Pete Hackett

Western Sammelband 4 Romane: Lady in Blei und andere Western


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– er war ein Mann um die Fünfzig – kratzte sich an der Wange. Friedensrichter Douglas lächelte verklärt und sagte: »So jung müsste man noch mal sein, Sheriff!«

      »Mir reicht’s eigentlich, die letzten fünfundzwanzig Jahre einmal erlebt zu haben«, brummte der Hilfssheriff, wandte sich ab und ging ins Office.

      Shere zog Jack Truman in ihr kleines, von den Eltern geerbtes Haus und versetzte der Tür einen Tritt. Sie schwang herum und knallte zu.

      Im Wohnzimmer lag überall offenes und gebündeltes Weidengeflecht herum. Auf dem Tisch Messer, ein derber Lederhandschuh, weitere Werkzeuge und ein halber Korb. Die Korbflechterei hatte Shere sozusagen mit dem Haus geerbt. Wie ihr Vater konnte sie sich damit eher schlecht als recht über Wasser halten.

      »Hast du meinen Brief gekriegt?«

      »Ich habe viele Briefe von dir bekommen.«

      »Ich rede vom letzten.« Sie schob ihn auf einen Stuhl. »Ich koche gleich Kaffee. Hast du ihn nun gekriegt?«

      »Ich weiß doch nicht, welcher der letzte war, Shere.«

      Sie ging in die Küche. Shere war mittelgroß und zierlich, hatte ein ovales Gesicht mit großen Rehaugen und bis über die Schultern fallende dunkle Locken. »Ich rede von dem, in dem ich dir von der Erbschaft berichtet habe.«

      »Ja, den habe ich bekommen.«

      »Was sagst du dazu?«

      »Zur Erbschaft?«

      »Wozu sonst? Was hältst du davon?«

      Shere hantierte in der Küche. Geschirr klapperte, dann kniete das Mädchen am Herd und blies in die Glut. Sie schob Holz ins Feuerloch, schloss die Klappe, richtete sich auf und kam wieder in den Wohn und Arbeitsraum. »Fünftausend Dollar. Damit lässt sich doch etwas anfangen. Ich habe schon mit dem Fuhrunternehmer gesprochen. Er würde wirklich gern verkaufen. Fühlt sich zu alt dafür. Du, mit dem würde ich einig.«

      »Wer weiß alles von dem Geld?«

      »Bis jetzt kein Mensch.«

      »Niemand?«, staunte Jack. »Kein Mensch in der Stadt?«

      »Ich habe dem Advokaten eingeschärft, niemandem etwas davon zu sagen. Er ritt auch am gleichen Tage wieder weg, weil anderntags in La Porte ein Schiff zum Mississippi abging.«

      »Und warum diese Geheimniskrämerei?«

      »Jack, die hätten mich gelöchert, einen auszugeben. Und dann wären sie gekommen, um mich anzupumpen. So rosig geht es doch hier Keinem, dass er nicht versuchen würde, mir was aus der Nase zu ziehen. Und du weißt, dass ich nicht nein sagen kann, wenn so ein armer Teufel zu mir kommt. Wer weiß, ob ich heute noch einen Dollar hätte. Die hätten mir alles abgeschwatzt.«

      Jack nickte.

      Shere ging in die Küche zurück, schüttete Kaffeemehl in eine Steingutkanne und stellte den Weißblechtopf voll Wasser auf den Herd. »Ich habe es in bar bekommen. Und ich will, dass du noch mal mit dem Fuhrunternehmer redest. Ich komme natürlich mit.«

      Jack stand auf und schob die Hände in die Hosentaschen. »Ich muss das Pferd in den Stall schaffen. Bin bald wieder da.«

      »Der Kaffee ist gleich fertig. Falls du in den Saloon gehen solltest, vergiss es nicht.«

      »Ich denke daran«, versprach er und verließ das kleine Haus.

