Ana Contrera

Das Eisenbett


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      »Ihr seid dran. Mitkommen!«

      Der lange Flur führte zu einer Treppe im Hinterhaus. Pedro wunderte sich, dass es außer dem Carabinero keine weiteren Wachsoldaten zur Begleitung gab. Dem unsportlichen Typen würde er im Ernstfall glatt davonrennen. Aber vielleicht war die Verhaftung in der Universität ja auch ein Irrtum gewesen. In dem politischen Durcheinander nach dem Putsch passierte derartiges alle paar Tage. Meist wurden die Betroffenen dann schnell wieder freigelassen.

      Durch das Treppenhausfenster sah Pedro hinunter auf den Innenhof. Er begriff, dass ein Fluchtversuch spätestens dort zu Ende gewesen wäre. Im Untergeschoss übergab der Carabinero die vier Verdächtigen an einen Offizier. Er händigte ihm auch den braunen Schnellhefter aus. Der Offizier übernahm das Kommando.

      »Aufstellen vor der Wand, Gesicht zu mir, Hände in den Nacken!«

      Er studierte einige Sekunden die Unterlagen.

      »Arturo Mendez?«

      »Ja?«

      »Es heißt ›Hier, mi Teniente‹. Klar?«

      »Klar, mi Teniente.«

      »Du bist zuerst dran. Stell dich hier vorn hin!«

      »Pedro Dosetto?«

      »Hier, mi Teniente.«

      »An zweiter Stelle!«

      »Ruben Calvo?«

      »Hier, mi Teniente.«

      »Du bist der letzte.«

      Nachdem sich die Männer in der geforderten Reihenfolge aufgestellt hatten, verschränkte der Offizier die Arme auf dem Rücken.

      »Tja, ihr Böcke. Euch ist hoffentlich klar, dass ihr tief in der Jauche steckt!« Der Offizier schaute die Verdächtigen mit ernster Miene an und machte eine wohlberechnete Pause. »Ich erzähle euch jetzt, was ihr tun müsst, um da wieder ’rauszukommen. Garantieren kann ich nichts, die Entscheidung liegt beim Kommissar. Aber soviel ist klar: Wer sich nicht an die Spielregeln hält, der bleibt länger hier … Also: Zum Verhör zieht ihr jetzt die Schuhe aus, Hosen, Hemd, Strümpfe, Unterwäsche, alles. Die Sachen ordentlich auf einen Stapel legen, zwischen euch und die Wand. Dann umdrehen, Gesicht zur Wand, Hände in den Nacken.«

      Die Männer murrten lautstark. Der Offizier blockte ab.

      »Maul halten und ausziehen! Na los, los, ihr Böcke! Ja, ganz blank! Schüchtern könnt ihr bei euren Frauen sein, hier gibt es nichts zu verbergen.«

      Während die Männer widerwillig begannen, sich auszuziehen, erklärte der Offizier weiter:

      »Wann ihr hier wieder rauskommt, entscheidet allein der Kommissar. Er wird euch da drin gleich einzeln verhören. Vielleicht setzt er euch heute abend schon wieder auf freien Fuß. Oder ihr bleibt noch Tage hier in Untersuchungshaft. Oder bis ihr vermodert seid. Also benehmt euch, spielt nicht die Helden und sagt die Wahrheit! Verstanden?«

      Die Tür vom Verhörzimmer ging auf. Der Kommissar schaute persönlich heraus. Er schien gereizt.

      »Teniente, warum sind die nicht fertig? Wir können wieder nicht weitermachen, weil Sie hier rumtrödeln!«

      »Si, mi comisario!« salutierte der Offizier und beeilte sich, den ersten Gefangene in den Raum zu beordern.

      Als die Tür zu war, zischte der Offizier:

      »Mierda! Ihr habt’s gesehen. Der Kommissar hat schlechte Laune. Sieht nicht gut aus für euch Böcke. Ich hab’s gesagt: Ihr steckt in der Jauche.«

      Er schüttelte den Kopf, setzte sich auf einen Stuhl neben die Tür und zündete sich eine Zigarette an. Die Standpauke vom Kommissar ärgerte ihn. Was konnte er dafür, dass der Carabinero die Männer nicht eher gebracht hatte? Missmutig ließ er eine Ermahnung vom Stapel, weil der Mann neben Pedro die müden Arme sinken ließ.

