Rudi Hofer

Fettnäpfchenführer Neuseeland


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       Was man kritisieren könnte ...

       Namen sind keineswegs nur Schall und Rauch – manchmal sind sie auch wahre Fußangeln.

      Neuseeländische Eltern neigen generell dazu, ihren Kindern ungewöhnliche Namen zu geben. Irische und schottische Immigranten setzen dabei den Schwerpunkt auf Pflege und Weitergabe ihrer Tradition. Das Besondere dabei: Iro-schottische Namen mit keltischem und auch gälischem Ursprung sind selten so auszusprechen, wie sie geschrieben werden.

      Peter Oblands Schwierigkeit, den Namen Siobhan vom einmal gehörten sprachlichen Klang über Ohr und Gehirn bis zu einem Wortbild vor seinem geistigen Auge umzuformen, ist nicht verwunderlich. Unter dieser Voraussetzung musste das Kennenlernen etwas holprig werden, vor allem auch, weil die junge Frau die Besonderheit ihres Namens gerne wie einen Katalysator einsetzt und es gewohnt ist, dementsprechend schlagfertig zu reagieren. Peinlich kann es auch im umgekehrten Fall werden: wenn zum Beispiel »Sila« auf der Visitenkarte steht und man anschließend die Frau des Gastgebers der Party, zu der man eingeladen wurde, phonetisch falsch mit »Saila« anspricht, wo nun einmal »SCHIH-lah« richtig gewesen wäre.

      Etwas Körperliches am Rande: Peters zum Gruß ausgestreckte Hand war etwas fehlplatziert. Dass Siobhan sie nicht angenommen hat, war keine Unfreundlichkeit der jungen Frau. Der Händedruck ist bei Neuseeländern zwar nicht ausgeschlossen, wohl aber unüblich. Wesentlich beliebter ist der hug, das An-sich-drücken (außer bei großen Altersunterschieden und formellen Anlässen).

      4

       IM LAND DER UNBEGRENZTEN UNTERSCHIEDE

       EIN FREUND, EIN GUTER FREUND

      Peter Obland war von Natur aus neugierig, nein, wissensdurstig. Zu gerne hätte er gewusst, in welcher Beziehung die gut getarnte Irin Siobhan und der bekennende Maori Riqi zueinander standen; er hatte das Gefühl, dass es sich bei Siobhan um Riqis aktuelle Freundin handelte. Die Fahrt nach Auckland war kurzweilig, jeder hatte viel zu erzählen, und Peter war zuversichtlich, bald eine Stelle in der munteren Plauderei zu finden, an der er geschickt einhaken und seinen Wissensdurst löschen konnte. Als sie schließlich bereits durch das wohlhabende Epsom fuhren, realisierte Peter, dass es bis zur North Shore nicht mehr sehr weit sein würde. Bisher war in der vorderen Sitzreihe aber immer noch kein darling (Liebling, Schatz) oder sweetheart (Liebling, Schatz, Herzliebchen) zu hören gewesen – Peter entschloss, der Sache aktiv auf den Grund zu gehen: »Siobhan, Riqi – you both are friends, aren’t you?«

      Die beiden angesprochenen stimmten fröhlich zu und verstärkten Peters Eindruck noch, indem sie betonten, dass sie good friends, fast sogar soul mates (Seelenfreunde, Seelenverwandte) seien.

      »Darf ich also mit der baldigen Einladung zur einer ganz besonderen, weil Kultur übergreifenden Hochzeit rechnen?«, fragte Peter in der Hoffnung, weitere Details zur Beziehung der beiden zu erfahren.

      »Na klar, aber nur, wenn wir mit einer entsprechenden Gegeneinladung rechnen dürfen!«

      Im Rückspiegel konnte Peter in Siobhans Gesicht ein quasi Mona-Lisa-artiges Lächeln erkennen. Er schöpfte Verdacht, und bevor Riqi kurz vor dem geschäftigen Newmarket wieder auf den Motorway auffuhr, sprach er seine Vermutung aus: »Ihr nehmt mich auf den Arm, nicht wahr? Raus damit – jetzt will ich’s genau wissen – seid ihr als Freund und Freundin zusammen, oder nicht?«

      Riqi lachte, während er sich in den dichten Verkehr Richtung Norden einfädelte, äußerte sich allerdings mit keinem Wort zu Peters Frage. Als schließlich Aucklands Sky Tower sichtbar wurde, hatte Siobhan ein Einsehen und entschuldigte sich bei Peter dafür, dass sie ihn eine Weile auf die Folter gespannt und vielleicht sogar etwas an der Nase herum geführt hatte. Sie sagte auf eine trockene, aber gleichzeitig augenzwinkernde Art, die Peter als irischen Humor interpretierte, dass nichts zwischen ihr und Riqi laufen würde, womit er wieder ganz beruhigt sein und sich ganz entspannt zurücklehnen könne.

