Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Staffel 20 – Arztroman


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Kienbaum hat damals ja gesagt, dass er mich heiraten würde, aber dann würde Seppi das Erbe verlorengehen, und dann hat er mir auch noch das Testament gezeigt, das er selbst aufgesetzt hat, falls ihm was passiert. Dann würde ich alles bekommen. Aber so deppert bin ich dann doch nicht, dass ich das noch geglaubt habe.«

      Nun machte sie eine Pause und da fragte Annelore: »Kienbaum ist also nicht Seppis Vater?«

      Mit geradezu kindlichem Staunen sah Erna sie an. »Gott, bewahre, der Poldi war Seppis Vater. Wie kommt’s ihr denn darauf, dass der Kienbaum es sein könnt’?«

      »Weil sie von der Jugendsünde gesprochen haben, Frau Mösler«, warf Bobby ein.

      »Na ja, für ihn war ich halt die Jugendsünde, aber das hätte er dann wohl gern ungeschehen gemacht, als er ein feiner Herr wurde. Dann hat er mir dreihundert im Monat gezahlt und verlangt, dass ich schweige, weil ich sonst nichts mehr bekommen würde.«

      »Sie haben auch gesagt, dass er es war, der Seppi damals überfahren hat«, sagte Bobby leise.

      »Hab’ ich das gesagt? Nun, zutrauen würde ich ihm auch das, und ich war wohl so in Wut, dass ich alles rausgeschrien habe, was ich geschluckt hab’ in all den Jahren, und was mir so oft durch den Kopf ging. Beweisen könnte ich das nicht, aber beweisen kann ich, dass er Seppi niedergeschlagen hat, weil ich ja den Knopf von seinem Mantel habe, und dass der Poldi Seppis Vater gewesen ist, das weiß der Herr Anwalt auch. Aber was hätte ich denn gegen den Kienbaum machen sollen? Wenn ich ihn ruiniert hätte, dann hätte ich doch gar kein Geld mehr von ihm bekommen. Nur solange, wie ich darüber schweige, das hat er gesagt, würde er mir was geben. Aber er hätte mich nicht Schlampe nennen sollen und gestern, wie er auf mich losgegangen ist, da habe ich wirklich gedacht, dass er mich umbringen wird.«

      »Ich habe Frau Mösler seinerzeit geraten, vor Gericht zu gehen, um ihr Geld einzuklagen«, sagte nun Dr. Oswald. »Für das Grundstück hat er ihr ja auch nur fünftausend Euro gegeben.«

      »Und das in Raten«, sagte Erna, »und gesund hat er sich gestoßen. Aber ich konnte doch nicht denken, dass er so gemein ist. Die Gastwirtschaft hat er auch gleich verkauft. Aber wie hätte ich denn vor Gericht gehen sollen? Sollte ich den Poldi, Gott hab’ ihn selig, da auch noch mit hineinziehen?«

      »Er war doch schon tot, Frau Mösler«, sagte Dr. Oswald.

      »Er war ein guter, anständiger Mensch«, erklärte sie fast feierlich. »Ich war es ihm schuldig, dass sein Name sauber bleibt. Und den Seppi wollte ich nicht um sein Erbe bringen.«

      Ihm wäre wohl mehr geholfen gewesen, wenn er nicht bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr darauf hätte warten müssen, sagte später Dr. Norden, als er davon erfuhr.

      Dr. Oswald hatte Erna mit zu sich genommen, um einiges mit ihr zu besprechen. Jörg hatte Annelore abgeholt und sie trafen sich mit Dr. Rambolt und seiner Frau im Schlosshotel, und da hatten sich die beiden Paare viel zu erzählen. Ute kam Annelore so herzlich entgegen, dass sie schnell ihre Hemmungen verlor, die sie nicht leugnen konnte, da Dr. Rambolt schließlich Jörgs Chef war.

      Aber das kehrte Jens nun wahrhaftig nicht heraus. Er gab es deutlich zu verstehen, wie gern er Jörg hatte und wie bedacht er war, ihm eine Lebensstellung zu geben.

      Ute erzählte, wie sie Kienbaum kennen gelernt hatte, und da klang beißender Spott mit.

      »Er muss schon etwa Dreißig gewesen sein. Für sein Geburtsdatum habe ich mich nie interessiert«, begann sie. »Er gab schrecklich an, aber er muss schon recht betucht gewesen sein. Er fuhr einen teuren Wagen und kleidete sich nach der letzten Mode. Aber Erfolg hatte er nur bei einer bestimmten Art Frau. Er bezeichnete sich großspurig als Finanzmanager. Ich war ja noch sehr jung damals.« Sie warf ihrem Mann einen schrägen Blick zu und lächelte verschmitzt.

