Hans Rudolf Herren

rüffer&rub visionär / So ernähren wir die Welt


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die dortigen Lebensgemeinschaften. Eine Analyse von 838 Studien aus 73 Ländern ergab, dass mehr als die Hälfte aller gemessenen Werte von Insektizid-Rückständen in Gewässern über der Schadensschwelle für Wasserorganismen liegen.58

      In der Schweiz fahndeten die kantonalen Gewässerschutzlabors in den Jahren 2005 bis 2012 in über 500 Gewässerabschnitten nach 203 Wirkstoffen, die in der Landwirtschaft als Insektizide im Einsatz sind. Von diesen wurden 80% nachgewiesen, die Hälfte davon mindestens einmal mit einem Gehalt von mehr als 0,1 µg/l,59 dem Grenzwert gemäß Schweizerischer Gewässerschutzverordnung. Wobei zu bemerken ist, dass auch Gehalte unter dem Grenzwert angesichts der kumulierten Wirkung unterschiedlicher Schadstoffe nicht a priori als unbedenklich betrachtet werden können.

      Der Pestizideinsatz stellt zudem ein gesundheitliches Problem für die Landarbeiterinnen und -arbeiter dar. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass sich jährlich zwischen zwei und fünf Millionen Fälle von Vergiftungen ereignen; davon enden 40 000 tödlich.60 Ursache dafür sind hochgiftige Präparate, die in den meisten Industrieländern längst verboten sind, sowie die Tatsache, dass die Bäuerinnen und Bauern in den Entwicklungsländern nicht über die notwendigen Schutzkleider verfügen.

      Auch die Konsumentinnen und Konsumenten sind betroffen. Diverse Studien bringen die Pestizidbelastung unserer Lebensmittel und der Umwelt in Verbindung mit chronischen Erkrankungen. Namentlich stehen Pestizide in Verdacht, an der Entstehung von Krebs, Alzheimer, Geburtsfehlern, Parkinson und Entwicklungsstörungen beteiligt zu sein.61

      Das Umweltinstitut München untersuchte kürzlich 14 in Deutschland erhältliche Biersorten auf Glyphosat-Rückstände: Es wurde in allen Fällen fündig. Die gemessenen Werte lagen zwischen 0,46 und 29,7 µg/Liter,62 der Grenzwert für Trinkwasser ist 0,1 µg/Liter.63 Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Der Ruf nach einem Verbot wird in Europa immer lauter. Das Monsanto Tribunal64 in Den Haag zeigte im Oktober 2016 klar auf, dass der jahrzehntelange Einsatz von nachweislich schädlichen chemischen Agrochemieprodukten des Konzerns für massive Schäden an der menschlichen Gesundheit und an Ökosystemen verursacht. Zudem ist die Agrochemie in den Herstellungsprozessen (z.B. von Pestiziden und Düngemitteln) sowie durch die von diesem Ansatz forcierten Monokultur-Anbaumethoden für einen beträchtlichen Anteil an der Klimaerwärmung verantwortlich. Doch um Monsanto und den anderen Agrochemie-Konzernen, die weltweit mit ihren Geschäftsmodellen die Landwirtschaft prägen, ihre Basis zu entziehen, ist der vielversprechendste Weg der, eine agrarökologische Landwirtschaft weltweit zu fördern und durchzusetzen. Wenn der Ansatz, wie Nahrung produziert wird, nachhaltigen Prinzipien folgt, sind heute umstrittene, aber weiterhin in großen Mengen produzierte Gifte eines Tages gar nicht mehr nötig. Was neben der Vermeidung von Umweltschäden noch viele weitere Vorteile zum Nutzen der Allgemeinheit zur Folge hätte (z.B. im Bereich der Gesundheit und des Klimawandels).

       Treibhausgase aus der Landwirtschaft

      Auch beim Klimawandel gehört die industrielle Landwirtschaft zu den treibenden Kräften. 13% der Treibhausgasemissionen gemessen in CO2-Äquivalent verursacht sie direkt: Methan aus Mägen und Därmen von Wiederkäuern, Lachgas aus überdüngten Feldern, CO2 durch die Verwendung fossiler Energieträger. Hinzu kommen 18% infolge der Waldrodungen, die getätigt werden, um neues Agrarland zu gewinnen.65 In den letzten 20 Jahren ist der Ausstoß von Treibhausgasen der Landwirtschaft jährlich um 1% gewachsen.66 Den mit Abstand größten Beitrag leistet die industrielle Tierhaltung.

      Die Produktion von Mineraldünger und Agrochemikalien sowie der Betrieb von Landwirtschaftsmaschinen sind energieaufwändig. Die Landwirtschaft hängt deshalb stark von fossilen Energieträgern ab. Pro produzierte Nahrungskalorie werden bis zu zehn Kalorien Fremdenergie verbraucht.67

      Auch die ökologischen Probleme, die uns die Landwirtschaft beschert hat, sind letztlich das Ergebnis eines reduktionistischen Ernährungssystems, das einzig und allein Maximalerträge möglichst billiger Nahrungsmittel anstrebt. Wobei Letztere nur für die Konsumentinnen und Konsumenten billig sind – denn die ausgelagerten ökologischen Kosten wie beispielsweise die Wasserverschmutzung mit Pestiziden, degradierte Böden, Verlust an Biodiversität und der Beitrag zum Klimawandel werden wir und unsere Nachkommen ebenfalls in irgendeiner Form bezahlen müssen.

      Inzwischen stößt die Hochertragspolitik an biologische Grenzen. In den letzten Jahren hat sich die Zunahme der Hektarerträge in der Intensivlandwirtschaft verflacht. Zwischen 1950 und 2001 sanken die jährlichen Ertragssteigerungen weltweit von 3 auf 1%.68 In 24 bis 39% der Anbaugebiete für Mais, Reis, Weizen und Soja stagnierten die Hektarerträge in letzter Zeit oder gingen gar zurück.69 Pflanzen können ihre Kapazität, Nährstoffe aufzunehmen und in pflanzliche Substanz umzuwandeln, nicht beliebig erweitern. Es sollte ohnehin mehr um Qualität und Nährstoffgehalt gehen, als um immer mehr leere Kalorien, wie wir es von den Sorten der Grünen Revolution her kennen. Dies ist auch ein Teil des neuen Paradigmas, das im Weltagrarbericht von 2008 klar gefordert wurde.

      Dieser Bericht wurde von 400 Wissenschaftlern aus der ganzen Welt über vier Jahre erstellt und kam zum klaren Schluss, dass wir die Welt nur nachhaltig ernähren können, wenn wir uns auf agrarökologische Methoden besinnen und mit der Natur und nicht gegen sie arbeiten. Es gab 58 Nationen, die den Bericht, der von der Weltbank und den Vereinten Nationen initiiert wurde, unterzeichneten – aber die Umsetzung der Vorschläge hat noch nirgends stattgefunden.

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