Axel Klingenberg

Von der Kunst, ein Schriftsteller zu sein


Скачать книгу

bzw. gekauft. Naja, gekauft natürlich sowieso, bei den Preisen! Adulte Konsumenten sind es aber auch, die sie lesen – es verhält sich dabei ähnlich wie bei der Modelleisenbahn. Vadder schenkt sie seinem Sohn und spielt selber damit: »Du musst jetzt wirklich zu Bett, Jonas-Tim!« »Aber es ist erst halb drei nachmittags!« »Aber du bist doch müde, ODER ETWA NICHT?« Und Mutter schenkt Tochter den Potter und liest ihn selber: »Ja, du kriegst es doch bald, nur noch vierhundert Seiten. Es ist grad so spannend!«

      Veröffentlichen also ... Wie geht das?

      Indem man schreibt.

      Und wie geht das?

      Indem man sich von der Muse küssen lässt oder am besten gleich mit ihr ins Bett geht. Oder vielleicht doch lieber nicht ins Bett, sondern an den Schreibtisch. Dort treibt man es dann. Heftig, wild und hemmungslos. Vesuvartig und eruptiv bricht es dann aus einem heraus, Gedanken werden zu Wörtern, zu Sätzen, zu Absätzen, zu Kapiteln, zu Büchern. Erschöpft sinkt man nach getaner Arbeit zusammen und lässt sich vom Schlaf übermannen.

      Ah, herrlich!

      Aber nicht vergessen: Vorher schön speichern, möglicherweise auch im Postfach des Email-Accounts, sonst gibt es ein böses Erwachen, wenn der Text wieder einmal im digitalen Nirwana des Cyberspace verschwunden ist.

      Gute Nacht!

      WARUM ES EINE FRAGE DER PERSPEKTIVE IST, OB EINE BERUFLICHE VERBINDUNG EINE SEILSCHAFT IST ODER EIN NETZWERK

      »Zunächst ist die Wirksamkeit eines Schriftstellers dadurch bedingt, dass er den Ruf erlangt, man müsse ihn lesen.«

      Arthur Schopenhauer

      Es ist eine allzu schöne Vorstellung, dass man als Schriftsteller an seinem Schreibtisch sitzt, gebeugt über sein im Werden begriffenes Buch. Man schreibt, man korrigiert, man lässt gegenlesen, man korrigiert wieder, man schickt das Skript an den begeisterten Verleger und/oder Lektor, man korrigiert wieder und – schwupps! – schon ist das Buch fertig, wird gedruckt und verkauft.

      Doch ein Buch, das verlegt wird, findet nicht unbedingt gleich massenhaft Käufer. Oft findet es noch nicht einmal den Weg in den Buchhandel. Und wenn es dort nicht an prominenter Stelle liegt, dann ...

      Man könnte nun alle Buchhändler dieser Welt bestechen, es in ihren Schaufenstern und als Stapelware zu platzieren, aber das wird teuer. Dann könnte man die komplette Auflage ja gleich selber kaufen. Was auch schon Autoren gemacht haben – hier kommt wieder Vatis Geld ins Spiel.

      Der andere Weg: Das Kaufinteresse muss geweckt werden. Der Verlag hat z. B. die Möglichkeit, Anzeigen zu schalten. Das kostet auch viel Geld, also rechnet der Verleger hin und her und wieder zurück und schüttelt den Kopf und fragt: »Wie viele Bücher haben wir von dem Autoren XY beim letzten Mal verkauft?«

      »Es ist ein Erstlingswerk, Herr«, antwortet sein Buchhalter-Lakai.

      »Dann kennt ihn also niemand?«

      »Niemand, Herr.«

      Seufzen, Kopfschütteln.

      »Aber ...«, will man da als Schriftsteller einwenden, schließlich steht man schon die ganze Zeit daneben, aber eine Handbewegung des Verlegers lässt einen sogleich verstummen.

      »Ich muss nachdenken«, fährt der Herr Unternehmer fort mit seinem stummen Tun.

      Der Buchhalter-Lakai beugt sich zu ihm herunter und flüstert ihm leise Worte ins Ohr. Zahlen sind zu erahnen.

      Der Verleger seufzt wieder und spricht: »Anzeigen gibt’s nicht. Wir schicken Verlagsvertreter ins Land hinaus, um die Kunde von seinem Erstlingswerk«, er lacht leise, »zu verbreiten. An wen sollen wir Rezensionsexemplare senden?«

      »An Zeitungen? Zeitschriften? Magazine? An Online-Feuilletons?«, fragt man da als naiver Autor zurück.

      Der Verleger lacht wieder, diesmal lauter, der Lakai stimmt mit ein.

