meine Heimat Hamburg liefert. Der Staat zerstört die Heimat meiner Familie. Gerade als Sympathisant der Sozialdemokratie fühle ich mich bitter enttäuscht.« Und das, Hand auf die Metapher des Staates der Sozialdemokratie, der ohne Identität Harks Familie zur Ungenießbarkeit des Lebens ausliefert, »treibt uns Künstler auf die Barrikaden«.
Weshalb sich Hark (63, Film) von Thomas und seiner verlogenen Sozialdemokratie (sie »verhöhnt den Rechtsstaat«) ab-, dem Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (62, CDU) zuwandte und einen wirtschaftspolitischen Überfliegerkatalog aufstellte, der u. a. konzis forderte, nur klitzekleine und moderat-mittlere Airbusse zu produzieren und dies zu tun: »Rückführung des Mühlenberger Lochs in ein Naturschutzgebiet. Nutzung des ins Mühlenberger Loch geschütteten Sandes für den Bau eines Olympiastadions an anderer Stelle.«
Was lehrt uns all das? Der deutsche Intellektuelle ist auf dem Vormarsch und zur Stelle, regional und global – als organischer Intellektueller, wie ihn Gramsci verstand, als in die Produktion eingreifender und für Gerechtigkeit sorgender Aufmischer, Rumtreiber und Freund des Volkes.
Das ist ein Fortschritt.
Mission Moneten
Es ist ein Kreuz mit der christlichen Kirche. Ihre Vertreter, gleich ob protestantischer oder katholischer Konfession, können mahnen und predigen, wie sie wollen, die Schäfchen laufen weg oder bleiben der allein selig machenden Institution auf Erden von vornherein fern. Seit Jahren steigt die Zahl der Kirchenaustritte, und der Saulus-Paulus-Moment einer Umkehr dieses Trends steht in den Sternen.
Folglich bemüht man sich, neue, handfest diesseitige Möglichkeiten zu erschließen, um Kundschaft zu werben. Kirchentage mögen zwar Versuche sein, die Gemeinde zusammenzuhalten und die Anhängerschaft des Gottesglaubens zu mehren, doch als monumentale Propagandaveranstaltungen dienen sie wohl lediglich dem Zweck, die gesellschaftliche Schrumpfexistenz der Kirche zu verschleiern. Also sind Maßnahmen vonnöten, mit denen jenseits ritueller Versammlungen jene erreicht werden, denen die Lehre Jesu und die Heilige Schrift nicht am Herzen liegen.
Wenn Kirche und Religion keinen festen Sitz mehr im Alltag haben, dann könnten sie ihn im Urlaub (wieder-)finden, mutmaßen einige fortschrittlich gesinnte klerikale Kräfte, und seitens der Tourismusbranche erhalten sie nun Unterstützung. Zumindest wird inzwischen verstärkt über die touristischen Vermarktungspotentiale von Kirchen und Klöstern sinniert, und so war es an der Zeit, daß in der Lutherstadt Wittenberg eine Fachtagung stattfand, die das Deutsche Seminar für Tourismus Berlin (DSFT), die zentrale Weiterbildungseinrichtung der Tourismuswirtschaft, unter dem rhetorischen Titel »Religion, Kirchen und Klöster ›vermarkten‹?« anberaumt hatte.
»Wir wollen Thesen anschlagen!« klopfte DSFT-Seminarleiter Harald Hensel unweit der Schloßkirche, an deren Portal Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine weltumwälzenden 95 Thesen geklebt hatte, die Marschrichtung fest und formulierte diverse ehrenwert hehre Ziele. Der »Dialog zwischen Kirche und Tourismus« solle befruchtet und die Kirche nicht länger »als musealer Raum« betrachtet werden – sondern als ökonomisches, erlebnisideologisches und praktisch-theologisches Feld, das es touristisch zu beackern gelte. Ja, die Frage, »ob und wie sich christlich-religiöse Einrichtungen oder Veranstaltungen zur kulturellen Positionierung sowie zur Vermarktung einer Region eignen und wie die Kooperation von Kirche und Tourismuswirtschaft gefördert werden kann«, das sei »ein spannendes Thema«, ein »Spannungsfeld« tue sich da auf, auf dem »viele Wege denkbar« seien.
Gangbar sind bereits heute etliche Wege, nach Rom und anderswohin. Christen z. B. scheinen kein schlechtes Gewissen beim und keine Scheu vor dem exzessiven Reisen zu hegen. Eine aktuelle DSFT-Erhebung kommt zum dem Ergebnis, daß Ausflüge und Wallfahrten, die Kirchengemeinden absolvieren, einen »Umsatz von zirka 500 Mio. Euro pro Jahr bewirken«. Die modernen Betreisen Richtung Ewiger Stadt, Fatima oder Santiago de Compostela indes genügen nicht. Die Tourismusbranche sucht neue Profitquellen und nennt Gotteshäuser und Klöster schmeichelnd »Highlights im Kultur- und Städtetourismus«, und publicity- und geldhörige Gottesmänner danken es den Fremdenverkehrsgurus, indem sie eine innovative »Angebotsgestaltung« bezüglich ihrer Glaubensstätten und -inhalte forcieren – mal sachte, mal forsch PR-lastig.
