Geschäft. Sie räumten jedem, der am Hof des Sultans vorsprechen wollte, Kredite von Tausenden von Dinaren ein und statteten ihn mit dem aus, was er als Geschenk zu überreichen gedachte oder für sich selbst in Gestalt von Reittieren, Kamelen und Ausrüstung benötigte. Sie dienten ihm nicht nur mit ihrem Geld, sondern auch mit ihrer Person, indem sie sich ihm als Gefolge zur Verfügung stellten. Kam der Fremde nun zur Audienz vor den Sultan und erhielt das entsprechende Geschenk, so zahlte er den Kredit und die ganzen Vorschüsse zurück. Auf diese Weise warf das Geschäft den Kaufleuten einen großen Profit ab, sodass es letztlich zu einer guten und beständigen Einnahmequelle wurde.
Als ich in der Provinz Sindh angelangt war, verfuhr ich in gleicher Weise und deckte mich mit Pferden, Kamelen und Sklaven ein. So hatte ich in der Stadt Ghazna bei dem irakischen Kaufmann Mohammed ed-Duri rund dreißig Pferde und ein Kamel, das eine Last Perserpfeile trug, gekauft, da der Sultan ein solches Geschenk besonders schätzte. Dieser Kaufmann erzielte durch mich einen beträchtlichen Gewinn und kehrte als schwerreicher Mann heim. Nach vielen Jahren begegnete ich ihm noch einmal in der Stadt Aleppo.
Als wir den Indus, der hier Panjab heißt, hinter uns gelassen hatten, durchquerten wir auf unserem Weg einen schilfbewachsenen Sumpf. Da griff uns ein Karkadann, ein Nashorn, an. Es ist dies ein Tier von dunkler, fast schwarzer Farbe, mit einem ungeheuren Leib und einem mächtigen, ungewöhnlich dicken Kopf. So pflegt man zu sagen: »Das Karkadann ist ein Kopf ohne Rumpf.« Das Tier ist kleiner als der Elefant, während sein Kopf weit größer als ein Elefantenkopf ist. Zwischen seinen beiden Augen hat es ein einziges Horn, dessen Länge ungefähr drei Ellen und dessen Dicke etwa eine Spanne beträgt. Als es uns angriff, stellte sich ihm einer unserer Reiter entgegen. Das Nashorn wandte sich sofort gegen das Pferd, durchbohrte mit seinem Horn dessen Schenkel, warf es zu Boden und kehrte ins Schilfdickicht zurück, sodass wir keine Gelegenheit hatten, es zu erlegen. Nach dem Nachmittagsgebet sah ich wieder ein Nashorn, das in einer Niederung weidete. Bei unserem Näherkommen ergriff es jedoch die Flucht. Zusammen mit dem König von Indien sah ich schließlich zum dritten Mal ein Nashorn. Der Sultan und wir, sein unmittelbares Gefolge, saßen auf Elefanten, während die Jäger zu Fuß und mit Pferden in den Schilfwald eindrangen, das Tier aufscheuchten, es töteten und seinen Kopf ins Lager brachten.
Nachdem wir am Indus zwei Tage lang unterwegs gewesen waren, kamen wir in die Stadt Jenani, einen großen und schönen Ort am Ufer des Flusses mit prächtigen Marktplätzen. Die Bewohner gehören einem Volksstamm mit Namen Samira an. Schon ihre Ahnen hatten sich zur Zeit ihrer Eroberung in den Tagen des Hajjaj Ibn Yusuf hier niedergelassen. Darüber und über die Gewohnheiten dieser Leute berichtete mir der Scheich und Gebetsvorsteher, der gelehrte, fleißige, keusche und fromme Rukn ed-Din, einer der drei Männer, die ich nach Ankündigung des heiligen und rechtschaffenen Scheichs Burhan ed-Din al-Araj aus Alexandria auf meiner Reise antreffen würde und die ich auch tatsächlich traf, Preis sei Gott! Die Angehörigen dieses Stammes Samira essen niemals mit jemandem zusammen, noch darf ihnen irgendwer beim Essen zuschauen, auch verschwägern sie sich ausschließlich mit ihresgleichen.
In der Stadt Jenani lebten der Emir Unar es-Samiri und der Emir Kaisar ar-Rumi, beide im Dienst des Sultans. Sie hatten dort rund 1800 Reiter zur Verfügung. In der Stadt wohnte auch ein ungläubiger Hindu mit Namen Ratan. Als ein sehr geschickter Rechner und Sekretär nahm er an einer Delegation eines Emirs an den Herrscher von Indien teil. Da der König Gefallen an ihm fand, gab er ihm den Titel »Herr von Sindh«, ernannte ihn zum Gouverneur dieses Gebietes, belehnte ihn mit Siwestan und Umgebung und übergab ihm die Insignien seines Amtes, nämlich Trommeln und Fahnen, wie sie hohe Würdenträger erhalten. Als er in das Land Sindh zurückkehrte, waren Unar, Kaisar und die anderen erbost, dass ihnen allen der Ungläubige als Herr vorgesetzt worden war, und sie fassten den Beschluss, ihn zu beseitigen. Als nun einige Tage nach seiner Rückkehr vergangen waren, machten sie ihm den Vorschlag, die Umgebung der Stadt zu besuchen und sich über deren Zustand genau zu unterrichten. Er ging auf ihren Rat ein und verließ mit ihnen die Stadt. Als sich die Nacht über die Erde senkte, veranstalteten sie einen Tumult im Lager und gaben vor, ein Löwe sei eingedrungen. Sie stürmten in das Zelt und töteten den Ungläubigen. Dann kehrten sie in die Stadt zurück und ergriffen alles, was sich dort an Schätzen des Sultans befand. Dies waren zwölf Lak. Ein Lak hat den Wert von zehntausend indischen Golddinaren oder 25 000 maghrebinischen (marokkanischen) Golddinaren. Die Aufrührer wählten Unar zu ihrem Anführer und nannten ihn Malik Firuz. Er teilte das Geld unter die Soldaten auf. Dann aber fürchtete er um sein Leben; denn er hielt sich weit entfernt von seinem Stamm auf. So verließ er die Stadt, und mit ihm suchten seine nächsten Verwandten ebenfalls ihr Heil in der Flucht, die sie schließlich in ihre Heimat brachte. Der Rest der Truppen wählte Kaisar ar-Rumi zu ihrem Anführer.
