Schnellfutterbaracke mit einer Stätte des Kulturerbes gleichgesetzt wurde, vernebelte Watson offenbar die Sinne. Sie wollte sich den Riegel im Teigmantel als Spezialität aus Stonehaven von der Europäischen Union schützen lassen, so wie »Parma-Schinken und Champagner geschützte Marken« seien. Du meine Güte. Schon die Erwähnung der drei Produkte in einem Atemzug müsste strafbar sein. Watson ließ von ihrem Ansinnen nur deshalb ab, weil ihr der bürokratische Aufwand zu groß war.
Ihr Vorhaben machte jedoch die Leute von Mars Incorporated hellhörig. Frei nach dem Werbemotto »Mars macht mobil« alarmierten sie ihre Anwälte, die von Watson verlangten, auf ihrer Speisekarte zu vermerken, dass der Missbrauch des Riegels nicht von Mars autorisiert sei. Die Sprecherin des Unternehmens, Evie Kyriakides, sagte, eine solche Behandlung des Schokoriegels widerspreche der Unternehmensphilosophie, wonach man eine »gesunde, aktive Lebensweise« unterstütze. Deshalb habe man vor kurzem den Fettgehalt des Riegels reduziert, was durch das Frittieren im Teigmantel geradewegs zunichte gemacht werde.
Die Mars-Gesundheitsapostel hatten fünf Jahre zuvor versucht, Tierabfälle bei der Produktion zu verwenden – Lab aus Kalbsmägen. Das war offenbar bei der Hundefutterherstellung übrig geblieben: Mars ist Anfang des Jahrtausends mit der Tiernahrungsfirma Pedigree Chum fusioniert worden. Die Pläne für den Schokokalbsmagen brachten dem Unternehmen binnen einer Woche wütende Beschwerden von 6000 Menschen ein, die in ihrem Leib- und Magengericht keinen Tiermagen dulden wollten.
Einen Mars-Fan erkennt man übrigens am klebrigen Kinn, weil sich die Karamellfüllung beim Abbeißen unweigerlich selbständig macht. Warum der Quasimodo unter den Schokoriegeln von der Belfaster Band The Undertones besungen wurde, ist rätselhaft. Einleuchtender ist, dass die Terroristen im Film »Stirb langsam« ständig auf Mars-Riegeln herumkauen. Der unfrittierte Riegel feierte 2012 übrigens auch Geburtstag. Er wurde 80 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch nachträglich.
DAS MARGINALISIERTE EI
Der Osterhase ist ein Idiot. Rechtzeitig zu Ostern kam heraus, dass sich das Eier legende Langohr immer noch nicht an die Verpackungsvorgabe hält. Bei vielen Marken benötigen Kinder einen Werkzeugkasten mit Säge, um durch die stabile Plastikverpackung an das Ei zu gelangen. Und zu recyceln ist das Zeug auch kaum, denn die meisten Bezirksverwaltungen verfügen nicht über die notwendigen Anlagen. Da hilft es auch nicht, wenn die Sainsbury-Kette auf ihrer Hartplastikverschalung lügt, sie sei »vollständig recycelbar«, heißt es in dem »Osterei-Verpackungsbericht von 2012«.
Eigentlich müsste der Osterhase es besser wissen, denn er stammt aus Deutschland, dem Land der Recycelweltmeister. Aber vielleicht hat er ja anderes im Sinn. Häsinnen sind bekannt für ihre Doppelträchtigkeit, das heißt, sie können noch während der Schwangerschaft erneut schwanger werden. Deshalb wurden sie zum Fruchtbarkeitssymbol. Dass man Kindern weismacht, die Hasen legen Eier, hat marktwirtschaftliche Gründe. Weil Katholiken zur Fastenzeit keine Eier essen dürfen, hatten sich zu Ostern stets tonnenweise Eier angesammelt, die man den Kleinen als Geschenk andrehen konnte. Allerdings sind die Zeiten, in denen man Kinder mit ausgeblasenen und bunt angemalten Eiern abspeisen konnte, längst vorbei. Heutzutage müssen es Schokoladeneier sein, je größer, desto besser. Die meisten sind Mogelpackungen. Die gigantischen Eier zu einem gigantischen Preis sind innen hohl.
Von Fruchtbarkeit will der Bischof von Oxford nichts wissen, und von der Verpackung auch nicht. Er hat andere Probleme mit Ostereiern: Keiner will die christlichen Eier, auf denen die Kreuzigungsgeschichte und die Wiederauferstehung dargestellt sind. Der Bischof wittert eine Verschwörung, um »glaubwürdige Produkte mit einer Verbindung zum Christentum« aus den Geschäften zu verbannen. Aber welches Kind will schon ein gekreuzigtes Ei? Sein Kollege, der Bischof von Middleton, glaubt jedoch nicht, dass Kinder Angst vor einem Jesus-Ei hätten. »Die großen Supermarktketten marginalisieren das einzige Ei, das die christliche Gemeinde versorgt«, monierte er. »Von den 80 Millionen Eiern, die Ostern verkauft werden, sind fast alle säkular.« Ist der Osterhase etwa Atheist? Beim Weihnachtsmann vermuten das die Bischöfe schon länger: Nur eine von 200 Weihnachtskarten hat heutzutage ein christliches Motiv.
