Dieses Foto reichte Götz Alsmann als Frontmann der »Heupferd Jug Band« selbst beim Vorgänger der Ultimo als Pressefoto ein. Wenn er geahnt hätte, wo es mal wieder auftaucht.
Doch wo viel Erfolg ist, gibt es auch viele Neider: »Die Beteiligten haben die Sache selbst kaputtgemacht. Die großen und kleinen Szene-Könige meinten, sie könnten alles viel besser und billiger. Die hatten Angst, dass ich zu mächtig würde. So ein Quatsch, ich war die Klagemauer für alle. Aber dann fingen einzelne an, dem Verband durch eigene Disco-Postillen und -Messen Konkurrenz zu machen. Es setzte ein intrigantes Gemauschel ein, und die ganze Geschichte zerfiel.« Groneck bilanziert: »Der Niedergang des Vereins hat mich gut eine Million gekostet. Aber was soll’s ...« Groneck importiert heute Tonöfen für den Terrassengebrauch aus Mexiko.
(Erschienen 2001)
Anmerkung:
Dieses Interview war zweifellos eines der spannendsten – ich hätte mir noch ewig weiter Anekdoten aus der Discozeit anhören können, vor denen Groneck nur so übersprudelte. Und erst sein Fotoalbum aus den 60ern und 70ern! Unfassbar, dass Schmiegen wie Dieter Thomas Heck oder Typen mit Frisuren, wie sie heute höchstens noch Profifußballer tragen, jemals Popstars werden konnten! Gut finde ich auch die Vorstellung, wie Groneck zu seinem nervigen Untermieter Udo Lindenberg sagt: Weißt du was, Junge? Du gehst mir auf’n Keks! Spiel woanders mit deiner Kapelle.
Bitte bring me a Nazi!
Volkssturm-Opas & weiße Fahnen: Das Kriegsende im Münsterland.
Dieses Jahr steht im Zeichen des Gedenkens an 60 Jahre Kriegsende (auch wenn manche »Kameradschaften« immer noch nicht mitgekriegt haben, dass der Krieg aus ist). 1945 um diese Zeit war es mit dem »Endsieg« endgültig Essig. Im Münsterland war der II. Weltkrieg schon Ostern zu Ende.
Um das Münsterland zu erobern, hatte die britische Armee unter Feldmarschall Montgomery am Niederrhein Unmengen Panzer und Soldaten zusammengezogen. Der Grund: Die Tommys fürchteten den »Westfalenwall«, über den die deutsche Propaganda berichtet hatte. Darunter stellten sie sich eine Art zweiten Atlantikwall vor, mit Bunkern, Panzersperren undundund.
Den Westfalenwall gab es wirklich, aber er sah etwas anders aus: Im Herbst ’44 hatte Münsters Gauleiter Meyer an Hitler gefunkt: »Mein Führer, tausende von Volksgenossen stehen bereit, um einen Westfalenwall zu errichten. Bitte um Vollmacht.« Die Vollmacht kam. Von Haltern bis Hopsten wurden die Bauern mit Spaten ausgerüstet. Das Ergebnis war eine dünne, unzusammenhängende Linie von Erdlöchern, die bei jedem Regen einstürzten und neu geschaufelt werden mussten.
Die englischen Panzer hielt das nicht weiter auf. Ihren Vormarsch stoppte etwas anderes: Die 3. Division rasselte bei Bocholt versehentlich in eine Kornbrennerei, was sie den ganzen Vormittag kostete. Bei der Weiterfahrt fädelten sich Kolonnen der zurückflutenden deutschen Wehrmacht in die lustige Truppe ein, ohne aufzufallen.
Es gibt Leute, die sogar jetzt noch ans Geld denken: Der Kassierer der Bocholter Sparkasse kommt beim Angriff der Engländer ums Leben. Einem fällt ein: »Der trug doch immer den Schlüssel zum Tresor um den Hals!« Ein anderer hat zufällig gesehen, wo der Kassierer verscharrt worden ist. Sie graben die Leiche aus und finden den Schlüssel. Eine halbe Million Reichsmark kommen unters Volk. Die Mühe hätten sie sich sparen können: die Reichsmark wurde in den letzten Tagen um das Siebenhundertfache abgewertet.
Nächster Stopp Montgomerys: Buldern. Hier hatten sich die Volkssturmopas soviel Mut angetrunken, dass die Engländer Stunden brauchten, um sie herauszuschießen.
In der Stadtchronik heißt es: »Die Parteiführer treibt die Verzweiflung zum Alkohol. In betrunkenem Zustand geben sie Befehle, die nicht durchzuführen oder völliger Wahnsinn sind.« Machte aber nichts, denn die Bauern spendierten den deutschen Soldaten soviel Korn, dass der Kommandeur des Regiments Großdeutschland freiwillig aufgab und erklärte: »Mit diesem Sauhaufen von Blaumännern wackelt die Front von selbst!«
In Billerbeck wackelt die Front noch nicht. Aber die Leute haben allen Grund, die Engländer bloß nicht aufzuregen: Im Oerschen Wald zwischen Billerbeck und Darfeld steht eine Abschussrampe für V2-Raketen, von denen über zweitausend in London und Antwerpen eingeschlagen haben. Das könnten die Tommys womöglich persönlich übel nehmen.
