peter hatte die westliche Flugstrecke mit einem Zwischenstopp in Los Angeles gewählt. Man konnte auf dieser Route einige Kilo mehr Gepäck mitnehmen und es gab nur diese eine Zwischenlandung in L.A. Es war somit einer der Neuseelandflüge, die insgesamt am kürzesten – oder am wenigsten lang – dauerten. Peter wollte so schnell wie möglich nach Aotearoa kommen, und er hatte sich tatsächlich entschieden, etwas länger im Land der Kiwis bleiben – wie lange genau, das sollte mehr oder weniger der Zufall entscheiden, weil er sich ganz bewusst nicht in einen starren Zeitrahmen zwängen wollte.

       KIWI, KIWI, KIWI

      Dass der Begriff »Kiwi« zu Neuseeland wie Sauerkraut zu Deutschland gehört, darf sicher als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Anders jedoch als der fermentierte Kohl wird das Wort Kiwi in immerhin drei recht unterschiedlichen Bedeutungen verwendet.

       Kiwi – (Apterygidae, Apteryx) oder Schnepfenstrauß, flugunfähiger, nachtaktiver Vogel in den Wäldern Neuseelands. Sein Name leitet sich von seinem Ruf (oder Pfiff) – ungefähr: kiiwitt, kiiwitt – ab. Der Kiwi ist unter anderem ein Nationalsymbol Neuseelands.

       Kiwi – (Actinidia chinensis) oder Chinesische Stachelbeere, die Kiwifrucht. Per Definition: kugelige bis eiförmige, essbare Frucht des chinesischen Strahlengriffels. Dieses Obst wurde in Neuseeland erstmals außerhalb Asiens in großem Stil angepflanzt und 1959 von der Handelsfirma Turners and Growers unter dem Markennamen Kiwi (selbstverständlich in Anlehnung an den Nationalvogel) exportiert. Kiwis enthalten je 100 Gramm Frucht etwa 80 Milligramm Vitamin C.

       Kiwi – (scherzhaft: »Homo Nova Zeelandia«) sozusagen die mehr oder weniger offizielle Eigenbezeichnung der Bewohner Neuseelands. Sie leitet sich natürlich ebenfalls vom Namen des Vogels ab, der einen derart hohen Stellenwert besitzt, dass auch viele andere Dinge des neuseeländischen Lebens die Vorsilbe »Kiwi« tragen, z. B. die Kiwibank, die staatliche Rentenkasse Kiwisaver oder das Bahnunternehmen KiwiRail.

      Als Peter seinen Boss vor wenigen Tagen gefragt hatte, ob er ihn einmal für drei Minuten sprechen könnte, ahnte dieser schon, dass es nur entweder um mehr Geld oder noch mehr Freizeit gehen konnte. Zunächst war er von Peters Idee einer längeren Auszeit wenig begeistert und versuchte, seinen abtrünnigen Grafiker auf ein Maximum von drei Monaten herunterzuhandeln. Erst als Peter dem Agenturchef zusicherte, auch aus der Ferne online Aufträge seiner bestehenden Kunden zu bearbeiten, willigte der Boss erleichtert ein, reichte Peter die Hand und wünschte ihm eine gute Zeit am anderen Ende der Welt.

      Nun kam Peter tatsächlich in Neuseeland mit einem flexiblen Rückflugticket (open return ticket) an. Und mehr noch: Peter landete in Auckland mit einem working travel visum in der Reisetasche.

       WORK AND TRAVEL

      Man sucht und organisiert sich auf der Reise durch Neuseeland praktisch jeden beliebigen Job. Das kann eine simple Tätigkeit als Regal-bestücker im Supermarkt bis hin zur weitaus anspruchsvolleren Anstellung als Bürokraft bei einer größeren Firma sein – man muss sich nur bei der Bewerbung geschickt anstellen und ein bisschen Glück haben. Es gibt auch sonst kaum Beschränkungen, außer dass die Aufenthaltsdauer auf maximal 12 Monate begrenzt ist und man nicht älter als 30 Jahre sein sollte. Wer darüber hinaus in Aotearoa bleiben (und arbeiten) möchte, sollte ernsthaft übers Auswandern nachdenken.

      Riqi hatte schon lange vor dem Abflug angeboten, Peter vom Flughafen abzuholen – wahlweise, bei gutem Wetter, mit dem Motorrad oder mit dem Wagen, falls es regnen sollte.

