gut. Sehen Sie, ich war in Wien zu Aufnahmen, und meine Frau hat es der Haushälterin überlassen, sich um das Kind zu kümmern. Sie ist ein gefühlloser Trampel. Benny sei wehleidig, sagte sie mir ins Gesicht, und wo sich meine Frau den ganzen Tag herumtreibt, weiß ich nicht. Aber es wird alles anders werden, ich habe es beim Leben meines Kindes geschworen.«
Er wollte in der Klinik bleiben, und es wurde ihm auch gestattet. Sonst waren es die Mütter, die blieben, diesmal war es der Vater. Er mußte sich nur noch gedulden, bis er Benny sehen durfte. Der Kleine war auf die Intensivstation gebracht worden.
Langsam konnte André Riedmann wieder klar denken. Jenny hatte Puls und Blutdruck gemessen und konnte mit beiden nicht zufrieden sein, aber André schluckte dann auch, wenn auch widerwillig, zwei Kapseln hinunter.
Schwester Nora war wieder bei ihm. Sie versuchte, ihn auf andere Gedanken zu bringen, als er wieder auf seine Frau zu schimpfen begann. Tessa Riedmanns Name wurde öfter in Gesellschaftsnachrichten erwähnt als der ihres Mannes. Sie war vor einigen Jahren ein Filmsternchen gewesen, aber ein Star war sie nicht geworden. Auch sonst hatte sich André wohl mehr von ihr und dieser Ehe versprochen.
Plötzlich fragte André nach Cordula Bürgner. »Stimmt es, daß sie aus dem Koma erwacht ist?« wollte er wissen.
»Ja, es stimmt, aber sie ist noch nicht ansprechbar.« Nora wollte ihn gern auf andere Gedanken bringen, aber nicht unbedingt über Cordula sprechen und ausgefragt werden.
»Sie ist eine großartige Schauspielerin und eine wundervolle Frau«, sagte er. »Ich hoffe, daß sie wieder ganz gesund wird. Unsere Kinder haben manchmal miteinander gespielt, aber sie lebte ja im allgemeinen sehr zurückgezogen.«
»Wir haben sie sehr ins Herz geschlossen«, sagte Nora nun doch.
»Wissen Sie, wie es ihrem Sohn geht? Man hat ja wenig gehört.«
»Er ist wie durch ein Wunder nicht schwer verletzt worden. Er lebt nun bei Frau Bürgners Schwester.«
»Bei Joana?« Seine Miene sprach Bände. »Sie ist auch so ein Typ wie Tessa, nur auf Vergnügen bedacht«, fuhr er vorwurfsvoll fort. »Entschuldigen Sie, wenn ich so kritisch bin, aber ich weiß, wieviel Liebe Kinder brauchen. Man traut es mir wohl nicht zu, aber mein Kind bedeutet mir mehr als alles andere auf der Welt. Ich müßte morgen eigentlich im Atelier stehen, aber ich sage alles ab, bis Benny wieder gesund ist. Ganz gleich, was passiert.«
»Das ist ja gut gemeint, Herr Riedmann, aber hier können Sie nicht viel ausrichten.«
»Aber wenn Benny die Augen aufschlägt, soll er wissen, daß sein Daddy bei ihm ist. Er weiß doch gar nicht, wo er sich befindet.«
»Ihre Frau wird ja wohl auch kommen«, sagte Nora.
»Das soll sie nicht wagen! Es ist aus, ein für allemal.«
Er hatte Temperament, und er war zornig auf seine Frau. Aber gegen sieben Uhr abends kam sie, sehr echauffiert und besorgt.
Aber da konnte man André Riedmann in Hochform erleben. Er sparte nicht mit Kraftausdrücken. Aber dann war er eiskalt.
»Du kannst gehen«, erklärte er kühl. »Laß dich nicht aufhalten, dir ist dein Vergnügen doch wichtiger als das Kind. Wäre ich nicht früher zurückgekommen, wäre Benjamin jetzt tot. Das verzeihe ich dir nie. Du kannst bitten und betteln, soviel du willst… ich will dich nicht mehr sehen.«
»Wir brauchen uns hier nicht so anzukeifen, André. Laß dir doch erklären… Ich konnte nicht ahnen, daß es der Blinddarm war!«
»Du hast dir ja nicht mal die Mühe gemacht, den Kinderarzt zu rufen. Mein Gott, was bist du für eine Mutter! Verschwinde jetzt, bevor ich dich eigenhändig hinausbefördere. Benny liegt auf der Intensivstation, und dich werde ich anzeigen wegen Verletzung der Aufsichtspflicht.«
O la la, es scheint ihm ernst zu sein, dachte Schwester Nora. Er redet nicht nur so daher, er meint auch, was er sagt. Und Tessa schien in sich zusammenzuschrumpfen. Vielleicht rechnete sie sich jetzt schon aus, was sie verlieren würde, wenn er sich wirklich von ihr trennte. Es war nicht das erste Mal, daß es zum Krach zwischen ihnen kam, aber so eiskalt und entschlossen hatte sie ihn noch nicht erlebt.
