Kai Sichtermann

Eros Nächte Moneymaker


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Mangogarten anlegen lassen, ein teures Unterfangen, aber Geld hat sie genug und als Gärtnerstochter glaubt sie an Investitionen in die Landwirtschaft.

      Sie sitzt eines Mittags in ihrem schattigen Salon und übt sich im Flötenspiel, als ein Diener angerannt kommt und atemlos stammelt, im entfernten Ende des Gartens habe sich eine Gruppe Mönche im Schatten der Mangobäume niedergelassen, unter ihnen sei ihr Meister, der Erhabene, der Erleuchtete – der Buddha.

      Ambapali schaut hinaus über ihr Land. Und wieder weiß sie, dass der Moment da ist, in dem sie ihrem Schicksal eine Wende geben kann. Sie schickt den Diener fort, um den Wagen anzuspannen, legt ihr kostbar besticktes Gewand und den Goldschmuck ab, zieht ein schlichtes Kleid und solide Schuhe an. Mit Pferd und Wagen lässt sie sich durch den Garten fahren, doch weiß sie auch, wo sie anhalten und zu Fuß weitergehen muss. Sie betritt die Lichtung – und da ist er, der alte Buddha umgeben von seinen Mönchen. Ambapali weiß um ihre Wirkung. Wenn sie auch keine Zeichen des Reichtums an sich trägt, so verrät doch ihr Gang sie als die Herrin des Ortes. Und das soll auch so sein. Sie verbeugt sich bescheiden und respektvoll und setzt sich ein wenig abseits nieder, um der Lehrrede zu lauschen, die als Ambapali Sutta in die Lehrbücher eingehen wird. Der Buddha spricht über die vier Wege der Achtsamkeit, die sich auf den Körper, die Sinne, den Geist und das Dharma richten solle.

      Er steht im Ruf, Frauen nicht gemocht zu haben. Doch immerhin hatte er die Gründung eines Nonnenordens zugelassen, in dem auch seine Stiefmutter, die Königin Mahapajapati, seine Halbschwester und seine frühere Ehefrau der Erleuchtung zustrebten. Und kann man sich einen Erwachten vorstellen, der sich misogynen Animositäten hingibt? Der Buddha wendet sich ihr zu, sieht sie, erkennt ihre Absichten und spricht auch zu ihr über die Überwindung von Schmerzen und Anhaften.

      Wir wollen hier gern annehmen, dass der alte Weise schon lange jenseits moralischer Werturteile gegenüber Frauen war, die für das Geld bekommen, was andere für Schläge tun müssen, und weiterhin wollen wir annehmen, dass es nur die kleinlich denkenden unter seinen Nachfahren sind, die darüber spekulieren, welche böse Tat diese Frau in ihrem früheren Leben wohl begangen haben mag, um mit dem Beruf der Kurtisane bestraft zu werden. Es mag auch sein, dass er sich in dem Moment, da er ihrer gewahr wurde, sehr wohl bewusst war, was ein Religionsstifter zu tun hat, wenn er einer Prostituierten begegnet.

      Als er endet, nutzt sie die Gelegenheit, die ganze Gruppe zum nächsten Tag zum Essen in ihr Haus einzuladen. Es heißt, der Buddha habe durch Schweigen zugestimmt, wie es seine Art war. Sie eilt davon. Als sie auf dem Rückweg im Wagen sitzt, kommt eine prächtige Kutsche angebraust mit aufgeputzten Prinzen darin, auch sie wollen den großen Lehrer zum Essen laden. Das aber hat Ambapali ihren Kunden weggeschnappt. Sie bieten ihr Gold, damit sie ihnen den berühmten Gast abtritt, doch sie lacht nur, nein, das verkaufe sie nicht. Sie hat andere Pläne. Und der Alte hält sein schweigendes Wort und schlägt die Einladung in den Palast aus. Etliche Mönche mögen gegrummelt haben, denn sie hätten gern bei Fürsten und lieber dort als bei einer Kurtisane gespeist. Aber er war der Meister und so mussten sie sich schicken. In Ambapalis Haus wird gekocht und gebacken, und als am nächsten Tag die Schar der Mönche mit ihren Bettelschalen im Hof steht, trägt sie ihnen selbst ein gutes Essen auf. Und wieder hält der Buddha eine Lehrrede, er spricht zu seiner Schar und zu ihr über die Vergänglichkeit. Ambapali betrachtet derweil ihren jungen Sohn, der auf einer Treppe sitzend aufmerksam lauscht. Was soll aus ihm werden, diesem Sohn eines Königs und einer Ganika? Sie ist jetzt eine geachtete wohlhabende Frau auf der Höhe ihrer Anziehungskraft. Ihr Charme und ihr funkelnder Geist werden noch eine Weile die schlaffer werdende Haut wettmachen. Doch ihr muss niemand erzählen, dass Schönheit vergeht, und damit auch Ruhm und Einfluss schwinden. Sie weiß, dass der geistige Weg ihrem Sohn mehr Freiheit und Achtung eintragen wird als die Beamtenlaufbahn bei Hofe und sie ist entschlossen, ihm diesen Weg vorzubereiten. Als der Buddha schweigt, erhebt sie sich und bietet ihm und dem Orden ihre Mangoplantage als Geschenk an.

