Unmittelbar nach ihm kommt der Tatar oder Führer, wer es auch sein mag, immer dazu bereit, dem zaudernden Pferd oder dem widerspenstigen Surridschi einen Peitschenhieb zu verabreichen. Dann folgen die Herren von Rang.
Diesmal war es kein Tatar, der den Packpferden folgte, sondern zwei höher stehende Personen, wie man an den silbernen Knöpfen ihrer Kavasch-Stäbe1 sehen konnte, die mehr oder weniger auf den Hälsen ihrer Pferde lagen. Dabei hatten sie die Stäbe durch die Sattelgabel gesteckt, also in den freien Raum zwischen Sattel und Pferd.
Thessaloniki (um 1830)
Mit Ausnahme des durch die einfache rote Mütze ersetzten Turbans trugen sie das alte türkische Kostüm: gestickte Westen und Jacken mit offenen oder hängenden Ärmeln und den prunkenden, nicht unzierlichen Schalvar2; Pistolen und Yatagan3 im Gürtel, den Säbel an einer rotseidenen Schnur über die Schulter geschlungen; abermals Pistolen aus den Halftern hervorragend; vom Sattelknopf eine Muskete an der einen Seite herabhängend und ein langes Tuchfutteral für die Pfeife an der andern. Aber das Verzeichnis ihrer Ausrüstung ist noch nicht vollständig. Zwei silberne Patronentaschen waren hinten festgeschnürt, durch einen Gürtel um den Leib, und von diesem hing ein kleiner Kasten herab mit Fett für ihre Waffen, Feuersteinen und Werg; wohlgefüllte Tabakbeutel aus gesticktem Tuch oder Samt baumelten an ihren Schenkeln, und ein eng gerollter Mantel war hinter den Sattel geschnallt. Hinter ihnen kam etwas dem Osmanen Ähnliches, das auf einem grauen Maultier ritt, und daneben ritt ein Franke, mit knapper Jacke und Mütze aus blauem Tuch und engen Duckhosen1, die in Ermangelung der Strippen sich rund um das Knie hinaufgerollt hatten. Die Prozession wurde durch zwei Griechen und zwei türkische Diener vollzählig gemacht. Das graue Maultier war Aristoteles, aber ich war nicht der Franke.
Es war meine Absicht gewesen, von Salonika nach Monastir2 zu reisen. Der Weg war offen, und da von der Reise weder Schwierigkeiten noch Gefahren irgendeiner Art zu erwarten waren, so verringerte sich meine Sehnsucht, Monastir zu sehen. Der Blick, den ich vom Olymp auf den Athos geworfen hatte, hatte meine Gedanken auf den „Heiligen Berg“ gerichtet. Die Berichte, die ich in Salonika von dem zerrütteten Zustand dieses Bezirks vernommen hatte, und die allgemeine Meinung der Vizekonsuln in Salonika, es sei nicht geboten, ihn aufzusuchen, führten mich allmählich gerade zu dem Entschluss, den Athos zu besuchen, und es bedurfte nur des folgenden Vorfalles, um mich zu bestimmen, meine Pilgerfahrt auf den Hagion Oros, den Heiligen Berg, anzutreten.
Mit einem griechischen Boot erreichte den englischen Konsul ein Brief von einem Schiffskapitän in der Nähe mit dem Hinweis, es heiße, dass ein von Mitylene nach Salonika bestimmtes griechisches Boot mit zwei Engländern an Bord im Golf von Salonika von einem griechischen Seeräuberboot genommen worden sei; dass einer der Engländer ermordet sei und der andere wegen des Lösegeldes gefangen gehalten werde und gegenwärtig auf einer kleinen Insel im Golf des Berges Athos sei, die die Griechen Amiliari, die Türken Eski Adasi nennen. Hierauf ersuchte der Konsul den Pascha, Schritte einzuleiten, um der Sache auf den Grund zu gehen und den Engländer zu befreien. Der Pascha erklärte grob, er wüsste nichts damit anzufangen, und kaum hatte ich die Geschichte erfahren, da vermutete ich, die unglücklichen Reisenden könnten Freunde von mir sein, und ich entschloss mich dazu, ohne Verzug aufzubrechen, zumal ich dachte, dass ich durch mein Çatir, also meine Einflussmöglichkeiten1 bei den Klephten, die Befreiung des Überlebenden leicht erwirken könnte. Da dies einmal so festgesetzt war, erklärte der Pascha, er würde mich nicht unbegleitet reisen lassen, sondern ein Paar Kavasche sollten mich nach Kassandra2 bringen, wo ein griechischer Kapitano von Einfluss wohne, der nebst dem türkischen Statthalter angewiesen werden solle, die Schritte zu tun, die ich für zweckgemäß halten würde; auch sollten Boote und Leute zu meiner Verfügung gestellt werden. Nur wenige Stunden, nachdem die Nachricht eingetroffen war, ritt die oben beschriebene Prozession aus dem Tor von Salonika. Der mich begleitende Franke war ein Kaufmann, der Geschäfte in Kassandra hatte und die Gelegenheit wahrnahm, dorthin zu gelangen.
