auch die alten Zeitungsartikel. Die Vorstellung eines westfälischen Freistaates erscheint paradiesisch: Vielleicht hätten wir heute keinen Euro und wären nicht mal in der EU ... hach, man wird ja wohl noch träumen dürfen ...
Geisterstunde.
Gespenster, Spuk & fauler Zauber – Gruselgeschichten aus dem Münsterland.
Wir leben im Informationszeitalter; und Information ist an sich das Gegenteil von Aberglaube (auch wenn »Verbraucherinformation« oft was Gruseliges ist ...). Glauben heißt schließlich nicht wissen. Trotzdem geistern etliche Gespenster durch unsere moderne Medienwelt: Das »Gespenst des Krieges«, das »Gespenst der Arbeitslosigkeit« oder »das Gespenst der Globalisierung«. Auch die »Geister der Vergangenheit« werden von Zeitungen beschworen, etwa »das Gespenst des Kommunismus«. Die aufgeklärte FAZ nannte das Internet sogar »ein Geisterreich«. Mit diesem modernen Gespenster-Phänomen befasst sich die Literaturforscherin Frau Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf, die im vergangenen Jahr sogar einen Kongress zum Thema Mediengespenster in Münster organisierte. Ihre These: »Wir sprechen immer dann von Gespenstern, wenn große, problematische, schwer erklärbare Phänomene zu beschreiben sind; wenn sich komplexe, abstrakte Zusammenhänge nicht klar darstellen.« Schattenhafte Erscheinungen spuken durch den Blätterwald: Laut Prof. Dr. Wagner-Egelhaaf sind selbst Fakten, Fakten, Fakten manchmal nur Schauermärchen: »Fakten entstehen nicht nur durch reale Vorkommnisse, sondern weil alle Welt von etwas redet, weil etwas herbeigeredet wird.« Während also heute die Gespenster hauptsächlich in den Köpfen spuken – etwa wenn die Medien unablässig das Gespenst der Konjunkturkrise beschwören und herbeizitieren – ging es in früheren Zeiten wesentlich handfester zu.
Wer alte Quellen studiert, dem fährt der Schrecken in die Glieder: das Münsterland ist randvoll mit Spuk und unheimlicher Zauberei! Schon die gute alte Annette wusste ja: »Schaurig ist’s, übers Moor zu gehen!« Und das aus gutem Grund: Im Venner Moor, in der Wiedau zwischen Steinfurt und Borghorst sowie im Naherholungsgebiet Davert tummeln sich untote Unholde in Massen, etwa der Ritter Meinhövel. Der hatte nämlich selbst an hohen katholischen Feiertagen das Saufen nicht seingelassen und muss deshalb bis zum Sanktnimmerleinstag durch das Münsterland randalieren. Sein Kollege, Ritter Dietrich von Schönebeck, erschreckt bis heute Badende am KaÜ, wenn er durch die Emswälder spukt. Er soll 1284 seinen Burgkaplan erstochen haben, weil dieser sonntags die Messe nicht ausfallen lassen wollte, damit Schönebeck am Wochenende seinem Jäger-Hobby nachgehen konnte. Dafür gab’s zusätzlich zum weltlichen Strafmaß auch noch »ewiges ruheloses Umherirren.«
Wem in der Davert eine schwarze Kutsche mit vier schwarzen Pferden im Höllentempo die Vorfahrt nimmt, kann sich sicher sein, dass darin der verfluchte Renteimeister Schenkewald von Schloß Nordkirchen durch die Heide rast ... Die meisten Untoten wurden übrigens wegen relativ kleiner Geschäftsbetrügereien (Schneider mit zu kurzen Ellenmaßen, Händler mit zu leichten Gewichten etc.) zur ewigen Verdammnis und Wiedergängerei verflucht. Wenn das heute z. B. bei Handwerkern, Autowerkstätten oder der Deutschen Bahn auch noch gilt, müssen die Untoten im Venner Moor aber ganz schön zusammenrücken!
In den Baumbergen bei Schapdetten trifft man (bei Vollmond) evtl. auf zwei Mörderseelen, die dort um 1700 wegen folgenden Verbrechens hingerichtet wurden: In dem Lokal »Adams Hoek« beobachteten sie ein altes Mütterlein, das beim Bezahlen auffällig lange in ihrem Geldbeutel kramte und murmelte: »Tausend, tausend, aber keinen einzigen Pfennig.« Um die vermuteten tausend Taler zu erbeuten, folgten sie der alten Dame durch die Baumberge und schlugen sie in der Nähe von Tilbeck tot. In dem Geldbeutel fanden sie tausend – Nägel! In der Hohen Ward bei Hiltrup kann man – gerade jetzt zu Ostern – mehr Glück haben, als diese beiden groben Gesellen: Dort liegt nämlich laut Legende der riesige Goldschatz eines Sachsenkönigs in der Erde versteckt (B54 Richtung Süden, hinterm Kanal links. In der Nähe der Parkplätze liegt beim alten Zollhaus ein Platz, der von mehreren Hügeln umgeben ist – da liegt der Schatz). Immer am Karfreitag (aber nur in mondloser Nacht!) will der tote König aus seinem Grab heraus und macht dabei oft stundenlang Lärm. Die Anwohner der Bauernschaft bestätigen, dass man in manchen Nächten Geschrei, Gejammer und Gehämmer hört. (Ob der König dann raus, oder ein betrunkener Schatzsucher herein will ist allerdings ungewiss ...).
