Birgit Schmid

In jeder Beziehung


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      Frauen erleben nur Schlimmes mit Männern und sind ihnen ausgeliefert. Das ist der Eindruck aus aktuellen Gründen. Der Eindruck ist falsch. Eine Frau hat ihre eigenen Waffen, mit denen sie ihre Stärke ausspielt. Zwar wird in der Sexismus-Debatte auch gefordert, dass sie diese Waffen streckt, um sich nicht angreifbar zu machen. Aber das wäre schade und langweilte sowohl Frauen wie Männer. Hier sind die Gründe:

      Augenaufschlag: Mädchen üben ihn vor ihren Vätern, um zu bekommen, was sie sich wünschen. Gelehrt hat ihnen das niemand. Man verlernt diesen spielerischen Einsatz auch später nicht, als gälte es Mata Hari zu übertreffen. Mit ihrem Augenaufschlag erlangte die Spionin und Erotiktänzerin Macht über die Männer. Die Generäle fielen reihenweise.

      Aussehen: Keine Frau kann leugnen, dass Absätze, ein feinstoffliches Kleid, rote Lippen eine Wirkung haben können. Und manchmal sollen. Das abzustreiten wäre nicht ehrlich. Je nachdem, was für Termine anstehen an einem Tag oder wen wir treffen, überlegen wir morgens vor dem Spiegel, was wir anziehen werden. So wie damals, als ich mich als Studentin im sorglosen Mini für eine Wohnung bewarb. Und sie bekam.

      Einfühlung: Vor allem Frauen können vorwegnehmen, was der Mann denkt und fühlt – und handeln entsprechend. Das klingt berechnend, muss aber nicht ausgenutzt werden. Das Gefühl der Überlegenheit genügt.

      Ignoranz: Ich stelle mich dumm, um etwas nicht lernen zu müssen, das ich nicht gerne tue und das mich zu wenig interessiert. Die verwirrenden Knöpfe an der Waschmaschine, die Velopumpe und ihre Aufsetzer, ein Computerproblem.

      Kochen: Gerade, weil wir uns emanzipiert nennen, überlassen wir das Kochen den Männern. Und können uns trotzdem richtige Frauen nennen. Ich blättere zum Beispiel gerne in einem Yotam Ottolenghi oder Jamie Oliver und klebe Post-its auf die Rezepte. Sie funktionieren wie Einladungen – zum Nachkochen. Ich überlasse ihm, was er gerne tut, und er zeigt den Gästen und mir noch viel öfters, was er kann. Ein Deal, der alle glücklich macht.

      Muskeln: Man kann sie sich noch immer zum Vorbild nehmen, Emma Peel, die schlagfertige Agentin in »Mit Schirm, Charme und Melone«, der Fernsehserie der Sechzigerjahre. Eine Frau, die sich mit Fäusten zu wehren weiß, darf auch einen hautengen Lederanzug tragen. Ihren Namen erhielt Emma Peel übrigens von »M-Appeal«, »Man Appeal«: Männermagnet. In heutigen Actionheldinnen wie »Atomic Blonde«, die so gut küssen wie sie kämpfen, hat sie ihre Nachfolgerinnen.

      Schlausein: Über das ganze Leben betrachtet ist es wichtiger, klug zu sein, als nur schön; mit Witz und Wissen zu überraschen, Humor zu haben und einen wachen, kritischen Geist. Das trägt zu Schönheit bei, die unvergänglich bleibt. Ehrlicherweise: neben gutem Aussehen.

      Schüchternheit: Sollte man als Frau wohl überwinden in a man’s world, in der wir noch immer leben. Doch manchmal wird das Leise besser gehört, auf jeden Fall von den Richtigen. Warum die Lautstärke anheben, die Ellenbogen ausfahren? Bleibe dich selber.

      Sex: Im Lied »Sex as a Weapon« warnt Pat Benatar davor, Sex als Waffe einzusetzen. Das war 1985, und die Sängerin sieht im Video umwerfend sexy aus mit ihrem blutroten Mund. Besser bewaffnet kann eine Frau so etwas nicht fordern. Zumal Benatar auch das Lied »Love Is a Battlefield « aufgenommen hat. Im Video umwerfend aussieht. Und alle Liebeskämpfe gewinnt.

      SEINE WAFFEN

       ALS MANN

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      Wenn kein Tag vergeht, ohne dass ein neuer Skandal die Schlechtigkeit der Männer zeigt. Wenn immer heftigere Blogs die Nulltoleranz einfordern. Wenn sogar der »Kulturplatz « des Schweizer Fernsehens diese Woche fragte: »Sind alle Männer Schweine?« – dann tut die Suche nach dem Schönen bei den Männern not. Nachdem ich letztes Mal die Waffen beschrieben habe, mit denen Frauen verführen, kommt hier also die Liste der Mittel, die Männern zur Verfügung steht.