Bitola
Der Distrikt, den ich jetzt zu besuchen mich aufmachte, stand an Interesse kaum hinter Thessalien oder dem Olymp selbst, weil er seit vielen Jahren nicht weniger unbesucht war von Reisenden und dennoch interessante und anziehende Gegenstände der Forschung darbot in seiner natürlichen Schönheit, in seiner sonderbaren geographischen Bildung und in der Geschichte und dem Verhältnis zweier der außerordentlichsten Gemeinden im ganzen Orient. Sowohl Athen als auch Sparta hatten diese Gegend zur Gründung wichtiger Kolonien gewählt, und hier wurde bei mehr als nur einer Gelegenheit das Schicksal des Peloponnes entschieden. Von hier holte man das Metall für die schönen makedonischen Münzen, die des Liebhabers Kabinett schmücken und ohne die die Schlachten am Granicus1 und bei Arbela2 nie gewonnen wären, ohne die eine griechische Flotte nicht den Indus befahren, noch ein Aristoteles die Naturgeschichte Mittelasiens in ein System gebracht hätte. Hier musste man die Schlacken der seit langer Zeit kalten Hochöfen des Panagaios3 suchen, hier die seit langer Zeit stummen Haine von Stageira4; hier musste man nach dreißig Jahrhunderten den noch immer bezweifelten Zug der Flotten des Xerxes suchen oder sehen. Doch auch an Gegenständen von mehr unmittelbarem Interesse fehlte es nicht. Die Mönchsregel des Athos erregt die Aufmerksamkeit eines jeden, der an all den mit dem griechischen Glauben und Namen verknüpften ausgedehnten Verbindungen Anteil nimmt, und die politischen Einrichtungen der blühenden Gemeinden, die man die Mademo Chória5 nennt, sind ganz dazu geeignet, das Interesse eines jeden in Anspruch zu nehmen, der nach dem Zustand und den Aussichten des Osmanischen Reiches forscht oder der sich überhaupt um Regierungskunst bekümmert.
Hier kann man überdies die Wirkung sehen, die der griechische Aufstand auf jene Provinzen ausübte, die seinem ursprünglichen Entstehungsort so fern waren. Der Berg Athos, durch seine mächtige geistliche Organisation in unmittelbarer Berührung mit Griechenland einerseits und mit Russland andererseits, jagte die umliegenden Gegenden in einen plötzlichen und verzweifelten Aufstand, während kein unmittelbarer Druck die Tat rechtfertigen, keine Aussicht auf Erfolg die Täter entschuldigen konnte. Die blühenden Gemeinden der Mademo-Chória sahen ihre übertriebenen Erwartungen zugleich mit ihrer wirtschaftlichen Blüte vernichtet; ihre bis dahin friedlichen Flecken wurden Aschenhaufen. Zehn Jahre lang ist die Chalkidike mit seinen drei Vorgebirgen den Klephten und den Piraten eine Beute zu Lande und zu Wasser geworden, und noch im gegenwärtigen Augenblick ereignen sich dort dieselben Auftritte der Anarchie und Unordnung, denen in den westlichen Provinzen erst so spät ein Ende gemacht wurde.
Wir sollten die erste Nacht in Battis schlafen, einem Dorf zehn Meilen von Salonika. Die Gegend rund umher, von der Küste bis zu den Hügeln im Norden, schien abscheulich und unfruchtbar; Gras und Gesträuche waren zu sandgelber Farbe versengt, und der Boden selbst war heller, sandiger Ton. Etwa zwei Meilen von Salonika lag ein Hügel von glänzendem Grün, mit Weingärten bedeckt. Jenseits davon, längs der abfallenden Hügel, die sich nördlich vom Golf ausdehnten oder sich vor und in das Vorgebirge von Karaburnu1 erstreckten und einen weiten durchbrochenen Halbkreis bildeten, konnte man nur drei Tschiftliks oder Pachthöfe, ein einziges gut aussehendes Haus und ein Dorf links vom Weg unterscheiden, das durch einen Anflug von Zypressen und ein verfallenes Minarett die Augen auf sich zog.
Sieben Meilen von Salonika kamen wir in eine schmale Ebene, deren Küste den inneren Winkel oder die Biegung des Golfes von Salonika bildet, und durch diese Eben kriecht der Schabreas1 dahin. Sie ist drei Meilen breit und berührt etwa fünfzehn Meilen nach Nordosten durch die Gebirge schon Chalkidike, in ihrer ganzen Ausdehnung nur eine ununterbrochene Steppe verwelkten Grases darbietend. Die einzigen Beweise dafür, dass sie für Menschen bewohnbar sei, waren zwei Scheunen, ein Bauernhaus neben dem Weg und in weiter Ferne auf den Seiten der Hügel ein Dorf und ein Weiler. Und dennoch ist es erst neun Jahre her, dass diese Aussicht, auf die ich nun blickte, mit dem Namen der „Dörfer“, also der Mademo-Chória, bezeichnet wurde.
Als wir unseren Weg längs der Küste der kleinen Ebene hinwanderten, amüsierte ich mich über ungeheuer große Büffel, die wiederkäuend im Meer lagen, so dass