Mona hat ihr alles auf der Fahrt hierher diktiert. Sie wollen jetzt zusammen mit Traudel nachschauen, was für die Rötungen verantwortlich sein könnte. Ich sage dir Bescheid, wenn sie etwas finden.«
»Ist gut, Spatz«, sagte Sebastian und setzte sich wieder hinter den Schreibtisch.
»Es wird schon alles werden«, murmelte Gerti und streichelte Sebastian über den Arm, bevor sie ihn wieder allein ließ. Wie alle im Haus Seefeld wusste sie, dass er für Anna mehr als nur Freundschaft empfand.
Ja, vielleicht wird es irgendwann, dachte Sebastian und schaute auf das Foto seiner Frau, das auf seinem Schreibtisch stand.
»Nein, bitte nicht, das darf nicht sein.« Monas Herz setzte einen Schlag lang aus, als Traudel sie mit sorgenvoller Miene anschaute.
»Es besteht aber kein Zweifel«, sagte Traudel.
Sie hatte ein noch volles Gläschen mit der Kräutermaske geöffnet und den Inhalt auf ein Holzbrett geleert, das auf dem Terrassentisch lag, an dem sie, Anna, Mona und Emilia saßen. Es dauerte nur zwei Minuten, bis sie den Übeltäter entdeckt hatte.
»Ich sage es Papa, dann kann er sie gleich richtig behandeln«, sagte Emilia und sauste davon, als die Landfrauen gemeinsam mit der Bergmoosbacher Mädchenfußballmannschaft den Weg von der Straße zur Praxis heraufkamen.
»Sie werden mich hassen«, sagte Mona, und dann liefen ihr die Tränen über das Gesicht.
*
»Riesenbärenklau? Das ist nicht Ihr Ernst?« Therese Kornhuber schüttelte fassungslos den Kopf.
»Dieses Kraut hätte sie doch bemerken müssen«, zeigte sich Elvira Draxler ebenso verblüfft.
»Mei, vielleicht war sie abgelenkt«, mutmaßte Eleonore, die es am schlimmsten von allen erwischt hatte, was ihr sehr gelegen kam. Niemand würde auf die Idee kommen, dass sie sich diese Schmerzen wissentlich selbst zugefügt hatte.
»Wenn sie sich so leicht ablenken lässt, dann taugt sie nicht für diese Arbeit, dann ist sie eine Gefahr für Leib und Leben anderer«, erklärte Carola Holzer. Die hellblonde Frau mit ihrer empfindlichen Haut hatte es auch hart getroffen.
»Ein Kontakt mit dieser Pflanze ist tatsächlich sehr gefährlich. Die Symptome ähneln Brandverletzungen, und es können auch schwerwiegende allergische Reaktionen auftreten. Ich verschreibe Ihnen Salben und Tabletten, um einer möglichen Allergie vorzubeugen. Setzen Sie sich in den nächsten Tagen auf keinem Fall dem direkten Sonnenlicht aus, das verstärkt die unangenehme Wirkung des Krautes, wenn es einmal mit der Haut in Berührung gekommen ist.« Sebastian hatte die Damen gleichzeitig in sein Sprechzimmer gebeten und mit einer Salbe behandelt, nachdem er von Emilia gehört hatte, auf was Traudel gestoßen war. Er saß auf der Kante seines Schreibtisches und die Landfrauen standen im Halbkreis vor ihm.
»Dieser Bärenklau ist ein Teufelszeug«, schimpfte Eleonore, »solange das Kraut nicht vollkommen getrocknet ist, treibt es sein Unwesen. Wer mit frischen Kräutern arbeitet, der sollte das wissen.«
»Weißt du es denn?«, fragte Irmi und schaute Eleonore skeptisch an.
»Freilich weiß ich das. In unserem Garten wächst das Zeug nicht, falls du darauf anspielst.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein, bei deiner Sehschwäche«, entgegnete Irmi.
»Willst du mir gerade etwas unterstellen? Wenn ja, dann sag’s gleich. Aber vielleicht ziehst du erst einmal in Betracht, ob die liebe Mona nicht noch andere Kräuter benutzt. Ich meine solche, die sie nicht bei uns gekauft hat. Darf ich mal sehen?« Ehe Sebastian reagieren konnte, krallte sich Eleonore den Zettel von seinem Schreibtisch, den Anna für ihn geschrieben hatte. »Aha, Baldrian, der ist nicht von uns. Wer weiß, wo sie den gesammelt hat, und ein Doldengewächs wie der Bärenklau ist er auch. Wenn eine verträumt ist, kann sie schon mal das falsche Kraut erwischen.«
»Geh, Eleonore, das hätte sie gemerkt, wenn sie das Zeug angefasst hätte«, widersprach Irmi.