      ›Lieber Quasi-Namensvetter Petrus, lass es für den Anfang wenigstens ein kleines bisschen nieseln‹, dachte Peter, als der Flugkapitän die Landevorbereitung für Auckland ankündigte, weil er sich überhaupt nicht vorstellen konnte, wie er als Sozius auf dem bike mitsamt seinem Gepäck Platz finden sollte – Anhänger oder Seitenwagen schloss er, weil uncool, vollkommen aus. Kaum hatte Peter diesen Gedanken zu Ende gedacht, meldete sich der Copilot über die Bordlautsprecher mit dem Landewetter für Auckland – ohne dabei ein einziges Mal den Begriff »Regen« zu benutzen oder sonstwie Niederschläge anzukündigen. Tatsächlich: Als die Maschine über die Rollwege zum gate unterwegs war, fiel die tief stehende Morgensonne mit solcher Intensität durch Peters Kabinenfenster, dass er die Augen schließen musste, um nicht nachhaltig geblendet zu werden.

      ›Oh, bugger! – Mist, Schei...!‹, dachte Peter ziemlich kiwigerecht, »Riqi wird den Motorradabholservice doch hoffentlich nur als Scherz gemeint haben ...«

      Aber als ihm jemand aus der Nebenreihe »Have a nice day« wünschte, schämte sich Peter ein wenig für seine Gedanken und es wurde ihm bewusst, wie albern es war, sich über einen wunderbar sonnigen Morgen zu ärgern, vor allem, wenn der neue Tag an keinem geringeren Ort als Neuseeland begann.

      Renata und David, ein sehr junges Paar aus der Schweiz, mit dem Peter während des langen Fluges die eine oder andere kurze und belanglose Unterhaltung geführt hatte, war nach eigener Aussage mit nichts als zwei gewaltigen Rucksäcken unterwegs, um zwei Monate lang Neuseeland größtenteils per pedes zu erkunden. Renata fragte Peter: »In der Ansage hieß es doch vorhin, man darf keine Lebensmittel mit ins Land bringen. Meinst du, das gilt auch für diese beiden Äpfel in meiner Tasche?«

      »Ich weiß es nicht genau«, antwortete Peter wahrheitsgetreu, »frag doch beim Rausgehen am besten die Flugbegleiterin. Soviel ich weiß, ist die neuseeländische Biosecurity (Biosicherheit, wie der Customs Service (Zoll) eine Abteilung des New Zealand Government) in solchen Dingen recht penibel. Was hast du denn auf dem Einreiseformular angekreuzt?«

      Die Backpackerin drängte zusammen mit ihrem David bereits nach draußen: »Ach, was soll schon groß sein? Wenn es jemand beanstandet, sollen sie das Obst behalten oder ich werfe es vor den Augen des Zollbeamten in den nächsten Abfalleimer. Also, Grüezi dann, und eine gute Zeit in Enn-Zett wünsch ich dir.«

      Peter holte seine Tasche aus dem Gepäckfach, ließ sich dabei aber Zeit, weil er wusste, dass er auch die besonders Eiligen mit großer Wahrscheinlichkeit am Gepäckband oder spätestens bei der Zollkontrolle wiedersehen würde. Dennoch ging das Verlassen der Maschine überraschend zügig vonstatten, die Wege am Flughafen von Auckland sind übersichtlich und nicht so lang, dass man sich Blasen an die Füße läuft. Peter lief leicht beschleunigten Schrittes einen Korridor entlang und wurde an dessen Ende vom aufwendig nachgebauten Eingang eines Maori Marae empfangen.

       KULTURGUT

      Als marae wird in den pazifischen Kulturen ein zeremoniellen Zwecken vorbehaltener Bereich bezeichnet. Dies kann ein abgegrenztes Areal oder auch ein Gebäude sein. Der marae in Neuseeland verblieb über die Jahrhunderte als rechteckiger, geebneter und eingefriedeter Platz in seiner ursprünglichsten Form. Einige große und bedeutende Anlagen wurden mit Zeremonialhäusern ergänzt bzw. erweitert. Gängige Beispiele sind wharenui (Versammlungshaus, wörtlich: großes Haus) und wharekai (Speisehaus).

      Obwohl