Ob man’s glaubt oder nicht: selbst der heilige Ludgerus, der die wotansgläubigen Münsteraner missionierte, hat nach seinem Tod anno 809 herumgespukt: Nachdem er in Billerbeck gestorben war, wurde er in Münster beerdigt. So gut scheint es ihm aber hier gar nicht gefallen zu haben: Laut Legende hat er seinen Sarg selbst wieder ausgebuddelt und gerufen: »Hier will ich nicht begraben sein!« (Das hat wohl schon so mancher über Münster gesagt ...). In Verden gab er schließlich Ruhe und blieb liegen. Bei all diesen Spukgeschichten ist es keine Hexerei, dass der Gespensterglauben in Westfalen tief verwurzelt ist: Als Anfang der 90er Jahre am Guten Hirten eine Neubausiedlung entstand, sträubten sich die Anwohner mit Klauen und Zähnen gegen die Absicht der Stadtverwaltung, eine Ringstraße nach dem letzten Opfer des Hexenwahns in Münster zu benennen. Man wolle auf keinen Fall, so die Kläger, »in einer Straße wohnen, die nach einer Hexe benannt ist!« Obwohl die Stadt den Straßennamen trotz des Widerstandes durchsetzte, ist bis heute kein Fall bekannt, in dem bei den Anwohnern plötzlich die Milch sauer wurde, das Vieh verendete oder die Kinder gestorben sind.
Etwas außerhalb von Münster ist man dem Unwesen von Geistern dagegen auf die Spur gekommen! Vor einiger Zeit bot ein »Schamane« den Mietern eines Spätbarock-Herrensitzes am Rand der Baumberge seinen Service als Geisterjäger an. Der Mann aus der Mongolei stellte sich als kompetenter Partner in Geisterjagd seit drei Generationen vor. Er befand sich auf einer »Tournee« durch Deutschland und wurde von einer deutschen »Agentin« betreut, über die man die Dienste buchen konnte. Der Schamane nahm zunächst das ganze Schloss professionell in Augenschein. Dabei erklärte er (als Tipp für Do-It-Yourself-Geisterjäger), dass es wichtig ist, von oben nach unten vorzugehen, denn das Ziel ist es, die Geister in den Boden zu treiben. Hierbei wurde der Schamane an verschiedenen Stellen fündig, z. B. entdeckte er in einem Sanitärraum (für nicht-professionelle Menschen unsichtbar) eine schwarzgekleidete, kauernde Gestalt. Nach der Expertise konnten die Mieter der betroffenen Wohnungen sich dazu entschließen, den Auftrag zur gründlichen Beseitigung der ungebetenen Mitbewohner zu erteilen – für einen angemessenen Meister-Stundenlohn. Dazu zog der Schamane zunächst seine »Arbeitskleidung« an: ein farbenprächtiges Gewand mit vielen Glöckchen und Schellen. Dann zwang er die ätherischen Untermieter durch eine wüste Radau-Zeremonie mit Gesang, Tanz und Musik zur Räumung. Die Aktion war in der Mietergemeinschaft nicht unumstritten: Einige meinten, in einem so alten Gebäude sei es plausibel, dass die Materie (sprich Mauern) auf Dauer Informationen (»Geister«) speichere und von Zeit zu Zeit »gereinigt« werden müsse. Die Skeptiker hielten den Schamanen dagegen für einen parasitären Scharlatan. Immerhin sorgte es für einen gewissen Schauer, als sich herausstellte, dass das WC mit der »knieenden schwarzen Frau« in früheren Zeiten die Schloss-Kapelle war ... »Seltsam, aber so steht es geschrieben.« (Bastei-Gespenster-Comics)
(Erschienen 2003)
Anmerkung:
Wozu ein Lexikon des Aberglaubens vom Flohmarkt doch noch verwertet werden kann ... am besten finde ich die Geschichte mit der Geisterkutsche, die durch die Davert kurvt. Ich stelle sie mir in etwa so vor, wie die Kutsche im Film »Nosferatu« von 1927 oder die Wagen der Geisterbahn auf dem Send. Der Garantieschein des Geisterjägers für das Schloss Stapel ist inzwischen abgelaufen und müsste dringend mal erneuert werden.
Ganz Abergläubische sind übrigens überzeugt, dass Münster auf keinen grünen Zweig mehr kommt, seit man aus dem heidnischen Opfergrab am Domplatz das Pferdeskelett entfernt und ins Museum gebracht hat.
Tot am Emsstrand.
Auf Lauheide der Bronzezeit.
Warendorf ist heute ja nun nicht gerade eine pulsierende Metropole. Aber früher war hier richtig was los! Damit meinen wir nicht die 80er oder 70er Jahre, sondern die Bronzezeit. Vor etwa 3.000 Jahren war Warendorf total hip. Jahrtausende vor Christus war das Emsgebiet ein Verkehrszentrum – und Boomtown Warendorf mittendrin!
Davon