prägen.
Natürlich kann dieses Handbuch nicht den Anspruch unbedingter Vollständigkeit erheben. Viele Einzelinitiativen, sei es in Bistümern, Orden oder von engagierten Christinnen und Christen, konnten aus Platzgründen nicht aufgenommen werden und sind dennoch wichtiger Teil der katholischen Medienarbeit der Kirche in Deutschland.
Von vier Fragerichtungen hat sich dieses Handbuch in seinem langen Entstehungsprozess leiten lassen. In einem ersten Kapitel werden Antworten gesucht auf die Frage nach den Bezügen kirchlicher Kommunikation. Dabei gerät, in grundsätzlicher Absicht, das nach wie vor prekäre Verhältnis von Kirche und Medien in den Blick: Es sind trassierende Klärungsversuche nach dem Öffentlichkeits- und Kommunikationsverständnis der Kirche im 21. Jahrhundert, ihren Umgang mit den Spiegelbildern religiöser Symbolsysteme und religionsanalogen Sinnofferten, die in den Medien transportiert werden. Wo, so wird weiter gefragt, sind die Trennlinien zwischen berechtigter Öffentlichkeitsarbeit einer Großinstitution und ihrem dem Evangelium geschuldeten Seelsorgeauftrag, und schließlich, was könnte das Proprium religiöser Rede in einer durch und durch säkularisierten Mediengesellschaft sein?
Das zweite Kapitel, in praktischer Absicht gestaltet, stellt im Sinne einer Erstinformation für den Leser in relativ kurzen Porträts die wichtigsten Medien, Themen und Dienste von A–Z der katholischen Medienarbeit vor.
Das dritte Kapitel, Optionen kirchlicher Medienarbeit, kann auch als Klammer zum ersten Teil verstanden werden, indem hier einzelne Felder des medialen Engagements der Kirche beschrieben werden, deren Zukunftspotenzial für die kirchliche Medienarbeit noch zu erarbeiten bzw. auszubauen ansteht.
Und schließlich werden im vierten Kapitel ausgewählte zielgruppenadressierte Ansätze, Versuche und Beispiele aus der Praxis vorgestellt, die in ihrer Professionalität und Originalität nicht selten das Salz in der Suppe kirchlicher Medienarbeit ausmachen.
Zu wünschen bleibt diesem Handbuch, dass es Eingang in die Praxis der kirchlichen Medienarbeit findet und dass der Leser, wenn er es zur Hand nimmt, dies im Bewusstsein tut, dass die kirchliche Medienarbeit in ihrer unterschiedlichen Ausprägung und mit ihren unterschiedlichen Aufgaben immer auch zugleich Gratwanderung und Prüfstein bleibt für die Glaubwürdigkeit und das überraschende Angebot des Evangeliums.
David Hober
Jürgen Holtkamp
1. Kommunikation im 21. Jahrhundert
Andreas Büsch, Professor für Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaft an der Katholischen Hochschule Mainz, Leiter der Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz
Der Titel impliziert eine Reihe von Fragen, u. a.:
—Wie entwickelt sich Kommunikation?
—Welche Rahmenbedingungen werden prägend sein?
—Und wie sind diese Entwicklungen zu bewerten?
—Welche Folgen haben sie für die Menschen, ihre Kommunikation und die auf menschlicher Kommunikation basierenden sozialen Konstrukte und Systeme?
—Sind die vielfältigen technischen Möglichkeiten mehr als eine Spielerei für Technikfreaks, die sich über den Schreibtisch hinweg per WhatsApp verabreden?
Zur Beantwortung dieser Fragen hilft ein Blick auf die Sozialgeschichte der Medien, d. h. auf die Entwicklung der Medien als soziale Kommunikationsmittel und deren jeweilige gesellschaftliche Auswirkungen. An dieser Entwicklungsgeschichte lassen sich zwei zentrale Themen ablesen: Die Überwindung der Flüchtigkeit von Kommunikation einerseits sowie deren immer weiter gehende räumliche und zeitliche Entgrenzung andererseits.
Ein Meta-Thema ist dabei das spätestens seit dem Aufkommen des Buchdrucks signifikant angestiegene Tempo der Entwicklungen: Von der Entwicklung der Schrift bis zum Druck mit beweglichen Lettern vergingen rund 4.000 Jahre. Seitdem prägen technologische Entwicklungen im Bereich der Medien in immer kürzerer Folge auch gesellschaftliche Entwicklungen.