      Pedro wurde bewusst, dass er sich zum ersten Mal tatsächlich in den Händen der Sicherheitskräfte befand. Bisher hatte er den Gegner nur aus der Ferne gesehen. Auf den öffentlichen Straßen und Plätzen war er stets einer von vielen Studenten gewesen. Sie demonstrierten, verteilten Flugblätter, warfen gelegentlich Steine. Manchmal, wenn sie sich überlegen fühlten, stürmten sie eine Straßensperre und freuten sich, wenn die Sicherheitskräfte die Flucht ergriffen.

      Durch die geschlossene Tür hörte er ein paar Mal den Kommissars brüllen. Pedro ahnte Böses. Als ein Wachposten ihn dann hereinholte, schlug sein Herz bis zum Hals. Pedro bedeckte seine Blöße notdürftig mit den Händen. Der Verhörraum war klein und dunkel. In der Mitte stand ein Schreibtisch. Davor ein Stuhl mit Handschellen an der Rückenlehne. Auf dem Tisch stand eine der typischen Kommissariats-Schreibtischlampen. Ihr Licht beleuchtete den Stuhl.

      Hinten, im Halbdunkel des Raumes saßen der Kommissar und drei weitere Personen. Ein Wachposten zog die Tür zu.

      Der Kommissar blickte Pedro an, zeigte auf den Stuhl.

      »Setz dich da hin! Arme hinter die Lehne!« Seine Stimme klang bestimmt, aber nicht aggressiv. Er öffnete die Akte, entnahm ein Blatt und schob es dem Carabinero neben sich zu.

      »Name?« fragte er.

      »Dosetto.«

      Der Kommissar nickte. Der Mann mit dem Blatt trug die Antworten ein.

      »Vorname?«

      »Pedro Alfredo.«

      »Beruf?«

      »Student.«

      »Wo?«

      »Universidad de Chile.« Pedro bemühte sich, möglichst nicht provozierend zu wirken.

      »Namen der anderen beiden Studentinnen?«

      Hinter Pedro öffnete sich kurz die Tür. Eine Frau betrat den Raum und setzte sich ganz außen zu den anderen Offizieren an den Tisch. Sie trug Carabinera-Uniform und hatte braune Haare mit kurzem Pferdeschwanz. Pedro presste überrascht die nackten Oberschenkel zusammen.

      Der Kommissar rief ihn zur Aufmerksamkeit:

      »Hast du nicht gehört?« Er trommelte mit einem Stift auf die Tischplatte.

      Pedro konzentrierte sich wieder auf das Verhör. Lügen machte jetzt keinen Sinn, Lucía und Liliana waren reguläre Studenten. Daran war nichts Illegales.

      »Lucía Iriarte und Liliana Pelemontes.«

      Der Kommisar bohrte weiter.

      »Ihr wart bei der Aktion vor zwei Wochen in Flor de Caballito dabei, stimmt’s ?«

      »Ich bin nicht in der Militancia, und soweit ich weiß, die Studentinnen auch nicht.«

      »Du lügst! Du bist ein Terroristenschwein!« brüllte der Kommissar genervt und sprang auf. »Also, raus mit der Wahrheit!«

      Pedro ließ sich seine Furcht nicht anmerken. Er fragte sich, ob der Kommissar bluffte oder ob die Carabineros wirklich mehr über ihn wussten

      »Na los, rede!« Der Kommissar stand seitlich hinter ihm.

      »Was wollen Sie, dass ich sage?« Er klang selbstsicher, aber seine Hände zitterten.

      »Wie ihr die Sache in Flor de Caballito organisiert habt, wer dabei war, wer den Auftrag dazu gegeben hat, die ganze Geschichte!«

      »Ich bin nicht in der Militancia.«

      »Er lügt«, sagte die Frau mit dem Pferdeschwanz trocken.

      »Es ist die Wahrheit!« beharrte Pedro stur.

      »Wer ist Victor?« fragte die Carabinera mit geheimnisvollem Lächeln.

      »Welcher Victor?«

      »Victor Ramirez Tello!«

      Pedros letzte Reste innerer Sicherheit verflogen augenblicklich. Er kannte diesen Victor. Der hatte Verbindungen zu einem Zeitungsverlag und besorgte Papier, wenn Flugblätter gedruckt werden sollten. In Flor de