Es war ihr vor allem peinlich, daß sich die Szene vor den Augen und Ohren von Zeugen abspielte.
»Kannst du dich nicht endlich beherrschen«, fuhr sie ihn an, »was sollen die Leute von uns denken?«
»Das Richtige«, konterte er wütend. »Für so eine Mutter wie dich wird man hier auch kein Verständnis haben. Verschwinde endlich, bevor ich mich vergesse.«
»Benjamin ist auch mein Sohn, und ich werde ihn wohl sehen dürfen«, begehrte Tessa da auf.
»Nein, du wirst ihn nicht sehen. Du hättest dich früher um ihn kümmern sollen, als er Fieber und Schmerzen hatte, aber da hattest du ja etwas Besseres vor.«
Sie kniff die Augen zusammen, und ein frivoles Lächeln legte sich um ihren vollen Mund.
»Du willst mich wohl loswerden, weil du jetzt eine Chance siehst, bei Cordula Bürgner Händchen zu halten. In welchem Zimmer liegt sie denn? Hast du sie schon besucht?«
Nora merkte, daß André am Ende seiner Selbstbeherrschung war. »Frau Bürgner darf keinerlei Besuche erhalten«, warf sie ein. »Und solange Benjamin auf der Intensivstation liegt, gilt dasselbe auch für ihn. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß das Kind erst vor zwei Stunden aus dem Operationssaal gekommen ist.«
»Eine Blinddarmoperation ist heutzutage doch eine Routinesache«, sagte Tessa schnippisch.
»Aber nicht dann, wenn der Blinddarm beinahe durchgebrochen wäre«, erwiderte Nora nun barsch. Sie verstand André, daß er die Geduld verlor. Sie spürte auch Antipathie in sich aufsteigen, wenn sie in das hübsche, glatte und leere Gesicht Tessas blickte, das Gesicht einer oberflächlichen, eitlen Frau, die weder mit Intelligenz noch mit Gemüt gesegnet war. Und ihre anzüglichen Bemerkungen über Cordula paßten ihr schon gar nicht.
Nun gut, ich komme dann morgen wieder«, sagte Tessa, und ohne ihren Mann noch eines Blickes zu würdigen, ging sie zum Ausgang.
»Ich hätte mich fast vergessen«, stieß André hervor, »verzeihen Sie das bitte, Schwester Nora.«
»In manchen Fällen ist es besser, wenn man seinem Herzen gleich Luft macht«, meinte sie nachsichtig. »Man kann nicht alles hinunterschlucken.«
»Ich fühle mich endlich mal wieder verstanden. Aber damit Sie mich in bezug auf Cordula Bürgner nicht falsch verstehen nach diesen Anzüglichkeiten, möchte ich sagen, daß ich Cordula verehre und bewundere, daß aber sonst nichts zwischen uns ist. Tessa möchte mir ja liebend gern etwas anhängen, aber damit wird sie keinen Erfolg haben.«
Daraufhin verfiel er in Schweigen. Vielleicht wirkten jetzt die Beruhigungsmittel. Jedenfalls schlief er bald ein, und Nora konnte wieder zur Station gehen, wo man sie schon vermißt hatte.
*
Jenny Behnisch war bei dem kleinen Benjamin. Sie hielt die heißen Händchen, die so federleicht waren, daß man sie kaum spürte. Benny hatte die zweite Penicillin-Injektion bekommen. Die Ärzte hofften, daß das Fieber heruntergehen würde, denn viel hatte der kleine Bub nicht an Kraft zuzusetzen.
André Riemann war zum Glück für einige Zeit eingeschlafen. Um ihn mußten sie sich auch Sorgen machen. Selten hatte man hier einen so verzweifelten Vater gesehen. Aber sicher traf es ihn besonders hart, daß Benjamin von seiner Mutter im Stich gelassen worden war, als es ihm schlechtging.
Jenny blickte auf den Bildschirm, der die Herzschläge des Kindes aufzeigte. Eine leichte Besserung war schon zu verzeichnen. Aber der kleine Körper zuckte unruhig, und ein paar Laute kamen auch über die trockenen Lippen, die man als »Daddy« deuten konnte.
Welche tiefe, innige Bindung bestand zwischen Vater und Sohn! Und wie schön hätte dieses Familienleben sein können, wenn auch die Frau da hineingepaßt hätte.
Jenny machte sich darüber Gedanken. Sie hatte schon so