Patricia Vandenberg

Dr. Norden Extra Staffel 2 – Arztroman


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gut aufgehoben ist. Aber da ist meine ganz persönliche Meinung. Andere kann sie bestimmt täuschen.«

      Dr. Behnisch betrachtete ihn nachdenklich. »Sie meinen also, daß das Kind nicht liebevoll genug versorgt wird?«

      »Soweit kennt ich Joana, daß für sie nur finanzielle Vorteile zählen, daß sie wohl gar damit gerechnet hat, daß Cordula nicht überleben wird. Dann wäre Ulrich Alleinerbe, und er braucht natürlich Pflegeeltern und einen Vormund.«

      Dr. Behnisch runzelte die Stirn. »Das sind natürlich auch Argumente, die Beachtung verdienen.«

      »Und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Cordula bald zu einer Entscheidung über den Aufenthalt des Jungen bringen könnten.«

      »Sie wird sich noch monatelang nicht um ihn kümmern können«, erklärte der Arzt. »Es sei denn, man könnte sie in absehbarer Zeit gemeinsam mit dem Kleinen in einem Sanatorium unterbringen. Da Sie der Anwalt und wohl auch beste Freund sind, kann ich Ihnen sagen, daß Frau Bürgner wieder schwanger war… etwa im zweiten Monat. Es könnte sein, daß es sie auch seelisch belasten würde, wenn wir ihr sagen müssen, daß sie das Kind verloren hat.«

      Constantin war kreidebleich geworden.

      »Sie war schwanger? Mein Gott«, sagte er bebend. »Sie ist so sensibel, Dr. Behnisch. Bitte, seien Sie ganz behutsam.«

      »Das ist selbstverständlich.«

      Constantin erhob sich geistesabwesend. »Ich darf sie doch hoffentlich wenigstens sehen?« sagte er leise.

      »Bei Ihnen mache ich eine Ausnahme. Vielleicht können Sie mit zu einer rascheren Genesung beitragen.«

      Davon sollte er am Krankenbett von Cordula Bürgner überzeugt werden, denn als Constantin ihre Hände küßte, schlug sie die Augen auf, und der Hauch eines Lächelns glitt über ihr Gesicht und verklärte es.

      »Constantin«, sagte sie, und Dr. Behnisch stand starr vor Staunen, denn dieser Name war der erste Laut, der über ihre Lippen kam. Es war so, als hätte sich ein Kloß in ihrem Hals aufgelöst.

      »Du mußt gesund werden, Cordula«, sagte Constantin. »Ulrich braucht dich… und ich auch.«

      Seine Augen waren feucht, als er sich aufrichtete und Dr. Behnisch ansah, während Cordula gleich wieder eingeschlummert war.

      »Sie hat mich erkannt«, murmelte er, »sie hat meinen Namen gesagt! Jetzt bin ich zuversichtlich.«

      »Ich auch«, erwiderte Dr. Behnisch. »Es wäre gut, wenn Sie öfter kommen würden.«

      »Jeden Tag, wenn es erlaubt ist.«

      *

      In Garmisch knallte Joana Heeren ihrem Mann die Zeitung mit der Schlagzeile auf den Tisch, als er mittags heimkam. Sie wohnten nahe beim Hotel in einem Einfamilienhaus.

      »Ich habe es schon gelesen«, sagte er rauh, »es wird überall darüber gesprochen. Cordula ist schließlich noch nicht vergessen.«

      »Und unsere Träume lösen sich in Wohlgefallen auf«, sagte sie gereizt.

      »Deine Träume, Joana«, konterte er, »laß mich aus dem Spiel.«

      »Profitiert hättest du aber gern«, zischte sie. »Ich bin wenigstens ehrlich. Meinetwegen hätte sie sterben können.«

      »Aber der Junge ist dir doch jetzt schon lästig«, sagte er anzüglich.

