Franziska Steinhauer

Zuhause wartet schon dein Henker


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Nachtmittag noch hier. Da ging es ihm gut genug für einen Disput. Engstirnig wie immer.« Er stockte. Sah verwirrt in die fremden Gesichter. »Und nun ist er tot?«

      Die beiden Ermittler zückten ihre Ausweise.

      »Ja. Er ist tatsächlich tot. Jemand hat ihn umgebracht.«

      »Warum? Also, er war kein einfacher Charakter, aber das sind viele nicht. Man kann die ja nicht alle aus dem Weg räumen. Die Welt wäre dann so gut wie entvölkert!«

      »Wir versuchen herauszufinden, warum er sterben musste«, brüllte Sven über den Alarm.

      Hansson studierte im gleißenden Licht die Dienstausweise, nickte dann. Lundquist fragte sich, ob der Hüne überhaupt etwas hatte erkennen können.

      »Wartet mal.« Der Mann drehte sich um und verschwand im Haus.

      Schaltete die Warnanlage ab.

      Die Stille, die sich plötzlich ausbreitete, fühlte sich watteweich an, alle Geräusche wurden von den Ohren überdeutlich wahrgenommen. Ein Vogel landete krachend im Gebüsch, vermutlich ein Rückkehrer, den Lärm und Licht in die Flucht geschlagen hatten.

      Fliegen dröhnten unter dem Licht über der Eingangstür, die Holzdielen schrien gequält auf, als die beiden Hans ins Haus folgten.

      »Na los! Kommt mit in die Küche!«, forderte der Hausbesitzer und es klang wie Donnerhall. »Immer geradeaus. Setzt euch oder nicht, ist mir gleich. Aber ich muss in der Zwischenzeit was kochen.«

      Auf der Anrichte lag ein Durcheinander verschiedener Fleischstücke. Gurgel war auch dabei, Leber, Lunge. Schweineund Rindfleisch, vielleicht auch Stücke von Schaf oder Ziege. In einer Emailleschüssel schwammen zwei Nieren in Wasser. Lundquist schauderte.

      Hans band eine schmutzige Schürze um seine prominente Körpermitte und griff nach einem offensichtlich sehr scharfen Messer mit langer Klinge, das mühelos durch das Fleisch glitt. Geschickt hantierte er damit, routiniert, schweigsam.

      Mit der Linken packte er einen Batzen, schnitt Würfel zurecht.

      »Hundefutter. Meine Jungs sind an dem Zeug aus der Dose nicht interessiert. Diese Pampe aus Restfleisch, das du niemandem mehr andrehen kannst und das nicht mal mehr zur Leberwurst taugt. Bei mir kriegen sie was Richtiges zwischen die Zähne.« Er umschloss mit der Pranke eine Handvoll der Würfel, warf sie in einen Topf.

      Es zischte laut.

      »Auf Gewürze stehen sie, Salz weniger. Ist ungesund. Manchmal kriegen sie Leber hinein, manchmal frisches Gemüse. Die Natur hat den Hund nicht als Möhrchenknabberer konzipiert. Ich sorge für Abwechslung – und meine Jungs sind rundum gesund.«

      »Wir haben gehört, es gab in der letzten Zeit Streit zwischen dir und Arne Mommsen.« Lundquist setzte sich auf einen dreibeinigen Hocker, hatte Probleme damit, seine Beine in der Enge der Küche so zu platzieren, dass er dem Futterkoch nicht in die Quere kam.

      »Ich weiß schon, wer euch das erzählt hat. Ulrika. Der war die Freundschaft zwischen Arne und mir von jeher ein Dorn im Auge.«

      Eine weitere Portion Fleisch landete im Topf.

      Hanssons Bizepse können fast mit denen von Lars mithalten, registrierte Lundquist nicht ganz neidfrei. Ich muss mir mehr Zeit für Sport nehmen, nahm er sich vor, wie schon so oft.

      »Ist doch ganz normal, dass erwachsene Menschen nicht immer der gleichen Meinung sind. Wir hatten öfter mal unterschiedliche Auffassungen zu bestimmten Themen.« Wieder wanderte ein Berg Fleisch in den Topf.

      Knyst setzte sich vorsichtig auf die Ecke einer Bank. Testete, ob sie sein Gewicht würde halten können, machte es sich dann bequem.

      »Welche Themen waren das speziell?«, wollte Lundquist wissen und fragte sich, wie viele Hunde Hansson wohl zu füttern hatte. Die Futtermenge müsste für ein ganzes Rudel ausreichen, dachte er beunruhigt. Sein Hund war ja in Ordnung – Hundephobie hin oder her –, aber Hanssons Tieren wollte er lieber nicht begegnen. Sicher eine Meute blutrünstiger Killer. Er unterdrückte ein Schaudern.