      Zuhören: Ein Mann, der nicht nur von sich redet, sondern sich für eine Frau aufrichtig interessiert, macht etwas vom Wichtigsten richtig. Er hört aber nicht therapeutisch zu, sondern fragt, bezweifelt, ermutigt, widerspricht, bejaht.

      Musik schicken: Eine sehr wirksame Waffe der Männer ist, ihre Botschaft mittels Youtube-Links von Songs zu überbringen. Das muss allerdings subtil geschehen, die Titel sollten nicht zu eindeutig sein, wenn es sich erst um ein schüchternes Verhältnis handelt. Nicht »Hold Me Tight«, nicht »Nights in White Satin«, sondern lässige Lieder, die alles bedeuten. Verführen, aber unerreichbar bleiben wie die Sehnsucht, die die Musik weckt.

      Einen Anzug tragen: Was Männer von Buben unterscheidet, ist die erwachsene Mode: statt Hoodie und Sneakers, die manche noch mit 55 tragen, macht ein Anzug den Mann, dazu weißes Hemd, manchmal Krawatte: der konservative Kleidungsstil von Bryan Ferry, der mit über siebzig noch immer auf der Bühne steht. Auch die Lederjacke ist eine Waffe, vor allem, wenn ein Töff dazugehört. Es passt weiter: unrasiert. Aber nicht für länger als drei Tage.

      Einsam sein: Männerbeauftragte werden es nicht gerne hören, aber wenn die Einsamkeit einen Mann umgibt, kann das sehr anziehend wirken. Ein Mann, der das Alleinsein erträgt, setzt sich mit sich auseinander, und das kommt auch einer Frau zugute. Zudem gibt ein Steppenwolf auf diese Weise zu verstehen, dass er gerettet werden muss. Das reizt viele Frauen. Er komme aus der Kälte und könne nirgends hin, singt Iggy Pop in »Stray Dog« mit der Stimme eines Köters. Er gebe dafür seine Freiheit und den Ruf der Wildnis auf.

      Humor haben: Wenn er fehlt, ist alles verloren.

      Kochen können: Man kann dem Mann heute die Küche getrost überlassen. Eine Frau betritt sie währenddessen höchstens, um dem Koch mit dem Champagnerglas in der Hand zu assistieren. Was für eine schöne Folge der Emanzipation.

      Respektieren: Ein Mann, der sich bewusst ist, dass wir noch immer in a man’s world leben, die aber nichts wäre ohne eine Frau oder ein Mädchen – er hat uns auf seiner Seite. »Man made the cars to take us over the road, made the train to carry the heavy load, man made electric light to take us out of the dark«, sang James Brown schon 1966. Danke, Männer, für die Autos, den Zug und vor allem den Strom, der die Dunkelheit erhellt. »This is a man’s world, but it wouldn’t be nothing, nothing without a woman or a girl.«

      Über Geld und Status verfügen: Jetzt nicht gleich widersprechen, Frauen, und es als Klischee abtun. Denn ob wir es wahrhaben wollen oder nicht – beides erhöht die Anziehung. So wie manche Frauen Künstler lieben für deren Ideale und den frei schwebenden Geist. Umso mehr, wenn der Künstler erfolgreich ist.

      Tanzen: Kann er führen, geben wir uns hin.

      Sex: Gibt es diesbezüglich wirklich noch Fragen?

      AUF DEN

       ZWEITEN BLICK

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      Später kann man nicht mehr sagen, wann es genau passiert ist. Wie das Licht auf ihr schlafendes Gesicht fällt, das er betrachtet. Wie er sie hochnimmt, und plötzlich fühlt sie sich erkannt. Wann also der Moment ist, in dem man sich verliebt. Und der Leberfleck und die verschiedenförmigen Augen fügen sich zu Einmaligkeit. Der verliebte Blick verschönert den andern.

      Sein schlenkernder Gang kommt zu seinem Lachen kommt zu seiner Kenntnis der Astronautik: Er ist es! Ihre Rede kommt zu ihrer Wildheit kommt zu ihrem Blick: Sie ist es! Und jede Abweichung von dem, was man als attraktiv einstuft, verliert an Kraft.

      Das hat etwas Weiteres zur Folge: Weil man die ganze Schönheit von jemandem erst im Lauf einer Bekanntschaft sieht, finden sich immer wieder ungleich attraktive Paare. Eine 8, auf einer Skala von 10, tut sich mit einer 5 zusammen. Eine 6 wählt eine 2.

      Was Nicht-Eingeweihte