In der Dorfkneipe ist Kriegsrat. »Wer von uns spricht englisch?« Alle zeigen auf Jupp Horstmöller. Er ist der Wirt. »Also, Du fährst jetzt auf deinem Fahrrad den Engländern entgegen und sagst denen, dass wir kapitulieren, sonst schießen die uns zusammen.« Es ist ernst: Ahaus, Dülmen und Stadtlohn wurden schon zusammengeschossen.
Horstmöller sagt: »Jau, det mok i wohl«. Es geht ein bisschen schwierig, weil er nur noch einen Arm hat. Also setzen ihn die anderen aufs Rad, binden ihm eine weiße Serviette an den Lenker zum Zeichen, dass er nicht in kriegerischer Absicht kommt, und schieben ihn aus dem Ort.
An der Bundesstraße nach Borken trifft er auf Montgomerys Panzerarmee. Er ruft: »No shooting! We give up!« Die Luke des ersten Panzers geht auf. »First white Flag!«, sagt der Tommy. Horstmöller soll zurückradeln. Wenn in einer Stunde keine weiße Fahne am Kirchturm zu sehen ist, greifen tausend Panzer Billerbeck an.
Die Billerbecker rennen mit einer Tischdecke den Glockenstuhl hoch. Die Panzer rollen vorsichtig auf den Ort zu. 300 Meter links liegt gut getarnt die V2-Abschussbasis. Jedem Engländer ist zuhause eingehämmert worden, so ein Ding zu erkennen. Sie rollen vorbei.
Am Ortseingang steht Horstmöller. Der erste Panzer stoppt, die Luke geht wieder auf: »All right?« »Jau«, sagt Horstmöller. »Okay, you go ahead!« Die Luke geht zu, der Panzer fährt an und Horstmöller marschiert an der Spitze der englischen Armee in Billerbeck ein.
Obwohl der Tag für ihn aufregend genug war, hat er noch nicht Feierabend. Zwei Stunden später wird er aus seiner Kneipe geholt: Mitkommen, zur Schule! »Hier wir machen provisorische Rathaus«, erklärt der Officer. »Wat geiht mi dat an?«, fragt Horstmöller. »You are Bürgermeister now!«, befiehlt der Officer. Basta!
So glimpflich geht es nicht überall ab. Manch fanatischer Truppenführer hält sich an Hitlers Befehl Nr. 898/45: »Wer in Gefangenschaft gerät ohne verwundet zu sein, hat sein Leben verwirkt. Seine Angehörigen haften für ihn.« Zum Schrecken der Bevölkerung taucht in Buldern eine Kampfgruppe aus Jugendlichen unter einem Kommandanten Faustmann auf. Der befiehlt: »Buldern wird verteidigt bis zum Letzten!« Als die Engländer kommen, hageln ihnen Gewehrpatronen entgegen. Die 6. Tank-Brigade schießt Buldern fünf Stunden lang zusammen. Die Jugendlichen fallen restlos. Die Bevölkerung wird aus den Kellern gezerrt, darunter drei Eisenbahner in schwarzen Uniformen, die kein Englisch sprechen. »SS!«, entscheiden die Engländer und erschießen die verzweifelt Gestikulierenden.
In Greven wollen die Bürger nicht mehr für »Führer, Volk und Vaterland in Ehren fallen«, sondern einfach nur überleben. Deshalb hissen auch sie vor den herankommenden Engländern die weiße Fahne vom Kirchturm. Plötzlich erscheint eine übrig gebliebene SS-Einheit im Ort, reißt die weiße Fahne herunter und hängt stattdessen eine riesige Hakenkreuzfahne auf. Eine Katastrophe, denn wo die Tommys Widerstand fürchten, pflegen sie den ganzen Ort in Trümmer zu legen. Drei mutige Grevener stürmen den Kirchturm und holen die Nazifahne wieder ein. Am Turmausgang werden sie von der SS gestellt. Vor den Garben der Maschinenpistolen können sie sich gerade noch mit einem Sprung über die Friedhofsmauer retten. Plötzlich andere Schüsse, dann Ruhe – die Engländer sind da.
In Münster ist der Krieg noch nicht vorbei. Bei Schloss Wilkinghege haben sich Abiturienten auf Befehl ihres Hauptmanns Phillippsburg eingegraben und sollen mit ein paar Gewehren die britischen Panzer aufhalten. Die Panzer kommen von Nienberge und rollen an den Jungs vorbei. Der Hauptmann befiehlt: Schießt! Die Panzer schwenken um und die Schüler sterben, damit die Parteibonzen in Münster eine halbe Stunde Zeit gewinnen, um noch belastende Akten zu vernichten.
Stunde Null in Münster. Was Montgomerys Panzer nicht geschafft hatten, erledigten später deutsche Nachkriegsarchitekten