      »Und ein richtiger Kobold«, warf er ein, »aber ich dachte doch, dass Kienbaum mit seinem forschen Auftreten Erfolg haben könnte.«

      »Jens war sauer«, lachte Ute. »Aber als Kienbaum eines Tages bei uns aufkreuzte und um meine Hand anhielt, da ist mir das Lachen vergangen und mein Vater fiel aus allen Wolken, bis ich ihn überzeugen konnte, dass ich Kienbaum keineswegs ermutigt hätte. Er hat es noch einige Male versucht, mich zu beschwatzen, und dann war er tödlich beleidigt, als ich mich mit Jens verlobte.«

      »Ich war heilfroh, dass er dann in der Versenkung verschwand«, sagte Dr. Rambolt. »Aber clever ist er, das muss man ihm lassen. Jetzt, da wir wissen, dass er kein Kapitalistensproß ist, kann ich mich nur wundern, wie schnell er reich wurde.«

      »Indem er andere betrog«, sagte Annelore sarkastisch. »Ich darf gar nicht daran denken, dass auch mein Vater ihm auf den Leim kroch, dass er ihn sogar als Schwiegersohn akzeptiert hätte.«

      »Tragen Sie es ihm nicht nach, Annelore«, sagte Ute. »In einer verzweifelten Situation greift man nach dem rettenden Strohhalm. Man muss ja zugeben, dass er ein überzeugendes Auftreten hat, und er ist reich. Geld verschafft Sicherheit und Macht.«

      »Umso unverständlicher ist es doch, dass er unseren Besitz auf solche hinterhältige Weise an sich bringen wollte«, sagte Annelore leise.

      Jens und Ute Rambolt blickten sie nachdenklich an. »Er wollte wahrscheinlich Sie um jeden Preis«, sagte Ute. »Er wollte endlich eine Frau, die seinen Vorstellungen entsprach. Aus guter Familie, gebildet, attraktiv, und zudem rechnete er sich aus, was an finanziellem Gewinn auch noch herausspringen könnte. Besitzgier kann zu einer Manie werden.«

      »Und kriminell«, warf ihr Mann ein. »Nach allem, was wir jetzt wissen, bot sich zudem eine Gelegenheit für ihn, diesen armen Jungen über die Klinge springen zu lassen.«

      »Und er glaubte, Erna Mösler in der Hand zu haben«, sagte Annelore tonlos. »Doch er hat sich getäuscht. Diesmal hat er falsch kalkuliert.«

      »Und er wird einer gerechten Strafe nicht entgehen«, sagte Jörg.

      »Werden Sie verkaufen?«, fragte Dr. Rambolt.

      »Das wird Papa entscheiden, wenn er gesund ist. Wir haben erst mal Luft und können abwarten.«

      »Ich bin ernsthaft interessiert«, sagte Dr. Rambolt. »Ich habe mit Jörg bereits darüber gesprochen, dass bei uns Platz für ein Sägewerk ist. Wir könnten Hand in Hand arbeiten. Es würde mich sehr freuen, wenn solche Pläne zu realisieren wären.«

      Annelores Wange begannen zu glühen. »Das wäre wunderbar«, sagte sie bebend vor Freude. »Aber Kienbaums Bebauungspläne sollen doch nicht auch realisiert werden?«

      »Da habe ich andere Ideen«, erklärte Dr. Rambolt. »Wir werden darüber zu gegebener Zeit sprechen. Wir bleiben doch in enger Verbindung«, meinte er verschmitzt lächelnd.

      *

      »Ich bin richtig glücklich«, sagte Annelore, als Jörg sie heimbrachte. »Du hast einen so netten Chef, und seine Frau ist reizend.«

      »Und es stimmt mit der Ähnlichkeit.«

      »Mit welcher Ähnlichkeit?«

      »Die du mit Ute Rambolt hast.«

      »Das ist aber ein tolles Kompliment für mich«, freute sie sich.

      Er dachte an Kienbaum, sie nicht. Kienbaum hatte die Niederlage, die Ute ihm bereitet hatte, wohl noch nie ganz verwunden, und er wollte eine Frau haben, die ihrem Typ entsprach. Das gab es ja öfter. Aber nun hatte er zu viel riskiert und damit alles aufs Spiel gesetzt. Wie sie von Bobby hörten, hatte sich Kienbaums Zustand verschlechtert, und außerdem waren die polizeilichen Ermittlungen so weit gediehen, dass kein Zweifel daran bestehen konnte, dass sich Kienbaum vor und auch nach dem Brand beim Sägewerk aufgehalten hatte.

      Es hatten sich einige Zeugen gefunden, die das unabhängig voneinander bestätigten. Und auch Erna Mösler hatte ihre Aussage gemacht, nachdem Dr. Oswald ihr erklärt hatte, dass Seppi nicht ins Gefängnis kommen würde, sondern in psychiatrische Behandlung. Ganz vernünftig hatte sie erklärt, dass sie dann mit ihm in eine Klinik gehen würde, um eine Entwöhnungskur zu machen.

      Unklar blieb nur, was Seppi aus dem Büro hatte holen