Bei Tesco stapeln sich die weltlichen Schokoladenostereier bereits seit Wochen auf den Regalen. Nur in der Filiale am Covent Garden nicht, einem Flaggschiff des zweitgrößten Lebensmittelkonzerns der Welt. Die Filiale wurde vom Gesundheitsamt dicht gemacht, weil sie völlig verdreckt und zum Spielplatz von Mäusen geworden war. Ein peinlich großes Schild im Fenster des geschlossenen Geschäfts weist darauf hin, dass der Laden ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstelle.
Vielleicht ist der Osterhase ja doch nicht blöd, sondern hat seine Eier kindersicher verpackt, damit die Mäuse nicht herankommen.
WEIN AUF IRRWEGEN
Die Europäische Union ist eine feine Sache. Sie garantiert den freien Verkehr von Geld, Waren und Personen. Wenn man eine Bank ist, kann man Milliarden transferieren und sogar versenken. Als Unternehmen kann man nach Herzenslust importieren oder exportieren und zahlt für die Profite in Irland nur eine lächerliche Steuer. Und als Ross kann man ungehindert auf die Grüne Insel reisen – entweder als Rennpferd, denn das ist ein Wirtschaftsfaktor, oder als Gehacktes, denn das ist auch ein Wirtschaftsfaktor.
Andere Tiere, ob lebendig oder in Bulettenform, müssen leider draußen bleiben, wenn sie Privatpersonen gehören. Die dürfen ihren Schoßhund nämlich nur nach aufwendiger Impfprozedur nach Irland mitnehmen. Fleischwaren jeglicher Art sind gänzlich verboten, selbst wenn man sie impfen würde, denn Waldi oder Rinderfiletsteak könnten ja Tollwut übertragen.
Die Gefahr besteht bei Wein nicht. Da die irische Regierung bei jedem Haushaltsplan einen weiteren Euro Steuern auf eine Flasche Wein aufschlägt, schaute ich mich in Deutschland nach günstiger Ware um. Ein kleiner Laden feierte sein zehnjähriges Bestehen, und aus diesem Anlass bot er Sonderangebote an. Ein grandioser französischer Landwein für 2,50 Euro? Ich kaufte 18 Flaschen und schickte ein Paket an mich selbst nach Dublin. Dadurch kostete die Flasche zwar 4,50 Euro, aber im Vergleich zu irischen Preisen war das immer noch sehr günstig. Die Silvesterparty schien gesichert.
Dann kam ein Brief vom Zoll mit dem lapidaren Satz, dass die Kiste Wein konfisziert worden sei. Mitte Januar erwischte ich endlich einen Zollbeamten am Telefon. Wein, Zigaretten und Autos dürfen ohne vorherige Anmeldung – und Bezahlung der Steuern, versteht sich – nicht eingeführt werden, schon der Versuch gelte als Betrug, sagte der Beamte streng. Ich wies jeden Verdacht des vorsätzlichen Gesetzesbruchs von mir und redete mit Engelszungen auf ihn ein, bis er die Nase von meinem Gewimmer voll hatte und einwilligte, sich zu erkundigen, ob der Wein nicht schon »vernichtet« worden sei. Er war es nicht. Gegen Zahlung der Alkohol- und Mehrwertsteuer würde er das Paket ausnahmsweise herausrücken und der zuständigen Spedition zurückgeben. Ich zahlte. Das schraubte den Preis pro Flasche auf nicht mehr allzu günstige 8,50 Euro.
Drei Wochen später war der Wein noch immer nicht angekommen. Ich erkundigte mich bei der Spedition, wo man mir erklärte, das Paket sei an mein lokales Depot geschickt worden, aber die Kollegen konnten es nicht zustellen, weil die Adresse fehlte. Woher man denn gewusst habe, welches mein Depot sei, wenn doch die Adresse fehlte, fragte ich die Angestellte, doch sie ignorierte meine Frage. Der Wein sei nun in Birmingham und werde an den Absender zurückgeschickt, sagte sie statt dessen. Ich fragte, wie man denn den Absender ohne Adressaufkleber ermitteln wolle? Ich könne ja mal im Fundbüro in Birmingham nachfragen, antwortete sie und legte auf.
Im nächsten Leben werde ich als Bank geboren. Oder als Rennpferd.
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