Marietta Brem

Sophienlust Bestseller Staffel 1 – Familienroman


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sagte Peter versöhnlich und schnappte sich sein Rad. »Ich habe total vergessen, daß wir heute zum Waldsee fahren wollten.«

      »Also, los jetzt.« Henrik war noch immer nicht ganz versöhnt.

      Es war Peter ziemlich unangenehm, daß er den Freund verärgert hatte, denn er mochte Henrik wirklich gern. Eigentlich war er sein erster Freund überhaupt, darum wollte er es sich nicht mit ihm verderben. Seit er sich mit Henrik von Schoenecker so prima verstand, gefiel es ihm sogar ein bißchen in Sophienlust. Aber nur ein bißchen.

      »Sei doch nicht sauer, Henrik. Ich verspreche dir, daß es nie wieder vorkommen wird«, rief er ihm zu, als er ihn endlich eingeholt hatte. Peter war ganz außer Puste.

      »Schon gut.« Der jüngste Sohn Denise und Alexander von Schoeneckers konnte nie lange böse sein. Wenn er sich ärgerte, dann konnte er wohl aufbrausen und wettern wie Rumpelstilzchen, aber er war meist schnell wieder versöhnt.

      Am Waldsee, der idyllisch versteckt mitten im Wald lag, fanden sie bereits die ersten Frühlingsboten. Unzählige Buschwindröschen bedeckten den Waldboden und reckten keck ihre kleinen, weißen Blütenkelche in die kühle Luft.

      Die Jungen stiegen ab und lehnten ihre Fahrräder an einen Baum, der nahe am Ufer stand.

      »Schau mal, dort drüben ist doch jemand. Was macht denn der in dem kalten Wasser?« Henrik legte den Zeigefinger an die Lippen, als Peter ihm etwas zurufen wollte. »Sei doch still«, schimpfte er leise. »Der hat irgendeine Gemeinheit vor«, stellte er fest. »Sieh nur, wie er sich immer wieder vorsichtig umschaut. Was der wohl in dem Sack hat?«

      Peter legte die Hand über die Augen, um besser sehen zu können. »Jetzt bindet er einen länglichen Stein mit einer Schnur fest. Ich glaube, die Schnur hat er schon mit dem Sack verknotet. Mensch, das gibt’s doch nicht.«

      »Was denn? Rede doch endlich.« Henrik konnte nichts Genaues erkennen, so sehr er sich auch bemühte.

      »Ich... ich glaube, in dem Sack bewegt sich etwas.«

      »Du spinnst«, stellte Henrik respektlos fest. »Was soll sich denn da bewegen? Oder meinst du...?«

      »Genau. Der Mann hat irgendeine Schandtat vor, das spüre ich.« Peters Herz pochte vor Aufregung heftig gegen die Rippen. Er fieberte dem Moment entgegen, wo der Fremde den See verließ, damit er nachsehen konnte, was sich da bewegt hatte.

      Mit einem lauten Klatsch fiel der Stein ins Wasser und zog den Sack mit sich in die Tiefe. Im Laufschritt rannte der Mann davon, ohne sich noch einmal umzusehen.

      »Jetzt aber schnell, ehe es zu spät ist«, bemerkte Henrik und stürmte auch schon los. Ratlos standen sie wenig später am Ufer und starrten auf die unbewegliche Oberfläche des Sees.

      »Hier war es. Ich weiß es ganz genau«, beharrte Peter und ging noch einen Schritt näher.

      In diesem Augenblick entdeckte es Henrik auch schon. »Luftblasen!« rief er überrascht aus. »Schau, da steigen Luftblasen auf.« Ohne darauf zu achten, daß seine Hosenbeine naß wurden, lief der Junge ein Stück in den See hinein, der hier zum Glück nicht sehr tief war.

      »Warte, Henrik, ich komme mit«, rief Peter und stürmte hinterher, daß das Wasser nur so spritzte. »Puh, ist das kalt«, stellte der blonde Junge fest, als das Wasser ihnen bereits bis zu den Knien reichte. »Komm schneller, Henrik, wir dürfen nicht aufgeben. Es geht um Leben und Tod.«

      Wie recht Peter hatte, stellten die Jungen erschrocken fest, als sie endlich das dicke Seil zu fassen bekamen, an dessen einem Ende noch immer der Stein hing und den Sack am anderen Ende am Grund festhielt.

      »Ich hab es«, rief Henrik und zog den Sack nach oben, in dem irgend etwas Undefinierbares verzweifelt strampelte.

      Peter hatte inzwischen den Knoten gelöst und ließ die Schnur ins Wasser zurückplumpsen.

