…« Alberto riss die Tür zum Garten auf, doch seine Frau fand er nicht. »Angus, bist du noch dran? Sie muss hinten in ihrem Gewächshaus sein. Nein, warum sollte Maria etwas dagegen haben? In zehn Minuten also. Ciao.« Wie hatte Angus das gemeint: Indien ist in Not? Bei ihrem ersten Fall1 wäre er im Zuge der Ermittlungen in einem indischen Restaurant fast gestorben, so scharf war das Curry Vindaloo! Sein Freund erwartete doch hoffentlich nicht, dass er erneut sein Leben aufs Spiel setzte?
MacDonald war wieder auf die Minute pünktlich, rangierte seinen tuckernden Käfer in eine Parklücke. Die Aktenmappe in der Linken, klingelte er dezent. Vitiello riss die Tür auf und sprudelte los. »Hab überhaupt keine Zeit, muss einen Klempner auftreiben.«
»Freut mich ebenfalls, dich zu sehen, Alberto. Darf ich reinkommen?«
»Natürlich, entschuldige.«
MacDonald nickte. Er hatte eine Vermutung, was das Problem war.
»Ich mache uns Tee«, sagte Alberto umgänglicher.
»Schwarztee bitte!«
Vitiello schüttelte den Kopf. »Anderen habe ich gar nicht. Es ist sehr einfach, Angus: In dieses indische Restaurant gehe ich nie mehr im Leben. No, no!«
Bombay Palace hatte längst geschlossen. Nur das Kebab Mahal hielt sich mit seinen exzellenten Speisen am Nicholson Square und sollte dort oder anderswo eine Ermittlung notwendig werden, würde MacDonald sich darum kümmern. »Natürlich, mein Freund.«
»Versprochen?«
»Aber ja. Mach dir keine Sorgen.«
»Molto bene. Miss Thomasina steckt also in Schwierigkeiten?«
»Eine Freundin von ihr. Sie heißt Devasree Panicker.«
»Der Name kommt mir bekannt vor.«
»Vielleicht hast du dir schon einmal die Produkte ihres Papas einverleibt. Er fabriziert Fertigsoßen, Chutneys, Pickles und dergleichen Dinge. Alle tragen sein glückliches Konterfei.«
»Solche Sachen esse ich nicht.«
Angus räusperte sich, denn Pesto im Glas kaufte sein Freund durchaus. »Wie auch immer. Ein Unhold versalzt sein erfolgreichstes Produkt, die Pathia-Soße, und wir müssen herausbekommen, wer es ist.«
»Was sagt denn Karen dazu?«
»Wozu?«, fragte MacDonald unleidlich.
»Allora, diese junge Dame wohnt bei dir und nun kümmerst du dich auch noch um ihre Freundinnen …«
»Frau Mutter ist als Anstandswauwau präsent, wie du sehr genau weißt.«
»Du solltest ihr etwas Schönes schenken, Angus.«
»Wem, Miss Thomasina?«
Alberto drohte ihm spaßeshalber mit dem Zeigefinger. »Verbrenn dich nicht. Karen meine ich natürlich.«
»Ihr Geburtstag ist erst in ein paar Monaten.«
»Eine Geste der Versöhnung, etwas Romantisches.«
»Doch keinen Ring? Das wirkte überstürzt!«
»Angus, willst du mich nicht verstehen?«
»Doch, doch, ich habe Karen bereits zu einem Dinner eingeladen.«
»Ich bezweifle, dass ein Abendessen reicht, Frau Doktor wegen deiner verschleppten Diät gnädig zu stimmen. Habt ihr einen Termin ausgemacht?«
»Nein, sie wollte sich noch melden.«
»Da haben wir es schon. Lass dir vom verheirateten Mann etwas sagen. Zum Abendessen muss auf jeden Fall ein Ausflug kommen.«
»Vielleicht nach Islay. Ich wollte ohnehin wieder bei den örtlichen Destillerien vorbeischauen. In der Bruichladdich-Destillerie machen sie auch Gin. Ihr Werk heißt ›The Botanist‹«, mit 22 handgepflückten Pflanzen der Insel, darunter Stechginster und wilde Minze. So wunderbar!«
»Das Geschenk soll für Karen sein und nicht für dich! Jetzt habe ich es: eine Bootstour.«
»Auf dem Meer?«
»Nein, vergiss Islay, besser eine Fahrt auf unserem Kanal.«
»Wer sollte den Motor starten? In solchen Dingen bin ich völlig unerfahren.«
»Dann mietest du eben ein Ruderboot oder ein Paddelboot mit aufgeschraubtem Fahrrad. Gestern habe ich in der Zeitung gesehen, dass es das jetzt auch gibt.«
Welch körperliche Anstrengung!, dachte MacDonald. »Einverstanden, das mache ich.« Ein Schluck Schwarztee heiterte ihn auf. »Zurück zum Thema: Ich habe über Panicker recherchiert. Interessiert dich das Resultat?«
»Ma si, aber ja! Schieß los.«
»Schön. Der Mann ist vor 40 Jahren aus Indien nach Edinburgh gekommen, übte alle möglichen Gelegenheitsjobs aus und gründete dann eine kleine Import-Export-Firma.
