Marianne Teitelbaum

Ayurveda für die Schilddrüse


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„natürlichen“ Behandlungen beruhten. Diese griffen jedoch häufig zu kurz und boten eine Kopie der modernen Medizin, indem sie pharmazeutische Arzneimittel oft durch synthetische Vitamine und Mineralien ersetzten und manchmal den Fokus auf die Behandlung von Symptomen gerichtet hielten. Tatsächlich ist die Zeit reif für eine Neubewertung der alten Modelle.

      Und hier kommt „das neue Ayurveda“.

      Ironischerweise hat sich herausgestellt, dass das neue Paradigma, das Kuhn propagierte, heute mit der alten Praxis der indischen Kräutermedizin übereinstimmt. Das neue Ayurveda stützt sich auf ewige Prinzipien zur Behandlung der Grundursache(n) von Krankheiten. Sie berücksichtigt unsere modernen Beschwerden, entwickelt eine Reihe neuer Protokolle und hält das Versprechen einer personalisierten Medizin, von der wir so viel gehört haben.

      Werfen wir einen Blick auf die Tücken der modernen und angeblich ganzheitlichen Medizin aus der Perspektive von zwei meiner Patientinnen.

      Die Zwillinge Elizabeth und Megan wurden vor 13 Jahren geboren und von zwei liebevollen Eltern glücklich in die Welt gebracht. Ihre Eltern befolgten alle Ratschläge des Kinderarztes, damit ihre hübschen Mädchen gesund aufwuchsen. Doch nach einer Reihe von Schutzimpfungen im Alter von zwei Jahren stellten die Eltern zu ihrem Entsetzen fest, dass den Mädchen das Haar büschelweise ausfiel. Zuerst ignorierten sie es in der Hoffnung, dass es bald von selbst aufhören würde, doch im Laufe der nächsten Wochen verloren die Mädchen schließlich ihr ganzes Haar, auch ihre Augenbrauen und Körperbehaarung.

      Verzweifelt gingen die Eltern mit den Zwillingen zu ihrem Kinderarzt, der sie nach seiner Untersuchung in die Kinderklinik überwies. Die Ärzte dort stellten fest, dass die Mädchen die Schilddrüsenunterfunktion ihrer Mutter geerbt hatten, was den Haarausfall erklärte. Den Mädchen wurde sofort ein Schilddrüsenhormon verabreicht und dann begann eine schmerzhafte Behandlung mit Steroidinjektionen in die Kopfhaut, was dafür gesorgt hat, dass sie seitdem Angst vor Ärzten haben und, was schlimmer ist, haarlos blieben. Die Ärzte ermutigten die Eltern dazu, ihre Kinder zu einer Selbsthilfegruppe zu bringen, die sich einmal im Jahr in verschiedenen Teilen des Landes traf, damit die Mädchen in dem Bewusstsein aufwachsen, dass es noch andere gibt, die ein ähnliches Schicksal erdulden müssen. Bei einem dieser Treffen hörten sie von einem bekannten Heilpraktiker, der ein umfangreiches Blutbild durchführte und natürlich eine Reihe von Nahrungsergänzungsmitteln für Schilddrüsenpatienten verschrieb, u. a. Multivitamine, Mineralien, L-Glutamin, Glutathion, Kurkuma, Vitamin D, Coenzyme, Alpha-Liponsäure, Ashwagandha und Vitamin-B-Komplex. Sie vereinbarten einen Termin bei dem Heilpraktiker und nach der ersten Sprechstunde wurde entschieden, dass die Mädchen weiterhin ihr Schilddrüsenhormon nehmen sollten, während sie das neue Programm an Nahrungsergänzungsmitteln befolgten. Zuerst war die Familie begeistert und hoffnungsvoll, doch im Laufe der nächsten zwei Jahre wurden sie enttäuscht und desillusioniert, weil sich nichts änderte und den Mädchen von der Einnahme dieser Flut von Pillen schlecht war. Dann fand die Familie den Weg in meine ayurvedische Praxis.

      Da ich viele Tausend Schilddrüsenfälle behandelt habe, wusste ich, dass ihre Ärzte den falschen Ansatz verfolgt hatten, indem sie sich einzig und allein auf die Funktionsschwäche der Schilddrüse konzentriert und nichts getan hatten, um den Angriff des Immunsystems auf die Drüse zu korrigieren. Ich wusste auch, dass das Schilddrüsenhormon, das man den Mädchen verschrieben hatte, mehr Schaden als Nutzen brachte – durch die Gabe des Hormons hatte man unwissentlich die Notwendigkeit zur Eigenproduktion des Hormons im Körper der Mädchen unterbunden.

      Der Naturheilkundler hatte zumindest versucht, ihr Immunsystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen, sein Fehler aber war die Verschreibung einiger synthetischer Nahrungsergänzungsmittel, die, wie Pharmazeutika, unterschiedliche Nebenwirkungen auslösen können. Das andere Problem mit dem von ihm verschriebenen Protokoll war die Tatsache, dass es zu viele oral einzunehmende Tabletten umfasste. Die Leber war ihrer Aufmerksamkeit komplett entgangen, denn sie musste ja all diese Mittel verarbeiten, die ihre Funktion störten und somit noch eine stärkere Autoimmunreaktion auslöste (mehr dazu später).