      13

      »Was hast du denn, Jack?« Shere beugte sich über den Tisch. »Ich kann es mir schon denken. Es missfällt dir, dass es mein Geld ist.«

      Jack lehnte sich zurück. »Darüber habe ich eben gar nicht nachgedacht.«

      »Was ist passiert?«

      Er erzählte von der gestohlenen Herde und von McLean, der sich wie ein Verrückter aufgeführt hatte.

      »Das ist ja schrecklich.« Shere stand auf.

      Jack trank den lauen Rest in der Kaffeetasse und stellte sie auf den Tisch zurück.

      »Und die beiden Cowboys?«

      »Die sind weggeritten. Was sollten sie auch sonst tun?«

      »Vergiss die Geschichte, Jack. Du warst verletzt und hast damit nichts zu tun.«

      »Er wird wahrscheinlich heute oder morgen hier auftauchen und Stunk machen. Mich einen Banditen und wer weiß was noch alles heißen.«

      »Die Leute hier kennen ihn doch. Das geht zu einem Ohr rein und zum anderen raus.«

      Jack ging hin und her und stieß manchmal ein paar der Weideäste aus dem Weg. Die Bündel trugen noch Frachtanhänger, die auf eine weite Reise hindeuteten. »Wie gehen denn deine Geschäfte?«

      »Ausgesprochen schlecht. Hier ist nichts los. Aber das Frachtwagengeschäft ist eine wahre Goldgrube. Lawrence und seine alten Fahrer haben nur keine Lust mehr zu den großen Fahrten. Sie laden in La Porte heute Waren für ganz Texas aus, für New Mexiko und für Oklahoma. Aber die wollen eben nicht mehr so weit kutschieren. Es sind alte Leute, die nachts im Bett schlafen wollen. Und zwar in ihrem eigenen.«

      »Dann wäre ich viel unterwegs.« Jack blieb am Fenster stehen und schaute auf die ausgefahrene Main Street.

      »Daran habe ich natürlich auch schon gedacht.« Shere kam zu ihm und legte die Hand auf seine Schulter. »Für zwei Wagen finden wir in La Porte bestimmt Leute. Wenn nicht dort, dann in Houston. Das ist ja inzwischen eine große Stadt geworden. Und einen Wagen müsstest du mit einem Begleiter eine Weile selbst fahren. Und wenn wir ein bisschen was verdient haben, übernimmst du den Bürokram, die Ladungsbeschaffung in La Porte und was alles damit zusammenhängt. Dann könntest du meistens hier sein. Wenigstens nachts. – Gib dir einen Ruck! Lass uns mit dem alten Lawrence reden.«

      »Wann?«

      »Am besten jetzt gleich.«

      »Hast du eine Ahnung, was er tun will?«

      »Er geht fort. Zu einer Schwester irgendwo im Osten. Er meint, dieses Land taugt nur für junge Menschen, die möglichst schnell alt werden wollen. Komm, gehen wir!«

      Jack ließ sich aus dem Haus schieben. Unter den Vordächern gingen sie zum östlichen Stadtende.

      Val Lawrences Anwesen bestand aus einem geräumigen Hof, einem hohen Lagerschuppen, einem Dach, unter dem drei Frachtwagen standen, dem Stall und einem Corral, in dem die zwölf Pferde untergebracht waren. Gras gab es darin längst nicht mehr, dafür eine Futterkrippe neben der Tränke.

      Die Remise war an den hohen Lagerschuppen angebaut.

      »Was habe ich dir gesagt, die Wagen stehen hier herum, anstatt unterwegs zu sein und Geld zu bringen!«

      Das Wohnhaus stand an der Seite, mit einer Front an der Main Street. Die Tür befand sich jedoch im Hof.

      »Mister Lawrence?« Shere schlug gegen das kleine Küchenfenster im Blockhaus. »Ich bin es, Shere Gatow!«

      Drinnen schabten Stuhlbeine über den Boden. Die Tür öffnete sich knarrend. Lawrence war ein achtundsechzig Jahre alter, grauhaariger und buckliger Mann. Er war abgerissen gekleidet, trug trotz der Hitze eine schwere,