      »Nennen Sie mir Namen. Wer wird ein gutes Wort für Sie einlegen?«

      »Ähh«, antwortet man zugegebenermaßen etwas unbestimmt. Und dann, abschließend: »Weiß nicht.«

      »Warum machen wir denn dann ein Buch mit ihm?«, fragt der Verleger, seufzt ... nein, stöhnt und wendet sich an den Öffentlichkeitsarbeiter-Lakai: »Was können wir da machen?«

      »Wir könnten ihn in eine Talkshow stecken. Oder in eine Late-Night-Show. Oder in eine Comedy-Sendung ...«

      »Keine Comedy!«, schreit da der Autor laut auf.

      »Dann Late-Night oder Prime-Time«, verkündet der Verleger. »Ist das Buch lustig?«

      »Leidlich, leidlich«, sagt der Programm-Lakai.

      »Dann vielleicht doch Comedy.« Der Verleger überlegt. Er ist ein Überleger.

      »Keine Comedy!«, schreit der Autor wieder. »Bitte keine Comedy!«

      »Was schreit er da?« Der Verleger hört auf zu überlegen und schaut den Schriftsteller fragend an. Dann bestimmt er: »Wascht ihm die Haare, zieht ihm was Ordentliches an und dann ab mit ihm ins Fernsehen.«

      Und wenn man dann Glück hat, kommt man tatsächlich ins Fernsehen. Dort talked man, liest was vor und hält das Buch in die Kamera. Und ein gelungener Auftritt bei »TV total« kann tatsächlich dazu beitragen, ein Werk in die Bestsellerlisten zu katapultieren. Es erklärt, warum es manchmal auch zweitklassige Werke in die Charts schaffen.

      Wenn man jedoch wirklich keine Freunde hat, die in Redaktionen sitzen oder Bücher besprechen, die sich also für einen einsetzen und dafür sorgen, dass alle Fleischer, Soldaten, Fahrlehrer, Bademeister und Bäckereifachverkäuferinnen der Meinung sind, sie müssten es lesen, besitzen, kaufen, verschenken, bleibt es wie Blei in den Regalen liegen. Und das ist doch wirklich schade um das so hübsch bedruckte Papier.

      Merke: Im Krieg, in der Liebe und im Literaturbetrieb ist alles erlaubt.

      WARUM SCHREIBEN ARBEIT IST

      »Kann man das Werden eines schlechten Buches vergeben, / Dann nur den Ärmsten, welche schreiben, um zu leben.«

      Molière

      Wie ich vielleicht schon erwähnt habe, ist ein Autor nicht immer nur Autor, sondern hat auch noch andere Verpflichtungen. Er (oder sie – die deutsche Grammatik ist schuld daran, dass die weiblichen Kolleginnen hier ein wenig zu kurz zu kommen scheinen) hat Familie und oft auch noch einen Brotberuf. Vielleicht hätte ich auch tatsächlich auf meine Frau Mutter hören sollen, die mir damals riet, meinen Arbeitsplatz beim Fernmeldeamt (so hieß das damals – heutzutage klingt diese Bezeichnung fast sozialistisch) nicht aufzugeben und doch noch Beamter zu werden.

      Heutzutage bin ich Freiberufler. Frei von einem Beruf also, jedenfalls von einem mit einer klaren Definition. Manchmal auch frei von einem Verdienst, jedenfalls von einem nennenswerten. Ich bezeichne mich deshalb gerne als Literaturdienstleister.

      Ich schreibe (für Zeitungen, für Magazine, für die Schublade), lese vor (in Kneipen, Kulturzentren und Schulen), lektoriere die Texte anderer Leute (eine anstrengende Tätigkeit, die schon alleine deshalb schwierig ist, weil viele Autoren so an ihren Texten hängen, dass sie sich nicht überwinden können, diese großzügig zu überarbeiten – obwohl sie es eigentlich dringend tun müssten) und lehre das Schreiben. Erzieher, Autor, Lektor, Dozent und Vortragskünstler – ganz schön viel für eine Person. Aber das ist die Regel und nicht die Ausnahme.

      Die meisten (um ehrlich zu sein: fast alle) Schriftsteller gehen eben auch noch anderen Tätigkeiten nach. Und diese müssen nicht unbedingt etwas mit dem eigentlichen Beruf zu tun haben. In den letzten Jahren habe ich u. a. für ein Verkehrsforschungsinstitut gearbeitet und ökologisch angebaute Lebensmittel ausgefahren. Andere Kollegen arbeiten als Taxifahrer, Buchhändler, Kellner, Werbetexter (das geht ja schon fast – aber nur fast – in die angestrebte Richtung), Veranstalter, Herausgeber, Autoren von Festschriften und Sonntagsreden, Lektoren von Diplomarbeiten, DJs, Grafikdesigner, Reinigungsfachkräfte, Bauarbeiter, Erntehelfer,