      Da die Behandlung mit pharmazeutischen Arzneimitteln nicht Teil meiner Praxis ist, erklärte ich den Eltern, dass Sie entscheiden sollten, ob sie die Dosierung des Schilddrüsenhormons für die Mädchen reduzieren wollten, sobald sie mit dem ayurvedischen Protokoll begannen, das ich für sie zusammengestellt hatte. Im Laufe der nächsten Wochen und Monate wurde die Dosierung immer weiter gesenkt und schließlich ganz aufgegeben. Denn nun verlagerten wir das Hauptaugenmerk auf die Ursachen, wieso ihr Immunsystem bis zu so einem Grad gestresst war, dass es tatsächlich ihre Schilddrüse angriff und dadurch den Haarausfall verursachte.

      Unser Ansatz bestand darin, echte Naturheilmittel einzusetzen, die aus Kräutern, Nahrungsmitteln und Gewürzen bestehen. So sollte das Immunsystem wieder auf Vordermann gebracht werden, damit es aufhört, ständig die Schilddrüse zu attackieren. Dann erhielt die Drüse Unterstützung, um sich selbst zu heilen, ohne sich auf das Hormon zu verlassen. Außerdem wurden alle Anstrengungen unternommen, um orale Medikationen auf ein Minimum zu beschränken. Es wurden andere Verabreichungswege für die Kräuter gewählt (über transdermale Applikation, homöopathische Verdünnungen der Kräuter in Wasser, die über den ganzen Tag verteilt getrunken wurden, sowie stark verdünnte Tees), um die Leberbelastung so gering wie möglich zu halten.

      Langsam aber sicher begannen kleine Haarbüschel zu sprießen, Monat für Monat, bis beide Mädchen ihr glänzendes, braunes Haar wiederhatten – das sie auch von ihrer Mutter geerbt hatten. Abgesehen davon, dass ihr Immunsystem – gestört durch zu viele Impfungen zur selben Zeit – wieder gesund und ausgeglichen war, verschwanden auch ihre Empfindlichkeiten gegenüber Gluten, Milchprodukten und anderen Lebensmitteln. Außerdem wussten die Eltern, dass die Behandlung all dieser Probleme in jungen Jahren ihre Töchter später einmal davor bewahren würde, andere Autoimmunerkrankungen wie Fibromyalgie und Lupus zu entwickeln.

      Ich schreibe dieses Buch für Elizabeth und Megan und die Tausenden von Patienten, die sich in ähnlich misslicher Lage befinden.

      Elizabeth bei ihrer Kontrolle nach drei Monaten

      Elizabeth bei ihrer Kontrolle nach sechs Monaten

      Elizabeth bei ihrer Kontrolle nach 1 Jahr

      Wir wissen, dass die Menschen weltweit an einer Epidemie schlechter Gesundheit leiden, die sie verzweifeln lässt und zu den Ärzten treibt. Die Litanei ist vertraut: Krebs, Herzerkrankungen, Autoimmunerkrankungen und Verdauungsstörungen, wobei die letzten beiden oft ein und dasselbe sind. Wie können wir in den technologisch fortschrittlichsten Ländern der Erde nur so krank sein, wo es doch modernste Diagnosegeräte, Wundermedikamente und angesehene medizinische Einrichtungen gibt? Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem die allopathische und die ganzheitliche Medizin einen Paradigmenwechsel brauchen, wie er von Kuhn vorgeschlagen wurde, sei es bei der Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen oder bei den verschiedensten anderen Krankheiten.

      Die allopathischen Ärzte sind dafür ausgebildet, Krankheiten zu erkennen und mit einer Reihe von nebenwirkungsbehafteten Pharmazeutika zu behandeln, die nur auf Symptome ausgerichtet sind und die Ökologie unseres Körpers durcheinanderbringen. Sie verfügen, ohne ihr eigenes Verschulden, über keine Methode, um bestehende Missverhältnisse frühzeitig zu erkennen, wenn sie viel leichter zu bewältigen sind, noch ehe die Krankheit einsetzt.

      Die ganzheitliche Medizin steckt in den Kinderschuhen und wie bei jeder neuen Disziplin wird auch hier viel experimentiert. Es lässt sich nicht vermeiden und ist verständlich, dass Fehler gemacht werden. Die Heilpraktiker sind mit ihrem Einsatz natürlicher Alternativen statt chemischer Medikamente auf dem richtigen Weg. Doch darin liegt auch das Problem: Neben der Verwendung unterschiedlicher Kräuter und Lebensmittel zur Heilung verordnen viele auch zahlreiche synthetische Vitamine, Mineralien, Aminosäuren usw. Bei näherem Hinsehen sind viele dieser so genannten natürlichen Produkte, die häufig unter dem Oberbegriff Nahrungsergänzungsmittel geführt werden,