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Nirgends scheint der Mond so hell wie über Berlin


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Klischees über ›die Juden‹ recht hartnäckig in der Bevölkerung. Doch echten Judenhass empfindet anscheinend nur eine kleine Minderheit. Und vor allem: Er ist in den letzten Jahrzehnten eher seltener geworden. Dies zeigen die Ergebnisse einer größeren Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach zu diesem Thema vom Juni 2018.22

      Auf die direkte Frage »Ist Antisemitismus, also Judenfeindlichkeit, heute bei uns ein großes Problem, oder sind das aus Ihrer Sicht Ausnahmefälle?« antworteten in dieser Umfrage die Befragten eher wenig besorgt. 23 Prozent meinten, es handele sich um ein großes Problem, eine klare Mehrheit von 58 Prozent glaubte, bei den in den Medien berichteten Übergriffen handele es sich um Einzelfälle. Erinnerte man sie an den Vorfall vom Prenzlauer Berg, fielen die Antworten der Befragten allerdings deutlich skeptischer aus: Nur 27 Prozent sagten, das sei ein Einzelfall gewesen, während 44 Prozent glaubten, der Angriff auf den jungen Mann mit Kippa sei ein Zeichen für weit verbreiteten Antisemitismus unter Menschen mit arabischer Herkunft in Deutschland.

      Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Deutschen sich einer Auseinandersetzung mit dem Massenmord an den Juden im Nationalsozialismus verweigerten. Auf die Frage »Glauben Sie, das meiste, was über Konzentrationslager und Judenverfolgung berichtet wird, ist wahr, oder ist da vieles übertrieben dargestellt worden?« antworteten in der Umfrage von 2018 81 Prozent, ihrer Ansicht nach seien die meisten dieser Berichte wahr, lediglich 6 Prozent widersprachen. Auch der These, man würde zu viel mit den Verbrechen der Nationalsozialisten konfrontiert, stimmt die Mehrheit nicht zu. Eine Frage lautete: »Wird heutzutage im Radio und Fernsehen eigentlich zu viel oder zu wenig über die Judenverfolgung im Nationalsozialismus berichtet?« Gerade 26 Prozent antworteten auf diese Frage, es werde zu viel darüber berichtet, im Februar 1995 waren es noch 36 Prozent gewesen.23 Die gleiche Tendenz zeigen die Antworten auf die Frage, ob man so lange nach Kriegsende nicht mehr so viel über die Nazi-Vergangenheit reden und besser einen Schlussstrich ziehen solle. 45 Prozent vertraten 2018 diese Ansicht, 21 Prozent weniger als im Jahr 1986 (Abb. 1).

       Schlussstrich

       Frage: »Kürzlich sagte jemand: ›Heute, über 70 Jahre nach Kriegsende, sollten wir nicht mehr so viel über die Nazi-Vergangenheit reden, sondern einen Schlussstrich ziehen.‹ Würden Sie sagen, der hat recht oder nicht recht?«

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       (1986: »… fast 40 Jahre«, 1995: »…fast 50 Jahre«, 2005: »…fast 60 Jahre«) An 100 fehlende Prozent: Unentschieden Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen Nr, 4068, 6012, 7068, 11086

      Ein kleines, aber aufschlussreiches Detail in diesem Zusammenhang sind die ›Stolpersteine‹, kleine Messingplatten, die auf Initiative des Künstlers Gunter Demnig seit 1992 an vielen Orten in das Straßenpflaster eingefügt wurden und die an Menschen – meist Juden – erinnern, die an den betreffenden Orten gelebt hatten und von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet wurden. 58 Prozent der Deutschen hatten laut der Umfrage aus dem Jahr 2018 solche Stolpersteine schon gesehen, fast ebenso viele, 54 Prozent, sagten, sie hielten es für eine gute Idee, auf diese Weise an die Opfer des NS-Regimes zu erinnern, Lediglich 13 Prozent widersprachen.

      Deutlich zurückhaltender zeigten sich die Deutschen dagegen, wenn es um die Frage ging, ob Deutschland Israel gegenüber eine besondere Verantwortung hat. Gerade 31 Prozent der Befragten stimmten dieser These zu, 41 Prozent widersprachen, wobei ein deutlicher Generationenunterschied zu beobachten war: Während 39 Prozent der 60-Jährigen und älteren Befragten die Ansicht äußerten, dass Deutschland für das Schicksal Israels eine besondere Verantwortung trägt, waren es bei den unter 30-Jährigen nur 22 Prozent (Abb. 2). Es spricht damit einiges dafür, dass es mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum Nationalsozialismus für die Bundesregierung schwieriger wird, die Haltung zu vermitteln, wonach die Sicherheit Israels zur Staatsräson der Bundesrepublik gehöre.