Touristen gezielt in sakrale Bauten zu locken könnte zu einem verlockenden, sagenhafte Wachstumsmargen garantierenden Geschäft werden. Wolfgang Isenberg von der Thomas-Morus-Akademie, Bensberg, bekräftigt die immense Bedeutung der »Sakralimmobilien« für »die regionale Wertschöpfung«. Der Zasterzug der Zeit: Früher gewährten Klöster Bettlern und Pilgerreisenden unentgeltlich Speis’ und Unterkunft, noch etwas früher schmiß Jesus die Händler aus dem Tempel, und heute fordern Vermarkter der »Premiummarke Kirche« (Isenberg) und der Papst: »Wir müssen die Menschen zum richtigen Gebrauch der Freizeit anleiten.«
Was könnte das heißen – unter Gesichtspunkten eines regio-und religionsspezifischen Marketings, das laut Marketingprophet P. D. Benett ein »Prozeß« sein müßte, »durch den eine Organisation«, und sei’s die Kirche, »auf kreative, produktive und gewinnbringende Weise eine Beziehung zum Markt herstellt«? Pfarrer Gerhard Köhnlein von der Projektstelle Offene Kirchen, Magdeburg (einer Abteilung des Evangelischen Arbeitskreises Freizeit – Erholung – Tourismus), wünscht eine breit angelegte »Grundausbildung für Kirchenführer/innen«, die z. B. in der mit attraktiven Gottesgebäuden gesegneten Kirchenprovinz Sachsen dem Touristen solche Räume technisch und geistig öffnen, »die einladen zu Besinnung und Gebet«. Zur Seite springt dem doppel- wie hintersinnigen Konzept einer pädagogisch inspirierten, »steinreichen Kirche« (Köhnlein) der konstruktiv marketingkritische Entwurf Matthias Zentners, der im Namen des Luther-Zentrums Wittenberg dafür plädiert, die »Eroberung des Kirchenraumes« voranzutreiben – und dergestalt »einen religiösen Ort durch die Art des Erlebens und Nahebringens spirituell erfahrbar« zu machen.
Wer bloß aus kunstgeschichtlichem Interesse etwa den Lucas-Cranach-Altar in der Wittenberger Stadtkirche besichtigt, dem mangelt es an allegorischer, sinnbergender Interpretation des kulturellen Gutes. »Wenig erlebnisorientiert«, so Zentner, sei ein solcher Zugang, und deshalb ziele »dialogische Vermittlungsarbeit« auf die »Schlüsselqualifikation« der Kirche, die: »Sinnstiftung«. »Wenn es gelingt, die Steine [und Kunstschätze] zum Sprechen zu bringen, gibt es einmalige Erlebnisse, die sich auch für den potentiellen Reiseveranstalter auszahlen«, menetekelt Zentner und betont die »Alleinstellungsmerkmale« des Christentums auf dem hart umkämpften »Markt der anderen Sinnstifter«: das Kreuz als »das weltweit bekannteste Markenzeichen«; die lange Tradition und hohe Kompetenz des kirchlichen Marketings, von der »Directmailing-Aktion« des Apostels Paulus bis zur »Pilgerreise« (oder bis zu den Kreuzzügen); das marktschreierische Glockengeläut, die Gottesdienste, die Kirchenkonzerte als Woodstock round about the Kirchenjahr.
Die verzweifelte Selbstbehauptung der Kirche gegen »zivilreligiöse Erscheinungen wie große Sport- und Musik-Events« und esoterische Trends jedweder Art zwingt zur Aufgabe der »alten Frontstellungen« und zur Hingabe an die herrschende Idee der »Absatzförderung«. Um jedoch der »feindlichen Übernahme unserer Ressourcen« zu wehren, ruft Zentner nach »sinnfälligen Kooperationen« zwischen Religionsausübung und Urlaubsverhalten. »Hier muß sich Kirche vermarkten«, gesteht er ein und folgert: »Im Rahmen der Kirche würde man wohl eher von Mission reden.«
Die Missionsarbeit gerät allerdings – neben den jüngsten Offensiven der EKD-Plakatkampagnen – zur sanften Gesprächsökumene. »Wir brauchen lokale und überregionale Runde Tische«, erklärt Zentner, »an denen Kirchenvertreter, Marketingexperten, Touristiker und Vertreter der Kommunen gemeinsame Konzepte erarbeiten.« Etwas handfester geht den »nachhaltigen Kirchentourismus« bereits die Bischofs-Eurocity Münster an. »Menschen auf der Suche nach Sinn und Orientierung« lotst man während des jährlichen Stadtfestes zwischen Varietégekasper und Monstermusikacts auf der Warsteiner-Bühne am Domplatz in die Klemenskirche, die mit Zustimmung der Oberen zur »Chill-Out-Zone« aufgepeppt wurde, oder sie goutieren »kirchenkulturelle Highlights am laufenden Band«: biblisches Puppentheater, religiösen Pop und Jazzen unterm gotischen Giebel.
Derartige »All-Inclusive-Pakete« inkl. herrlicher »Win-Win-Effekte« bezeichnet der Leiter von Münster Marketing, Hermann Meyersick, als