Lisa Simon

Mami Staffel 13 – Familienroman


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schnell es seine Leibesfülle gestattete, stand er auf und öffnete die Tür. Die beiden Sekretärinnen saßen an ihren Tischen und sahen ihn an.

      »Fräulein Sauer, kochen Sie meiner Tochter und mir doch bitte einen Kaffee.«

      Er setzte sich wieder. Er ist viel zu dick, dachte Laura und musterte sein rotes Gesicht besorgt. Der Vater war immer ein Tyrann gewesen. Lauras Mutter hatte es schon längst aufgegeben, eine eigene Meinung zu haben oder ihm die Stirn zu bieten.

      Und trotzdem liebte Laura ihren Vater. Er hatte ja nicht nur schlechte Eigenschaften, er konnte auch sehr lustig sein, war gesellig, man konnte gut mit ihm Schach spielen, das und vieles mehr hatte er ihr beigebracht.

      Wenn alles lief, wie er es liebte, war er ein guter Vater und sicher auch ein guter Ehemann. Es mußte nur alles nach seiner Mütze gehen.

      Der Kaffee wurde gebracht. Laura und Fräulein Sauer kannten sich natürlich. In dem kleinen Dorf kannte jeder jeden, es gab kaum etwas, das der eine nicht vom anderen wußte.

      »Wo waren Sie zum Skifahren, Laura?« wollte sie wissen, während sie Laura die Tasse reichte.

      »In Ischl. Wunderbarer Schnee, gutes Wetter.«

      »Das sieht man Ihnen an. Ganz neidisch kann man werden, wenn man Ihre Bräune betrachtet.«

      Sie hätte gern noch ein Weilchen geplaudert. Aber leider wurde sie nicht zum Bleiben aufgefordert.

      »So, Laura, jetzt reden wir mal in aller Ruhe«, schlug der Bürgermeister einen väterlichen Ton an. Er rührte so heftig in seiner Tasse, daß ein Tropfen Kaffee auf die Akte fiel. Er bemerkte es nicht einmal.

      »Du hast recht, ein Kind braucht keine Katastrophe zu sein. Wir lassen es auch zu keiner kommen. Sag mal, bist du noch manchmal mit Harro Erdmann zusammen? Er hat die Landwirtschaftsschule besucht.«

      »Ich habe ihn hin und wieder gesehen, Papa. Warum willst du das wissen? Hoffst du, daß er der Vater ist?«

      »Ja, das wünsche ich mir, du brauchst gar nicht so spöttisch lächeln. Harro ist ein Ehrenmann, der würde dich vom Fleck weg heiraten… dann würdest du ganz in unserer Nähe sein. Das Gutshaus ist für Harro und seine Eltern viel zu groß. Erst neulich sagte mir Herr Erdmann, daß Harro endlich heiraten soll.«

      Er sah, wie ihre langen Wimpern zitterten.

      »Warum erzählst du mir das, Papa?«

      Er schob die Tasse zurück und beugte sich über den Schreibtisch. Beschwörend musterte er das trotzige Gesicht seiner Tochter.

      »Ganz bestimmt ist er noch immer verliebt in dich, Laura. Du brauchst nur ein wenig nett zu ihm zu sein, ihm entgegenkommen… Laura…«

      »Hör auf, Papa. Ich soll Harro schöne Augen machen, damit ich einen Vater für mein Kind habe? Was denkst du von mir? Ich könnte mir selbst nicht mehr in die Augen sehen, wenn ich so eine Gemeinheit auch nur plante. Vermutlich soll ich ihm nicht einmal sagen, daß ich ein Kind bekomme? Ein Kind von einem anderen?

      Harro ist ein feiner Kerl. Er verdient eine Frau, die ihn liebt. Und ich liebe ihn nicht.

      Hör auf Pläne zu schmieden, ich…«

      »Jetzt höre mir gut zu. Und was ich jetzt sage, das gilt, daran wird niemand, hörst du, niemand etwas ändern können.

      In meinem Haus bekommst du ein Kind ohne Vater nicht. Wenn du fragen willst, ob du in meinem Haus leben kannst, dann sage ich nein. Dann ist mein Haus dein Elternhaus gewesen. Dann sagen wir uns los von dir.

      Und daß Mama genauso handelt, dafür sorge ich.«

      »Wie gut, daß du nicht sagst, genauso denkt.« Ihr war elender, als sie zeigen durfte. Nein, damit hatte sie nicht gerechnet. Daß er toben, schimpfen würde, damit natürlich.

