lachte sie auf. »Das war ich, als ich mich in dich verliebte. Ich war kindisch, als ich mit dir in deine Wohnung ging, als du mich mit deinen Drinks betäubtest, weil ich ja nichts vertragen konnte. Endlich hattest du ein dummes Huhn gefunden, das goldene Eier legte. Mein Gott, war ich blöd!« Sie stand auf und ging zum Fenster. »Ja, ich war verliebt in dich, aber jetzt hasse ich dich. Doch du wirst mich nicht loswerden. Du bekommst keinen müden Euro mehr von mir, nicht einen einzigen Cent. Du hast dich verkalkuliert, wenn du gemeint hast, daß du durch die Scheidung reich werden kannst. Ich bin schwanger, und ich werde das Kind zur Welt bringen. Und wehe dir, wenn du fremdgehst, dann kannst du betteln gehen.«
»Du Biest!« zischte er.
»Du niederträchtiger Schuft«, sagte sie kalt. »Ich fahre jetzt zu meinem Haus.«
*
Es war ein wunderschönes Haus, vor den Toren von München und in einen riesigen Park gebettet.
Hier war Michelle mit ihrem Bruder Philipp aufgewachsen, und sie hatten eine glückliche Kindheit und Jugend verlebt. Der Industrielle Laurentis hatte seinen beiden Kindern ein riesiges Vermögen hinterlassen, dessen Umfang sie erst mit der Zeit erfaßten.
Für Michelle hatte der Tod des geliebten Vaters eine Lücke gerissen, die sich nicht schließen wollte. Ihre Mutter war schon kurz nach ihrer Geburt gestorben und ihre Tante Doris, die Schwester ihres Vaters, hatte auf eine eigene Ehe verzichtet, um Michelle und Philipp die Mutter zu ersetzen. Es war ihr gelungen, aber der Vater war für Michelle doch die Hauptperson, das Vorbild, der Mensch, dem ihre ganze Liebe gehörte.
Philipp hatte früh die Nachfolge seines Vaters antreten müssen, zu früh vielleicht, wie manche meinten, aber er hatte sich meisterhaft in diese Position gefunden.
Michelle dagegen hatte sich mehr und mehr in eine Rolle hineingelebt, die ihrem eigentlichen Wesen widersprach. Sie hatte die tiefe Trauer zu überspielen versucht, um nicht zu zeigen, wie sehr der Tod des Vaters sie getroffen und verändert hatte, bis sie dann meinte, in Carlos Dorant einen Ersatz für ihren Vater zu finden. Es wurde zur grausamsten Enttäuschung, die ihr widerfahren konnte. Aber wieder verleugnete sie ihre wahren Gefühle, war sie bereit, ihre Ehe nach außen hin aufrecht zu halten.
*
Mona Holsten wollte es noch immer nicht wahrhaben, daß Michelle Carlos Dorant geheiratet hatte. Als sie hörte, daß die beiden in München angekommen waren, fuhr sie zu Philipp Laurentis ins Büro, was sie vorher noch nie getan hatte.
Er zeigte sich erfreut, aber ihre Augen sprühten Blitze.
»Hast du diese Heirat etwa gebilligt?« fragte sie erregt.
»Meinst du etwa, daß Michelle mich gefragt hätte? Sie war nun mal chloroformiert von ihm. Wenn du daran Anstoß nimmst, daß er soviel älter ist als sie, bedenke, daß sie eine Vaterfigur suchte.«
»Dorant und eine Vaterfigur, da kann ich nicht mal lachen. Ich bin wütend. Ich weiß nicht, was ich tue, wenn wir uns treffen.«
Bis sie mal so wütend wurde, dauerte es schon lange, und es mußte viel passieren. Philipp hatte es noch nie erlebt, daß sie vor Zorn buchstäblich kochte, und er kannte sie schon vier Jahre. Und er hatte sehr viel für sie übrig.
»Wenigstens haben sie kein Aufsehen um ihre Hochzeit gemacht«, stellte er gelassen fest. »Reg dich nicht auf, Mona, wir werden ja sehen, wie es läuft.«
»Du hast die Ruhe weg. Er hat den besten Schnitt seines Lebens gemacht. Er ist doch bald ganz weg vom Fenster, nachdem die letzten Filme der reinste Mist waren. Er wird sie ausnehmen wie eine Weihnachtsgans.«
»Das glaube ich nicht. Wenn sie merkt, daß es darauf hinausgeht, wird sie sauer. Dann hat er nichts mehr zu lachen. Ich kenne meine Schwester. Ich bin auch nicht begeistert von dieser Heirat, aber es ist ihr Bier.«
»Er wird sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffeln, wenn sie auf stur schaltet.«
»Unterschätze Michelle nicht. Hast du Zeit, heute abend mit mir zu essen?«
Das kam überraschend. Mit ihm über Michelle zu reden, schien nicht angebracht zu sein, aber sie war gern mit ihm zusammen. Er hatte nur meist noch weniger Zeit als sie, die als Ärztin im Kreiskrankenhaus tätig war.