      Die Geschichte geht gut aus, der Sohn tritt wirklich dem Orden bei und erlangt alsbald Vollkommenheit. Es heißt, er habe dann seine Mutter unterrichtet, sodass sie Nonne werden konnte, um ihrerseits die Leiden des irdischen Daseins zu überwinden und Heiligkeit zu erreichen, indem sie sich in die Vergänglichkeit des Körpers als Objekt ihrer Meditation vertiefte. Mit ihrem Lied zeigt sie allen Frauen nach ihr den Weg zum würdigen Altern. So beginnt die zweite Strophe:

      ... Mit Blumen bedeckt, verströmte mein Haupt.

      Einen würzigen zarten Duft.

      Wegen meines hohen Alters riecht es heute.

      Wie das Fell eines Hundes ...

      von Marie Sichtermann

      Quellen:

      Nils Johan Ringdal, „Die neue Weltgeschichte der Prostitution”, München 2006

      Lothar Nestler, Rösrath, Internet, www.der-erwachte.de/frauen.htm

      Horst Gunkel, „Ambapali – Kurtisane und Heilige”, www.kommundsieh.de/Ambapali.html

      Wilfried Westphal, „Königinnen der Nacht”, Essen 2004

      Neaira

      Die griechische Hetäre

      Woher Neaira kam, ist unbekannt. Es gibt darüber nur vage Vermutungen; manche meinen, sie könnte ein Findelkind gewesen sein, andere halten es für wahrscheinlicher, dass sie aus einem der Randgebiete Griechenlands stammte, möglicherweise aus Thrakien. Ihr Geburtsjahr war um 400 vor Christus. Gesichert ist die Erkenntnis, dass sie als Kind im jungen Alter von nur zwölf Jahren auf einem Sklavenmarkt von einer Bordellbesitzerin gekauft und zu einer Luxus-Hure, einer Hetäre ausgebildet wurde. Über ihr Leben wissen wir nur deshalb etwas, weil sie durch einen Prozess zur tragischen Figur wurde. Sie geriet zwischen die Fronten eines Streites zweier Männer: auf der einen Seite Stephanos, mit dem Neaira zusammenlebte, und auf der anderen Apollodoros – beide führten eine langjährige Dauerfehde. Nachdem Stephanos seinem Gegner eine gerichtliche Niederlage zugefügt hatte, sann der Verlierer auf Rache und verklagte seinerseits seinen Intimfeind. Apollodoros behauptete nun, Stephanos, als freier Athener Bürger, hätte mit Neaira eine Fremde geehelicht, was per Gesetz verboten war. Außerdem hätte das Paar so versucht, für ihre Kinder das Athener Bürgerrecht zu erschleichen. Dazu erstellte Apollodoros eine lange Anklageschrift über die angeblich sündhafte Lebensgeschichte Neairas. Diese Klageschrift wurde zwischen 343 und 340 v. Chr. gehalten und ist uns als Gerichtsrede überliefert. Sie bildet das Grundwissen über Neaira.

      Bereits im 4. Jahrhundert vor Christus hatte Griechenland demokratische Gesellschaftsstrukturen und gilt deshalb bis heute als das Mutterland der Demokratie. Das griechische Wort Demokratie heißt übersetzt „Volksherrschaft”. Doch da schon in der Vokabel „Herrschaft” das Wort „Herr” steckt, verwundert es kaum, dass es zwischen Männern und Frauen keine Gleichberechtigung gab. Die Männer im Griechenland der Antike hatten ein anderes Demokratieverständnis als wir bei uns heute. In der Volksversammlung von Athen hatten nur männliche Bürger ein Stimmrecht. Ebenso ausgeschlossen waren die Sklaven. Wer also eine Frau und obendrein noch Sklavin war, hatte ziemlich schlechte Karten. Eine Möglichkeit ihr Blatt zu verbessern, bestand für Frauen darin, den Weg einer Hetäre zu wählen. Das Wort Hetäre ist altgriechisch und stammt von „hetaire” ab, das bedeutet „Freund” oder „Genosse”; sinngemäß wäre „Gefährtin” eine passende Übersetzung. Eine Hetäre zu sein, brachte zwar kein Wahlrecht, dafür aber soziale Anerkennung und eine verbesserte Lebenssituation. Einfache Huren hatten es dagegen deutlich schlechter, wie die Wörter, mit denen sie belegt wurden, vermuten lassen: „öffentlicher Durchgang”, oder gar „Zisterne”, als Andeutung zur Aufnahme von Körperflüssigkeiten, so der griechische Lyriker Anakreon in diesem Kontext.

      Doch der Weg des Aufstiegs war schwierig. Obwohl es später sogar Hetärenschulen gab, mussten sich Hetären innerhalb der Gesellschaft nach oben kämpfen, sie erkauften sich die Freiheit, eroberten die Literatur und trainierten ihre Körper. Das gelang ihnen mithilfe der einflussreichsten Männer ihrer Zeit, führt Nils Johan Ringdal in seinem Buch „Die neue Weltgeschichte der Prostitution” aus, und beschreibt sie als gebildete, elegante