Die Nachricht von diesem Geschehen erreichte Imad ul-Mulk Sertiz, den Leibeigenen des Sultans, der damals Generalgouverneur von Sindh war und in Multan residierte. Er zog Truppen zusammen und setzte sie zu Lande und auf dem Indus in Marsch. Zwischen Multan und Siwestan sind zehn Tagesreisen. Kaisar trat ihm entgegen, wurde aber mit seinen Soldaten schmählich besiegt, sodass er sich hinter den Stadtmauern verschanzen musste. Sertiz schloss die Stadt ein und brachte Wurfmaschinen in Stellung. Nach vierzig Tagen baten die Belagerten um Gnade, die ihnen Sertiz auch gewährte. Als sie sich jedoch ergeben hatten, brach er sein Wort und befahl, die Aufrührer hinzurichten. Jeden Tag ließ er einige enthaupten, andere mitten entzweischneiden und wieder andere schinden, deren Haut mit Stroh gefüllt und an der Stadtmauer aufgehängt wurde, sodass über weite Strecken dieser Mauer entlang diese ans Kreuz geschlagenen Häute zum Entsetzen aller Betrachter hingen. Sertiz ließ auch die abgeschlagenen Köpfe in der Mitte der Stadt zu einem Hügel aufschichten.
Schon bald nach diesem Ereignis stieg ich in der Akademie dieser Stadt ab, auf deren Flachdach ich zu schlafen pflegte. Wenn ich in der Nacht erwachte, sah ich die gekreuzigten Häute, sodass mich Schaudern ergriff und ich kein Vergnügen an meinem Aufenthalt in der Akademie empfand. So entschloss ich mich, diese Stadt möglichst bald wieder zu verlassen.
Besitzer von Dörfern
Der ehemalige Kadi von Herat, der treffliche und gerechte Ala ul-Mulk aus Chorasan, nach einer Audienz beim Herrscher von Indien zum Gouverneur der Stadt Lahari in der Provinz Sindh ernannt und mit der Verwaltung ihrer Einkünfte betraut, hatte an der Expedition unter Imad ul-Mulk Sertiz mit seinen Soldaten teilgenommen. Ich beschloss, mit ihm nach der Stadt Lahari zu reisen. Er besaß fünfzehn Schiffe, mit denen er über den Indus abwärtsfuhr; sie beförderten sein Gepäck, und auch ich reiste mit ihm.
Unter den Schiffen Ala ul-Mulks befand sich auch ein Fahrzeug, Ahaura genannt, eine Art Jacht, wie sie bei uns vorkommt, nur dass sie etwas breiter und kürzer war. In der Mitte des Schiffes befand sich ein hölzerner Aufbau, zu dem man auf einer Treppe hinaufstieg und auf dem ein Pavillon errichtet war, der für den Emir bestimmt war, wenn er dort Platz nehmen wollte. Dabei saß ihm sein Gefolge gegenüber, und seine Sklaven standen rechts und links von ihm. Die Mannschaft jedoch, die rund vierzig Leute umfasste, musste rudern. Die Ahaura wurde von vier Schiffen zur Rechten und Linken umgeben. Zwei von ihnen trugen die Insignien des Emirs, nämlich die Fahnen, Pauken, Hörner, Trompeten und Oboen, die man in Marokko »gaita« nennt. Auf den beiden anderen Schiffen hielten sich die Musiker auf. Es war eine recht unterhaltsame Fahrt von Tagesanbruch bis zur Zeit des ersten Mahls; da wurden die Pauken gerührt und die Hörner geblasen, bald ließen sich die Sänger hören, und so ging es ohne Unterlass weiter. Zur ersten Mahlzeit des Tages schlossen sich die Schiffe zusammen und legten aneinander an. Sie wurden durch Stege verbunden, und die Sänger betraten die Ahaura des Emirs. Dort mussten sie singen, bis er die Tafel aufhob. Dann aßen sie selbst und kehrten auf ihr Schiff zurück. Nach dieser Unterbrechung wurde die Fahrt in der vorgeschriebenen Ordnung bis in die Nacht fortgesetzt. Bei Anbruch der Dunkelheit wurde am Flussufer das Nachtlager aufgeschlagen, wo der Emir in seinen Zelten abstieg. An der gedeckten Tafel nahm der größte Teil der Truppen teil. War das letzte Abendgebet verrichtet, so zogen die Nachtwachen, die regelmäßig abgelöst wurden, auf. Sooft eine Wachmannschaft ihren Dienst beendet hatte, rief ein Ausrufer aus ihren Reihen mit lauter Stimme: »Herr und König, soundso viele Stunden der Nacht sind verflossen!« Dann übernahm die nächste Abteilung die Nachtwache, und wenn sie abgelöst war, verkündete auch ihrerseits der Ausrufer, wie viele Stunden inzwischen