      »Ehe, Familie, Glück, Zukunft. Manchmal auch was Lokales.«

      »Ehe, Familie?«

      »Ja. Er machte es sich leicht, riet seiner Gemeinde, nicht zu früh Kinder in die Welt zu setzen, sich nicht an den Falschen zu binden … und selbst?« Die nächste Portion wurde mit deutlich mehr Schwung zum Rest geworfen.

      »Die Ehe von Ulrika und Arne war also nicht glücklich.«

      »Glück ist auch so ein Ding, über das man trefflich diskutieren kann. Er jedenfalls war nicht zufrieden mit der Situation.«

      »Ändern wollte er daran aber nichts, oder?«

      Das grobe Gesicht Hanssons verfinsterte sich. »Manchmal ja – manchmal nein«, antwortete er brüsk.

      »Trotz aller Diskussionen würdest du ihn dennoch als Freund bezeichnen?«

      »Manchmal ja – manchmal nein.«

      »Wenn ihr euch nicht einig wart – eher nein.«

      »Im Streit ist es nicht immer einfach, den anderen als Freund zu sehen. Ich fand, er gängle seine Kinder zu sehr, müsse ihnen mehr Freiheiten geben. Er wollte die Kontrolle nicht verlieren, legte Regeln fest und pochte auf deren Einhaltung. War nicht immer leicht, mit ihm auszukommen. Besonders nicht für Olaf, Astrid und Esther.«

      Hans rührte mit einem langen Holzlöffel das Fleisch durch, goss Wasser dazu. Lundquist wurde von dem Geruch plötzlich übel. Er bemühte sich, flacher zu atmen.

      »Er selbst hat schon gelegentlich Versprechen nicht eingelöst. War durchaus der Auffassung, er dürfe das. Staunte dann über den Gegenwind. Aber sowas saß er aus. Dickfellig nennt man das, unsensibel. Da zuckte er nicht mit einer Wimper!« Die Kränkung war deutlich zu hören. Offensichtlich war also auch Hans vom Bruch eines Versprechens betroffen gewesen.

      »Worum ging es?«

      »Geht euch nichts an. Ist meine Privatangelegenheit.«

      »Gut, dann soll es für heute genügen. Aber ich denke, wir werden wiederkommen.« Lundquist stand leicht schwankend auf, sehnte sich nach einem tiefen Atemzug vor der Tür. »Wann war er heute bei dir?«

      »Kurz nach ein Uhr. Ich war gerade mit den Jungs vom Ausflug an den See zurück. Setete mir eine Erbsensuppe auf. Er ist nicht lang geblieben – etwa eine Viertelstunde. ›Weil die Liste so lang ist‹, hat er gesagt. Ich stand nicht drauf, zu mir kam er auf eine Pause rein.«

      »Du hattest also keinen Gesprächsbedarf«, stellte Lars grinsend fest.

      »Ne! Ich löse meine Probleme lieber allein! Arne konnte ich da nicht brauchen. Der stiftete nur Verwirrung. Hatte doch keine Ahnung von Kilopreisen für Ziegenfleisch oder von Vermarktungswegen für Ziegenkäse, ne, wirklich nicht.«

      »Du züchtest Ziegen?«

      »Jau. Und aus der Milch stelle ich Käse her – ›Hummelgaarder Meckerecke‹ heißt meine Hausmarke. Der Stall und die Käserei sind dort hinten, wollt ihr mal sehen?«

      »Beim nächsten Mal. Im Moment bleibt dazu sicher keine Zeit«, beeilte sich Sven mit der Antwort und dachte an das Rudel hungriger Hütehunde, dem sie dann wohl begegnen würden.

      Als die drei vor dem Haus standen, fragte Knyst: »Das Hemd?«

      »Geht euch auch nichts an!«

      »Erzähl es uns trotzdem.«

      »Gut! Ich habe im Knast gesessen. Ist lange her und war ganz bestimmt nicht die angenehmste Zeit meines Lebens. Und: Ich war unschuldig! Steht alles haarklein in euren Akten!«

      »Na dann. Bis demnächst.«

      »Hatte der Pfarrer Feinde?«, fragte Sven im Gehen.

      »Viele. Er war unbequem. Falsche Tipps hat er auch gegeben. Vielleicht hat er damit mal jemandem so richtig geschadet. Das müsst ihr schon selbst herausfinden. Glaubt