Angesichts der immensen technischen Veränderungen gerade der letzten Jahrzehnte wäre es unseriös, daraus nun Prognosen für ein ganzes Jahrhundert treffen zu wollen. Jedoch lassen sich die sieben im Folgenden beschriebenen (Mega-)Trends der Entwicklung beobachten, aus denen sich auch Folgerungen für die Zukunft kirchlicher Kommunikation „im Zeitalter von Web 2.0“ ziehen lassen.
(Mega-)Trends der Kommunikation im 21. Jahrhundert
Digitalisierung
Der Mega- (bzw. Meta-)Trend der letzten 50 Jahre ist die Umwandlung visueller und akustischer analoger Zeichen in digitale Signale. Die Digitalisierung impliziert dabei immer eine Umwandlung von stufenlosen in diskrete, d. h. schrittweise, zählbare Daten. Diese Umwandlung war wiederum Voraussetzung für die Miniaturisierung und Geschwindigkeitssteigerung in der Verarbeitung von Daten. Vor allem aber ist die Digitalisierung Voraussetzung für die Integration verschiedener Medienformate und die Konvergenz entsprechender Geräte: War ehedem ein Telefon ein Telefon und ein Notizbuch ein Notizbuch, so ist ein Smartphone heute, dank einer Vielzahl von kleinen Programmen, sogenannter „Apps“ (von engl. application, Anwendung), ein Telefon, ein Adressbuch, ein Notizbuch, eine Kamera, ein Internetzugang und vieles mehr – mithin eine nahezu universale digitale Kommunikationsmaschine.
Vernetzung
Der zweite Mega-Trend bezeichnet die seit der „Erfindung“ des Internets in den USA in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts2 immer weiter gehende Herstellung von Datenverbindungen zwischen Servern und Clients. Clients sind dabei mittlerweile nicht mehr bloß Computer, Tablets und Smartphones, sondern auch Fernseher, Kühlschränke und andere Haushaltsgeräte.
Das neue Leitmedium Internet erfüllt immer mehr Bedürfnisse der Menschen nach Kommunikation, Information und Unterhaltung. So ist es insbesondere für junge Menschen unverzichtbar in den kommunikativen Alltag integriert3.
Mobilität
Der Trend geht dabei zu einer immer umfassenderen drahtlosen Vernetzung. In Verbindung mit einer Miniaturisierung von Kommunikationsgeräten sind damit die Voraussetzungen für eine mobile und ubiquitäre Nutzung kommunikativer Techniken und Dienste gegeben. Dies führt aber auch zu einer Vermischung der Lebensbereiche; die frühere Trennung in „privat“ und „öffentlich“ ist zunehmend hinfällig. Gerade die mobile Nutzung von Kommunikationsgeräten hebt die frühere Trennung in „dienstlich“ und „privat“ auf – wie jeder beurteilen kann, der im ICE-Großraumwagen schon einmal unfreiwillig Telefonate mit anhören musste. Auf vielfältige ethische wie rechtliche Probleme in diesem Kontext kann hier nur verwiesen werden.
Interaktivität
Dieses ehemalige Unterscheidungskriterium zwischen sozialer und medialer Kommunikation ist spätestens seit der Entwicklung des sogenannten Web 2.0 hinfällig. Im klassischen „Einbahn“-Paradigma der Massenkommunikation stehen Medienproduzenten auf der einen Seite unumkehrbar Medienrezipienten auf der anderen Seite gegenüber. Die niedrigschwellige Nutzung von Blogs, Videoportalen, Kommentar- oder Sharing-Funktionen in sozialen Netzwerken steht hingegen jedem offen. Mit der Nutzung einer solchen Funktion bzw. eines entsprechenden Dienstes wird aus dem Rezipienten unmittelbar ein Produzent, der gestaltend auf den Kommunikationsprozess einwirkt.
Damit verschwimmen die Grenzen zwischen Individual- und Massenkommunikation, zumal auch scheinbar individuelle Kommunikation wie in Facebook letztlich ein Massenphänomen ist4. Es entstehen also neue Kommunikations-Öffentlichkeiten, die im Anschluss an Schmidt5 als „persönliche Öffentlichkeiten“ zu bezeichnen sind. Deren Merkmale im Vergleich zu den „professionellen Öffentlichkeiten“ der Massenkommunikation sind Themenwahl