»Zufällig habe ich heute frei«, sagte sie, »sonst hätte ich dich auch nicht überfallen.«
»Was mich aber sehr freut. Kann ich dich von zu Hause abholen?«
»Okay, wann?«
»Neunzehn Uhr, wenn es recht ist.«
Es war ihr recht. Sie mochte ihn sehr, aber sie war nicht bereit, sich wie eine Klette an ihn zu hängen. An eine feste Bindung schien er nicht zu denken, aber es gab auch keine andere Frau in seinem Leben.
Mona hatte allen Grund, gegen Carlos Dorant eingenommen zu sein, denn er hatte sich ihr einmal in einer Weise genähert, die sie abgestoßen hatte. Für ihn schien jede Frau Freiwild zu sein, und besonders deshalb konnte Mona Michelle nicht begreifen. Sie machte sich trotzdem Sorgen um Michelle. Aber sie konnte nicht ahnen, wie angebracht diese waren.
*
Über diese Ehe machten sich auch andere Gedanken. Michelle machte sich keine mehr. Sie war aller Illusionen beraubt, bis ins Innerste ernüchtert und nun eiskalt.
Sie war nicht so schnell aus dem Hotel gekommen, wie sie gemeint hatte. Das Telefon hatte ein paarmal geläutet, und dann hatte ihr Carlos eröffnet, daß er zu Dreharbeiten nach Spanien müsse.
»So plötzlich?« fragte sie spöttisch.
»Der Film war schon lange geplant, wie du weißt, und wie du siehst, kommen sie ohne mich doch nicht aus. Ich bin noch lange nicht weg vom Fenster.«
»Hoffentlich gibt es genügend Whisky und willige Gespielinnen, aber vergiß nicht, was ich dir gesagt habe. Ich meine das ernst.«
Er drehte sich zu ihr um.
»Du kannst ja inzwischen eine Schwangerschaftsunterbrechung vornehmen lassen«, sagte er.
»Das könnte dir so passen. Du wirst ausbaden, was du dir eingebrockt hast, und du sollst es jeden Tag bereuen.«
»Du bist ja nicht mehr normal«, fuhr er sie an. »Ich möchte nur wissen, was in dich gefahren ist.«
Da ging sie und drehte sich nicht mehr um. Als sie in ihrem Wagen saß, legte sie für ein paar Minuten den Kopf auf ihre verschränkten Hände, mit denen sie das Steuer umfaßt hatte.
Vielleicht bin ich wirklich nicht mehr normal, dachte sie. Was war nur mit ihr, was war aus ihr geworden? Sie blickte in den Spiegel und haßte sich. Ihr war zum Heulen zumute. Warum hast du mich allein gelassen, Daddy, dachte sie. Alles wäre anders, wenn du leben würdest.
Eins wußte sie allerdings ganz genau. Niemals hätte ihr Vater diese Heirat gutgeheißen. Hatte sie nicht ihr Gesicht verloren, sich selbst auch? Wo war ihr Stolz geblieben? Und was würde sie jetzt von Philipp und Mona zu hören bekommen?
Was war eigentlich mit den beiden? Sie kannten sich doch schon so lange? Warum heirateten sie nicht?
Ich hätte einen richtigen Beruf ergreifen sollen, so wie Mona. Ich hätte wenigstens studieren sollen. Sie überhäufte sich mit Selbstvorwürfen, war wütend auf sich und griff wieder zu Tabletten.
Sie war froh, als sie vor ihrem Elternhaus ankam. Sie war müde, ausgebrannt. Sie wollte schlafen und vergessen.
Doris war nicht da, nur das Hausmädchen Marie. Sie schlug die Hände zusammen, als sie Michelle einließ.
»Sie sind wieder zu Hause, wie mich das freut«, stammelte sie.
Michelle war froh, daß sie keine Fragen nach Carlos stellte.
»Ist Tante Doris nicht zu Hause?« fragte sie müde.
»Sie ist in Bad Gastein«, erwiderte Marie. »Kann ich etwas für Sie herrichten?«