       Besondere Verantwortung für Israel?

       Frage: »Würden Sie sagen, Deutschland hat für das Schicksal Israels eine besondere Verantwortung, oder würden Sie das nicht sagen?«

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       Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage Nr, 11086

      Die Umfrageergebnisse aus dem Jahr 2018 enthalten keine Hinweise auf eine ausgeprägte oder gar steigende Judenfeindlichkeit in der Bevölkerung, eher im Gegenteil: Bei einer Frage wurde eine Liste mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen vorgelegt. Die Befragten wurden gebeten anzugeben, welche dieser Personengruppen sie nicht gerne als Nachbarn hätten. 77 Prozent sagten daraufhin, sie würden nicht gerne neben Drogenabhängigen wohnen, 75 Prozent nannten Rechtsextremisten, 73 Prozent Leute, die oft betrunken sind, 56 Prozent Linksextremisten und immerhin 28 Prozent Muslime. Juden wollten dagegen nur 5 Prozent nicht als Nachbarn haben. Im Jahr 1991 waren es noch 12 Prozent gewesen.24

       Eigenschaften von Juden und Muslimen

       Frage: »Hier steht einiges, was uns andere Leute über Juden/Muslime gesagt haben. Welche Eigenschaften findet man denn Ihrer Ansicht nach besonders häufig bei Juden/Muslimen?« (Vorlage eines Kartenspiels) – Auszug aus den Angaben –

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       Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage Nr, 11086

      Gehalten haben sich allerdings – vermutlich größtenteils im Unterbewusstsein – manche alten Klischees von den Eigenschaften von Juden. Dies zeigen die Antworten auf eine Frage, bei der die Interviewer insgesamt 22 Karten überreichten, auf denen Persönlichkeitseigenschaften standen. Eine Hälfte der Befragten wurde gebeten, die Karten auszusortieren, auf denen Eigenschaften standen, die man besonders häufig bei Juden fände. Die andere Befragtengruppe wurde aufgefordert, die gleichen Eigenschaften Muslimen zuzuordnen.

      Der Vergleich zwischen den Juden und Muslimen zugeordneten Eigenschaften ist sehr aufschlussreich. Beide Gruppen wurden von einer deutlichen Mehrheit als religiös (Juden 72, Muslime 81 Prozent) und traditionsbewusst bezeichnet (Juden 65, Muslime 73 Prozent). Doch dass sie erfolgreich im Geschäftsleben seien, meinten 66 Prozent der Befragten von den Juden und nur 18 Prozent von den Moslems. Auch Intelligenz und Fleiß wurden Juden wesentlich häufiger als Moslems zugeschrieben, ebenso Geldgier und Raffgier, während umgekehrt Muslime deutlich häufiger als Juden als radikal, unversöhnlich und rücksichtslos beschrieben wurden (Abb. 3).

      Man kann nicht behaupten, dass die genannten Eigenschaften die Vorstellung der Juden bei den Deutschen dominieren, aber ein wenig schimmert in den Antworten der Befragten doch immer noch das Zerrbild vom gierigen, hinterhältigen Händler durch. Viele Befragte, die entsprechende Antworten geben, würden die Anschuldigung, sie hätten Vorurteile gegenüber Juden oder seien gar Antisemiten, empört und mit Recht zurückweisen. Doch Klischees dieser Art werden über Jahrhunderte tradiert und nisten sich ins Unterbewusstsein ein: Der stolze Spanier, der emotionale Italiener, der tiefsinnige Russe, der verschlagene Jude. Spuren dieser Vorstellungen finden sich in den Hinterköpfen vieler Bürger. Es bedarf vieler Zeit und Geduld, sie zu korrigieren.

      Trotz solcher Spuren alter Vorurteile ist aber die Judenfeindlichkeit in Deutschland deutlich geringer als die Islamfeindlichkeit. Zählt man alle Prozentwerte der elf zur Auswahl gestellten negativen Eigenschaften zusammen und berechnet