      »Was fängt man denn schon mit einem Kind an, das geistig zurückgeblieben ist«, sagte sie zornig. »Er redet kaum, er lacht nicht, er starrt mich immer nur so komisch an.«

      »Er ist nicht geistig zurückgeblieben. Er hat den Schock noch nicht überwunden, hat Dr. Halmer gesagt.«

      »Der redet viel, wenn der Tag lang ist. Er will ja nur mit seiner Therapie verdienen. Als ob ein Kind schon begreift, was autogenes Training und so ein Schmarren ist.«

      »Du hast dem Kleinen eingeredet, daß Cordula tot ist. Er kann sich das nicht vorstellen. Das will er wohl auch nicht. Er vermißt auch seinen Vater und die gewohnte Umgebung.«

      »Ach was, Kinder vergessen schnell. Er hat einen Gehirnschaden davongetragen, aber die Ärzte wollen davon ja nichts wissen.«

      »Und du denkst nur daran, daß er der Erbe ist, wenn Cordula stirbt. Aber sie wird nicht sterben. Sie ist bei den besten Ärzten, und mir ist es so auch lieber.«

      »Auf einmal«, sagte sie und drehte ihm den Rücken zu. »Früher hast du auch gesagt, daß ich benachteiligt bin.«

      »Da habe ich auch noch nicht alles so genau gewußt. Du hättest mir von Anfang an reinen Wein einschenken müssen, Joana. Ich wußte ja nicht, daß du nur Cordulas Stiefschwester bist… und daß sie ihr Vermögen von ihrer Mutter hat, nicht von eurem Vater.«

      »Du hättest mich wohl auch nicht geheiratet, wenn du es gewußt hättest«, stieß sie giftig hervor. »Für mich war Cordula jedenfalls immer meine Schwester.«

      »Aber du sähest sie lieber tot«, entgegnete er. »Selber willst du keine Kinder haben, aber von Ulrich willst du profitieren.«

      »Ich kann keine Kinder bekommen«, widersprach sie heftig.

      »Das willst du mir einreden. Ich werde darauf bestehen, daß du dich untersuchen läßt, und ich kann den Befund verlangen. Jetzt weiß ich ja, worum es dir wirklich geht, da ich sehe, wieviel du für den Jungen übrig hast. Mir kannst du nichts mehr vormachen. Und jetzt…«, er deutete auf die Zeitung, »weiß ich es ganz genau.«

      Ihre Augen wurden schmal. »Ich fahre mit Ulrich weg. Er braucht Luftveränderung, vielleicht geht es ihm dann besser. Und du wirst brav sein und deinen Mund halten, sonst könnte es dir plötzlich ganz dreckig gehen, mein Lieber. Ich brauche dich wohl nicht zu erinnern, was ich alles weiß von dir und deinen Grenzgeschäften.«

      Und Jochen Heeren verfluchte wieder einmal den Tag, an dem er Joana kennenlernte und sich Hals über Kopf in sie verliebte. Aber natürlich hatte es da auch eine Rolle gespielt, daß sie Cordulas Schwester war, und der Name Cordula Hollenstedt war bekannt.

      »Ich fahre mit Ulrich weg«, sagte sie noch einmal.

      »Wohin?«

      »Ich weiß es noch nicht. Aber ich packe gleich die Sachen.«

      Er wagte keinen Widerspruch. Er kannte Joana. Sie würde ihre Drohungen wahrmachen.

      »Du solltest alles reiflich überlegen«, sagte er eindringlich. »Man könnte dir daraus einmal einen Strick drehen.«

      »Ich weiß, was ich tue«, erwiderte sie zynisch. »Auf deine Ratschläge kann ich verzichten.«

      *

      Ulrich saß in seinem Zimmer und spielte. Seine Spielsachen waren hergeholt worden, zwar nicht alle, aber doch eine ganze Menge.

      Er blickte nicht auf, als Joana eintrat. Er drückte nur seinen Teddy an sich und murmelte etwas vor sich hin.

      »Wir fahren weg, Ulrich« sagte Joana.

      »Ich will zu Mami«, jammerte der Kleine statt einer Antwort.

      »Du kannst nicht zu ihr, das habe ich schon oft gesagt. Wir fahren jetzt irgendwohin, wo es schön ist. Es wird dir gefallen.«

      Er schüttelte den Kopf und legte sich auf den Boden, über die Plüschtiere.

      »Dann will ich zu Papi«, sagte er.

      »Dein Papi ist tot. Du weißt doch, daß ihr mit dem Flugzeug abgestürzt seid.«

      Sie hatte es nie verstanden, auf das Kind einzugehen. Sie hatte nicht das geringste Gespür dafür, wie man auf ein Kind eingehen mußte, um Vertrauen zu gewinnen. Sie gab ihm Spielzeug, zu essen, Schokolade und wonach er verlangte, aber mütterliche Zärtlichkeit war ein fremder Begriff für sie.

      »Stell dich jetzt nicht so an, wir fahren gleich«, sagte sie.

      »Ich will nicht«,