      Klägliche Laute drangen aus dem nassen Sack, und den beiden Jungen war es doch etwas mulmig zumute. Am Ufer angekommen, ließen sie ihre Beute erst einmal vorsichtig auf den weichen Sandboden gleiten.

      »Mich friert’s wie einen nassen Hund«, jammerte Peter und schüttelte sich.

      »Wir schauen erst nach, was wir gefunden haben, und dann radeln wir gleich nach Hause und ziehen uns um.« Abwartend stand Henrik neben dem Sack.

      Peter rührte sich nicht. Auch ihm war nicht ganz wohl in seiner Haut.

      »Dann mache ich es eben selbst.« Henrik zog vorsichtig den Sack auf und faßte hinein. Zum Vorschein kam ein kleines getigertes Kätzchen, das vor Kälte und Nässe zitterte und bebte.

      »Er wollte es ertränken. So eine Gemeinheit«, murmelte Peter entsetzt und kniete sich jetzt ebenfalls hin. Rasch zog er seine Jacke aus und gab sie Henrik, der das Tierchen fürsorglich darin einwickelte.

      »Wir nehmen die Katze mit und bringen sie ins Tierheim. Hans-Joachim wird sich um das Tierchen kümmern.« Henrik marschierte zu seinem Fahrrad zurück, und Peter folgte dem Freund.

      Hans-Joachim von Lehn, Henriks Schwager, war Tierarzt und leitete das Tierheim Waldi & Co., das nicht weit von Sophienlust entfernt die letzte Zuflucht für so manches heimatlose Tier bedeutete.

      Liebevoll nahm sich der junge sympathische Mann des kleinen Kätzchens an und versprach, Minzi, wie Henrik und Peter ihren kleinen Findling inzwischen getauft hatten, gesund zu pflegen.

      »Den Mann sollte man anzeigen«, sagte Dr. von Lehn etwas später zu Andrea, seiner jungen, bezaubernden Frau.

      »Wenn man nur wüßte, wer es war. Ich würde ihn weiß Gott was heißen.« Voller Mitleid streichelte die junge Frau das magere Kätzchen, das ihr Mann inzwischen abgetrocknet hatte.

      »Das glaube ich dir aufs Wort, Liebling«, antwortete Hans-Joachim und grinste schelmisch. »Ich kann ein Lied davon singen.«

      »Oh, sei still, du...«

      Er verschloß ihren Mund mit einem zärtlichen Kuß.

      *

      »Was Peterle wohl sagen wird, wenn wir uns nach so langer Zeit wiedersehen?« Marga wollte nicht zugeben, daß sie sich vor einer Begegnung mit ihrem Sohn fürchtete. Was, wenn der Junge sie nicht sehen wollte.

      Es würde ihr dann wohl nichts anderes übrigbleiben, als sich seinen Wünschen zu fügen. Das aber wäre so furchtbar für die Frau, daß sie gar nicht wagte, daran zu denken.

      Zu schwer lastete noch die Erkenntnis auf ihr, daß sie ihren Mann Volker wohl endgültig verloren hatte. Sie selbst legte inzwischen keinen Wert mehr auf die Scheidung, aber Volker würde sich nun sicher nicht mehr lange gedulden.

      »Wir sind da.« Die ganze Fahrt über hatte Manfred geschwiegen. Jetzt tat es ihm fast schon leid, daß er Marga damals seine Hilfe angeboten hatte.

      »Manfred, bitte...« Hilfesuchend schaute die Frau ihn an.

      »Was ist, Marga? Du mußt dich schon deutlicher ausdrücken, wenn ich dich verstehen soll«, antwortete der Mann ungehalten. Er schloß den Wagen sorgfältig ab und öffnete dann seiner Begleiterin das Tor.

      »Ich... wie soll ich es dir nur sagen? Es wäre mir lieber, wenn du... Ich meine, würdest du vielleicht hier im Park auf mich warten? Peter erschrickt sonst vielleicht, wenn da plötzlich ein fremder Mann mitkommt.«

      »Aber natürlich warte ich hier auf dich. Wenn es sonst nichts ist.« Er schaute sich suchend nach einer Bank um, und in einiger Entfernung entdeckte er sogar eine.

      »Ich werde mich dort drüben hinsetzen und mir die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Zum Glück ist heute besseres Wetter als gestern.«

      Erleichtert atmete Marga auf und wickelte eine winzige Locke ihres kurzen Haares um den Finger. »Du bist ein Schatz, Manfred«, bekannte sie. »Schade, daß unsere Liebe schon nach so kurzer Zeit zerbrochen ist. Aber eine Freundschaft ist auch etwas sehr Schönes«, bekannte sie dann und lief eilig davon.

      Sinnend schaute Manfred ihr eine