Helga Torsten

Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman


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er sind gute Freunde. Mich langweilt das zwar alles mit den Gemälden, mit den komischen Antiquitäten. Und wenn Michail mich einmal heiratet, muß erst die ganze Villa modernisiert werden. Ich mag es nicht, wenn man auf Schritt und Tritt über alte Ikonen und uralte Weihwasserkesselchen stolpert.«

      Charlotte lachte wieder.

      Ihr Spott wurde immer beißender.

      Er klang jetzt fast unecht, als wolle sie sich selbst betäuben.

      Jasmine aber hörte es nicht.

      Sie verstand nur: Michail und Charlotte.

      Weshalb eigentlich nicht?

      Dann aber durchfuhr es das einsame Mädchen:

      Charlotte als Mutter von Stoffel und Vronli, im Kinderzimmer mit dem Kater Julius und der geliebten Puppe Harlekinchen?

      Das war etwas, was man sich nicht vorstellen konnte.

      Die armen Kinder!

      »Ja, die armen Kinder«, flüsterte Jasmine vor sich hin.

      Sie wußte aber sehr genau, daß nur diese Worte die Kinder berührten. Im Grunde bohrte tief in ihrem Herzen etwas anderes.

      Michail und Charlotte!

      Weshalb eigentlich nicht… weshalb?

      Da hörte Jasmine Schritte im Nebenzimmer, die sich der Tür näherten.

      Sie trat schnell ans Fenster, hob eine der Zeitschriften vor die Augen und tat, als sei sie darin vertieft.

      Aber auch so hätte Charlotte Ringling die schmale, am Fenster stehende Gestalt nicht bemerkt.

      Sie war vollauf beschäftigt mit ihrer kleinen Krokodilhandtasche, deren Verschluß allem Anschein nach nicht mehr funktionierte.

      Laut fiel die Tür hinter ihnen zu.

      Da erst wandte Jasmine sich um.

      Auf der Schwelle zum Sprechzimmer sah sie Dr. Harald Brockdorff stehen.

      War es der Mann überhaupt noch, dem sie einmal ihr Herz geschenkt hatte?

      Das schöne, immer so gepflegte goldene Haar hing in wirren Strähnen in die Stirn. Die harten blauen Augen schienen einem längst Gestorbenen zu gehören.

      »Harald!« Jasmine sprang auf den Taumelnden zu. »Harald, mein Gott, setz dich!«

      Der Mann fragte nicht, wieso Jasmine hier im Wartezimmer war.

      Er fragte auch nicht, ob sie vielleicht das mit Charlotte geführte Gespräch angehört hatte.

      Er war so betäubt, daß er sich von Jasmine aus dem Raum führen ließ.

      Ganz am Ende des schier endlos dünkenden Ganges gab es ein kleines Zimmer, in dem man Rollstühle, Tragbahren und sonstige Geräte untergebracht hatte.

      Hierhin führte Jasmine den Mann.

      Und als er auf eine der Tragen niedergesunken war, nahm Jasmine ihr Herz in beide Hände und versuchte, ihrer Stimme einen ganz nüchternen Klang zu geben.

      »Ich habe euer Gespräch mit angehört«, sagte sie leise, aber fest, obgleich ihr selbst alles vor Augen tanzte.

      Sie setzte sich neben den Zusammengebrochenen und schlang die Arm um ihn.

      »Harald, begreife doch, daß du diese Charlotte Ringling nie wirklich geliebt hast. Sie sollte doch eigentlich nur ein Sprungbrett für dich bedeuten. Nicht gerade schön von dir gehandelt, aber…« Jasmine schluckte tapfer. »Viele Männer unternehmen solche Schritte um ihrer Karriere willen.«

      Der Mann schwieg.

      »Er spürte nur die Nähe dieses Mädchens, das ihm jetzt ganz zart, wenn auch nicht zärtlich wie früher, übers Haar strich.

      »Aber glaube mir« – Jasmines Stimme hob sich jetzt – »ich bin fest davon überzeugt, daß du deine Probezeit, auch ohne Charlotte Ringling zu heiraten, erfolgreich beenden wirst. Professor Ringling ist kein Mann, der Stellen wegen seiner Tochter vergibt. Er ist ein ganzer Mann. Und ein gütiger, verständnisvoller Mann.«

      »Ich…« Der Mann stöhnte. Die vergangenen Wochen hatten ihn völlig aufgerieben.