      »Du verbietest mir also mein Elternhaus? Du wirfst mich ’raus?«

      »Wenn du nicht heiratest, ja. In meinem Haus ist für solch ein Mädchen kein Platz. Wir sind ein christliches Haus, wir…«

      »Jetzt laß mich reden. Gut, ich akzeptiere deinen Befehl. Ich gehe und komme nicht zurück. Aber vorher will ich dir sagen, was ich von einem Mann halte, der handelt wie du.

      Du glaubst von dir, daß du die Moral gepachtet hast, du hältst dich für etwas Besonderes. – Deine Moral ist Falschheit, du hast Angst, daß man über dich spricht. Du bist besessen von dem Wunsch, Erfolg zu haben. Du opferst dein Kind dem äußeren Schein. Um Himmels willen, daß nur kein Stäubchen auf deine Unfehlbarkeit fällt. Nach außen hin muß alles stimmen.

      Auf deine Moral, Papa, pfeife ich! Meinst du nicht, daß auch in deinem Leben Dinge passiert sind, die du gern ungeschehen machen möchtest? Meinst du wirklich, du hast nur Freunde?

      Keine Angst, ich werde deine Haltung nicht an die große Glocke hängen. Ich bin sicher, dann würden sehr viele mit Fingern auf dich zeigen und erklären, daß sie auf einen so hartherzigen Bürgermeister verzichten können. Deine Haltung würden vielleicht einige sogar für unmoralisch halten.

      Du brauchst nichts mehr sagen. Du hast schon viel zuviel gesagt. Bringen wir die Sache hinter uns. Ich habe von Großmutter ein kleines Vermögen geerbt. Du hast es verwaltet. Ich möchte es ausgezahlt haben. Ich fahre jetzt zu Mutter…«

      »Hetze sie nur nicht auf«, schnaubte er. Die Ruhe seiner Tochter war ihm unheimlich. Aber gleichzeitig hatte er Angst, jemand könnte sie hören.

      »Ich packe einige Sachen ein, die mir gehören. Ich lasse mir nicht verbieten, mit Mutter in Kontakt zu bleiben. Und wenn du wagen solltest, sie daran zu hindern, dann setze ich einen Artikel in die Zeitung, so wahr ich hier sitze, tu ich das. Ich hab dich sehr lieb gehabt, Papa… aber jetzt schäme ich mich für dich. Ich fahre noch heute abend. Du kannst das Geld auf mein Sparbuch buchen lassen.«

      Die ungesunde Röte war aus seinem Gesicht gewichen. Aschfahl war es geworden.

      Er räusperte die Enge aus der Kehle.

      »Deinen monatlichen Scheck bekommst du selbstverständlich.«

      »Wenn wir miteinander brechen, dann ganz. Dein Geld brauche ich nicht. Du kannst es ja in den Klingelbeutel werfen, am Sonntag in der Kirche, aber so, daß es jeder sieht.«

      »Werde nicht unverschämt. Ich verbiete dir…«

      »Du kannst mir gar nichts mehr verbieten, Papa. Du hast mich aus dem Haus geworfen, du hast das Band zerschnitten. Wir beide haben uns nichts mehr zu sagen. Doch, etwas will ich noch klären. Ich weiß aus Erfahrung, wie ungerecht du sein kannst. Solange ich mich erinnern kann, hast du dich auf Kosten von Mamas Nerven abreagiert. Du solltest einmal anfangen, dich zu kritisieren. Da hast du Arbeit genug. Ich habe mit dieser Haltung nicht gerechnet, ich habe nicht geglaubt, daß dir die Meinung der Leute wichtiger ist als deine Tochter. Ich wünsche dir nur, daß du diesen Entschluß nicht bereust.«

      Sie drehte sich um und ging zur Tür. Er wollte aufstehen, sie zurückhalten. Aber er saß da, wie gelähmt. Seine Glieder gehorchten ihm nicht.

      Sie öffnete und schloß die Tür. Er hörte sie im Vorzimmer reden.

      Und dann hörte er nichts mehr.

      Stille umfing ihn. Aber es war keine Stille, die Behagen brachte, es war eine Stille, die Panik schuf. Ihm war, als habe sich sein vertrautes Zimmer verändert, als lauerte Angst in den Winkeln.

      Ich bin doch im Recht, redete er sich ein. Ich bin es doch, der die Moral hochhalten muß. Wie unverschämt sie war, gar nicht mehr die Tochter, die er kannte.

      Er umklammerte seinen Kopf mit beiden Händen.

      *

      »Bitte weine nicht, Mama.« Dabei liefen Laura selbst die Tränen über die Wangen. Sie saßen in dem behaglichen Biedermeierzimmer, Laura hielt beide Hände der Mutter.

      »Kind«, Lauras Mutter war eine sehr gepflegte Dame, darauf legte Herr Wagenfeld großen Wert. Tränen tropften auf die kostbare Seidenbluse. »Laura, wer