»Und wenn sie Handschuhe trägt, um die zarten Händchen nicht zu verletzen? Ich sage ja nicht, dass sie es büschelweise ausgerissen hat, es reichen ja ein paar Blüten und schon haben wir die Bescherung.«
»Ich bitte Sie, meine Damen, niemand sollte irgendjemandem etwas unterstellen, bevor wir nicht genau wissen, wie das passiert ist.«
»Geh, Doktor Seefeld, was gibt es denn da zu überlegen? Eleonore hat recht, Mona hat geschlampt, und wir müssen das ausbaden «, sagte Therese, und alle bis auf Irmi nickten zustimmend. »Und jetzt werden wir der Apotheke einen Besuch abstatten«, erklärte sie und schaute auf Gerti, die die Rezepte ausgedruckt hatte und Sebastian zum Abzeichnen vorlegte.
»Wenn es schlimmer wird oder noch andere Beschwerden hinzukommen, dann melden Sie sich«, bat er, nachdem er die Rezepte verteilt hatte.
»Wenn es noch schlimmer wird, dann werde ich Anzeige gegen Mona Wagner erstatten, wegen Körperverletzung«, entgegnete Elvira.
»Das sollten wir auf jeden Fall tun«, sagte Therese.
»Unbedingt, ich werde gleich mit unserem Anwalt sprechen. Wir könnten auch an eine Sammelklage denken«, schlug Carola Holzer vor.
»Das klingt gut.« Therese ging sofort auf Carolas Vorschlag ein.
»Wir sollten vielleicht erst noch einmal abwarten«, versuchte Irmi, die beiden zu bremsen.
»Nichts da, die Sache ist klar«, widersprach ihr Therese sofort. »Also dann, meine Damen, auf geht’s, danke, Doktor Seefeld, für die schnelle Hilfe, auf bald«, verabschiedete sie sich von Sebastian und die anderen schlossen sich ihr an.
»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Mona dieses Zeug unbemerkt gepflückt haben soll«, sagte Gerti, nachdem die Landfrauen gegangen waren. »Die Sache muss sich schnell aufklären, sonst werden einige Bergmoosbacherinnen dafür sorgen, dass es für Mona hier ziemlich ungemütlich wird.«
»Eleonore scheint nicht gut auf sie zu sprechen zu sein.«
»Ist sie doch auf keine, die ihrem Bruder zu nahe kommt. Denkst du, dass sie etwas damit zu tun hat?«
»So weit will ich erst einmal nicht gehen, schließlich hat es sie von allen am schlimmsten erwischt.«
»Mag sein, und vor allen Dingen gibt es eine großartige Schlagzeile für das Bergmoosbacher Tagblatt: Kräuterexpertin von bösem Kraut niedergestreckt oder so ähnlich.«
»Gut, dass du es erwähnst.«
»Was hast du vor?«, fragte Gerti, als Sebastian zum Telefon griff.
»Ich werde unsere Zeitung daran erinnern, dass ein guter Reporter eine Geschichte nicht auf ein Gerücht hin verbreitet. Guten Tag, Sebastian Seefeld, ich möchte Tobias Meier sprechen«, bat er, als sich die Redaktion des Tagblattes meldete.
*
»Einfach so?«, fragte Mona und sah Simone fassungslos an. Nach ihrem Besuch bei Traudel war sie gleich zum Hotel gefahren, um Simone von dem Vorfall zu erzählen.
Simone wusste schon Bescheid, aber statt Mona ihre Hilfe anzubieten, erklärte sie ihr, dass sie ihr fristlos kündigen würde. Sie stand hinter dem Empfangstresen des Kosmetiksalons und trat von einem Fuß auf den anderen, weil ihr dieses Gespräch sichtlich unangenehm war. »Es tut mir ehrlich leid, aber irgendjemand hat seinen Einfluss auf die Hotelleitung geltend gemacht, und man hat mir mitgeteilt, dass ich dich nicht länger beschäftigen darf, schon in meinem eigenen Interesse, da jemand wie du die Kundschaft abschreckt. Die Landfrauen wollen Anzeige gegen dich erstatten, heißt es.« Sie gab sich die größte Mühe, Mona zu versichern, dass die Sache mit der Entlassung nicht ihre Idee war. »Oder hast du inzwischen eine Erklärung für den Vorfall, die dich entlastet?«
»Nein, die habe ich nicht, und vermutlich wird sich die auch nicht finden. Ich habe die Maske angerührt und letztendlich bin ich verantwortlich, das weiß ich. Ich packe dann meine Sachen.«
»Wie gesagt, es tut mir wirklich leid.«