      Sein Ehrgeiz! dachte Jasmine. Er kommt nicht über seinen Ehrgeiz hinweg. Er kann es nicht ertragen, daß er sich einen Korb geholt hat.

      »Es geht im Leben nicht immer so, wie man will!«

      Harald Brockdorff schaute auf. Blickte mitten hinein in die dunklen Augen Jasmines, in denen sich viele Glanzlichter spiegelten.

      Er wußte in diesem Augenblick, was er Jasmine angetan hatte.

      Und trotzdem harrte sie in dieser Stunde bei ihm aus.

      »Verzeih«, flüsterte er. »Verzeih!«

      »Es gibt gar nichts zu verzeihen!« Jasmine hauchte die Worte nur. »Du hilfst mir wieder bei meiner Arbeit. Und ich« – Jasmine versuchte ein krampfhaftes Lachen – »und ich werde versuchen, eine tüchtige F r a u Doktor zu werden!«

      »M e i n e Frau Doktor?« Ungewiß schaute der Mann auf.

      Jasmine nickte.

      Sie konnte kein Wort mehr herausbringen, weil sie sonst zusammengebrochen wäre.

      Denn eines wußte sie von dieser Stunde an sehr genau: Sie liebte nur einen einzigen Mann – Michail von Bassarow! Diesen Mann, der sich mit einer Charlotte Ringling… begnügen wollte. Ja, begnügen. Denn Charlotte konnte einem Mann niemals eine Liebe geben, die zu einer echten Ehegemeinschaft gehörte.

      Von irgendwoher tickte eine Uhr. Minute um Minute verrann.

      »Jasmine?«

      Der Mann schaute plötzlich zu dem schweigsamen Mädchen neben sich.

      »Jasmine, weshalb ist dies alles so? Weshalb kann man nicht durchsetzen, was man will?«

      Jasmine zuckte nur mit den Schultern.

      »Leben ist eben ein Geschenk, Glück eine Gnade!«

      »Daß Charlotte Michail von Bassarow heiraten wird…« Der Mann starrte lange vor sich hin.

      Jasmine merkte, daß er sich keineswegs beruhigt hatte.

      »Findest du, daß sie zueinander passen?«

      »Sie sind beide reich«, sagte Jasmine härter, als sie wollte. Sie konnte ja selber all dies nicht verstehen.

      Ein Spielzeug, ein kleines unbedeutendes Spielzeug bin ich dem großen Kunsthändler Bassarow gewesen. Weiter nichts.

      Vielleicht nur das Vergnügen, daß ich einem seiner Madonnenbilder so überraschend ähnele. Er soll ja ein Mensch sein, der nur von und für seine wertvollen Antiquitäten lebt.

      Er hat kein Gefühl für seine Kinder und auch keines… nein, auch keines für Liebe.

      Er ist ein genialer Schauspieler.

      Ja, das ist er, der große Michail Fürst von Bassarow!

      Jasmines Stimme flüchtete sich hinter ein vernichtendes Urteil. Das gab ihr Kraft.

      »Komm!« sagte sie jetzt zu dem Mann. »Trink einen Schluck starken Tee. Den gibt es ja immer hier in der Klinik. Dann fahr nach Hause, nimm eine Schlaftablette. Und morgen, morgen sieht die Welt wieder anders aus.«

      »Ich danke dir«, sagte er. »Du bist ein wundervoller Mensch, Jasmine. Ich bin deiner gar nicht wert.«

      Zum erstenmal in seinem Leben gab Dr. Harald Brockdorff ein solches Eingeständnis, er, der verbissen Ehrgeizige, der genau wußte, daß er klug und geschickt war.

      Ganz instinktiv aber spürte er in diesem Augenblick, daß es wirklich noch mehr gab als Berufstüchtigkeit und Karriere, der zu opfern er alles bereit gewesen war. Ein ganzes Leben lang.

      »Auf Wiedersehen!« Jasmine brachte den Mann noch bis