»Keine Probleme mit Rassisten?«, wollte Alberto wissen. »South Queensferry ist ein verschlafener kleiner Teil Edinburghs, und mit den vielen neuen Immigranten …«
»Nein, Panicker integrierte sich gut. Er und seine Frau haben zwei Söhne und eine Tochter. Die Söhne sind Mitte dreißig, die Tochter ist Anfang zwanzig. Eine Geschichte, auf die ich bei meiner Recherche immer wieder stieß, geht folgendermaßen: Als die Jungs noch klein waren, kehrte einer von beiden einmal völlig aufgelöst aus der Schule zurück, weil er wegen der schlechten Qualität indischen Essens gehänselt wurde.«
»War das Curry zu scharf?«
»Warte bitte. Der Mitschüler bezog sein Wissen vom Verzehr eines abgepackten Curry. Mister Panicker ging schnurstracks in den nächsten Supermarkt und erwarb ebenfalls eine Packung. Die Familienmitglieder probierten es und spuckten aus. An diesem Tag entstand der Plan für eine zweite Firma, welche den Reichtum der Familie begründete. Der Herr des Hauses komponierte am eigenen Herd die Pathia-Soße und verfeinerte sie über die nächsten Tage. Panicker fuhr zur nächsten Sainsbury’s-Filiale, wo er mit dem Manager zu sprechen begehrte. Der wies ihn darauf hin, dass in Großbritannien ohne Termin kein Meeting stattfindet. Panicker nutzte den nächstmöglichen Zeitpunkt, zwei Wochen später. Nicht bei Sainsbury’s, sondern, Strafe musste sein, bei Waitrose. Der dortige Manager, ein reservierter Zeitgenosse, probierte, nahm zwei Nachschläge und am Ende hatte er die Soße fast alleine gegessen.«
»Hm.« Alberto fuhr sich mit der Hand übers Kinn.
»Was ist?«
»Ist das auch deine Meinung? Es handelt sich um Industrie-Essen …«
»Ich habe nur zitiert«, erwiderte MacDonald diplomatisch.
»Hat er noch weitere Abnehmer?«, wollte Alberto voller Misstrauen wissen.
»Tesco zum Beispiel.«
»Ho capito. Wenn sie so gut im Geschäft sind, gibt es viele Feinde. Wusste der Manager damals, dass er die Soße zu Hause kocht?«
»Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich in dieser Beziehung irgendwie durchmogelten. Panicker besaß ja bereits die Import-Export-Firma und ein findiger Geschäftsmann kann bei einer Zusage schnell neue Räumlichkeiten mieten.«
»Oder der Manager des Supermarktes war auch Inder …«
»Wie gut, dass wir keine Vorurteile haben!«
»Genau! Aber woher weiß der Konservenkönig, dass seine Soße nur versalzen ist? Vielleicht wurde noch mehr manipuliert. An seiner Stelle würde ich sie in einem Labor analysieren lassen.«
»All das werden wir ihn fragen. Wobei es nicht einfach sein wird, denn er ist ein Patriarch, der selbst guten Rat als Einmischung in persönliche Angelegenheiten betrachtet. Thomasinas Freundin hat ihr erzählt, dass er fuchsteufelswild werden kann. Wir treffen ihn morgen früh um zehn Uhr.«
»Sag mal, ist die indische Miss ebenso hübsch wie Thomasina?«
MacDonald