       HOCH HINAUS

      Der Sky Tower in Auckland ist ein Aussichts- und Fernmeldeturm. Mit 328 Meter Höhe ist er der höchste Fernsehturm der südlichen Hemisphäre. Der Sky Tower hat eine Aussichtsplattform auf 186 Meter (main observation deck, teilweise mit Glasboden). Ein Drehrestaurant und eine Bar drehen sich in 60 Minuten um die eigene Achse.

      Eine zweite Plattform (Skydeck) befindet sich in 220 Metern Höhe. Dazwischen liegt eine offene Plattform in 192 Metern Höhe mit den Attraktionen SkyWalk und dem SkyJump. Bei Letzterem handelt es sich um ein drahtseilgeführtes Base-Jumping, bei dem der Springer durch ein programmgesteuertes Drahtseil abgebremst wird.

      Peter konnte sich von Siobhans wortreicher Erklärung ein paar Begriffe merken: »To be honest, I had a crush on Riqi (to have a crush on somebody = auf jemanden stehen, in jemanden verknallt sein) for a while but we’ve never been in a relationship. Actually I’m dating someone else (dating somebody = mit jemandem zusammen sein, mit jemandem gehen).«

      Als die Auckland Harbour Bridge in Sicht kam, meldete sich Riqi endlich doch noch zu Wort und rundete die Sache ab, indem er erklärte, dass sich die Beziehung zwischen Siobhan und ihm ausschließlich auf professioneller Ebene abspielte, was er – by all means (auf alle Fälle, unter allen Umständen) – nicht schon wieder falsch verstehen solle. Siobhan sprang ein: »In plain language (im Klartext) – ich unterstütze Riqi hin und wieder bei seinen Auftritten als Backgroundsängerin, und als ich ihn heute zur Abstimmung einiger Termine besucht hatte, entschloss ich mich spontan, Riqi beim Einsammeln seines deutschen Freundes zu begleiten. Und jetzt genieße den Blick auf Auckland von der Harbour Bridge aus, Peter. Cheers!«

       BRÜCKENTAG

      Die achtspurige Auckland Harbour Bridge verbindet den CBD (central business district) mit den als North Shore City zusammengefassten nördlichen Stadtteilen Aucklands. Doch mehr als das: Die gut einen Kilometer lange Stahlkonstruktion verbindet praktisch die gesamte Nordspitze mit dem ganzen Rest der neuseeländischen Nordinsel.

      Zwar gibt es einen mehr als 40 Kilometer langen »Schleichweg« nach Norden, der über West-Auckland führt, aber die Harbour Bridge ist seit ihrer Eröffnung im Jahr 1959 die Hauptverbindung zu den stark wachsenden und immer beliebter werdenden nördlichen Gebieten. Dadurch ist die Brücke im Laufe der Zeit zu einem extremen bottle neck (Engpass, Nadelöhr), geworden, was die Köpfe der Stadtverkehrsplaner seit Jahren heiß laufen lässt.

      Ein vernünftiges Projekt für eine weitere Passage des Waitemata Harbour wird dringend erforderlich. Dazu stehen derzeit drei Entwürfe bereit: für den Bau einer neuen Brücke, einen Tunnel und eine Kombination von beidem.

      Peter war begeistert von der Sicht auf Auckland und den Waitemata Harbour. Exakt auf dem Scheitelpunkt der Brücke kam seine kaum ernst gemeinte Frage: »Kannst du nicht mal kurz für ein Foto anhalten, Riqi?«

      Riqi sah in den Rückspiegel und Siobhan zog die Augenbrauen hoch. Um sicherzustellen, dass er diesen Vorschlag mitten im starken Verkehrsstrom wirklich nur als Pointe abgeschossen hatte, schickte er schnell »Ein Scherz, ein Scherz!« hinterher und meinte in Riqis Augen Erleichterung, aber auch ein bisschen Enttäuschung wahrzunehmen.

      Nachdem das Trio die Brücke passiert hatte und damit die Aussicht wieder weniger spannend wurde, wendete sich Peter seiner neuen Lieblingsbeschäftigung zu: Irinnen ausfragen. »Singst du beruflich, oder ist es einfach dein Hobby?«, wollte er von Siobhan wissen.

      »Teils teils, um es mal etwas indifferent auszudrücken. Ich studiere an der AUT Architektur und parallel dazu am MAINZ Gesang.«

      »M-A-I-N-Z?«, Peter fühlte sich an eine deutsche Stadt erinnert.

       »Music and Audio Institute of New Zealand.«

       STUDIENZWECK