ihre Lage, bis sie sich schließlich zu einem einzigen großen Kontinent vereinigten, dem man den Namen Pangäa gab. Fünfzig Millionen Jahre lang bewegte sich dieser Superkontinent frei über den Globus hinweg. Millionen Jahre später zerfiel Pangäa in Teile, und nach und nach traten an seine Stelle die Kontinente, wie wir sie heute kennen. Unter ihrer Oberfläche befinden sich die tektonischen Platten, die ständig aktiv sind, miteinander zusammenstoßen (und auf diese Weise Gebirge hervorbringen) oder sich überlagern bzw. sich in einer Bewegung, die man „Kontinentaldrift“ nennt, voneinander entfernen. Jedes Mal, wenn die tektonischen Platten aufeinanderstießen, löste das unvorstellbare Katastrophen aus, so wie auch vor 245 Millionen Jahren, als Pangäa auseinanderbrach. Dabei wurden 75 % bis 95 % der damals existierenden Lebewesen vernichtet.
Die Erde hat bereits mehrere große Massenvernichtungen der auf ihr existierenden Lebewesen erfahren. Zwei davon haben zu einer völligen Neuorganisation der Ökosysteme auf dem Festland und im Meer geführt. Die erste dieser Massenvernichtungen haben wir bereits beschrieben: Sie ereignete sich, als Pangäa auseinanderbrach und verschiedene Kontinente bildete. Die zweite fand vor 65 Millionen Jahren statt. Sie wurde von Klimaveränderungen, deutlichen Veränderungen des Meeresspiegels und dem Einschlag eines Meteoriten von etwa 9,6 Kilometern Durchmesser in Yucatan im Südosten Mexikos ausgelöst. Es brachen höllische Brände aus, unvorstellbar heftige Tsunamis (Seebeben) entstanden, zahlreiche giftige Gase breiteten sich aus und verursachten eine lang andauernde Verdunkelung der Sonneneinstrahlung. Die Dinosaurier, die 130 Millionen Jahre lang die Erde beherrscht hatten, verschwanden vollständig und erlitten damit dasselbe Schicksal wie 50 % aller lebenden Arten. Die Erde brauchte zehn Millionen Jahre, um sich zu erholen und ihre immense Artenvielfalt wiederzuerlangen. Doch da sie Gaia ist, das heißt ein lebendiger Großorganismus, verfügt sie über „Resilienz“2, das heißt eine große Fähigkeit, Einflüssen von außen standzuhalten und aus den Katastrophen Chancen entstehen zu lassen, um neue Formen des Lebens hervorzubringen und Anpassungen der Ökosysteme zu bewerkstelligen. Die eben geschilderte Katastrophe war der Ausgangspunkt dafür, dass den Säugetieren das Überleben ermöglicht wurde und dass schließlich der Mensch entstehen konnte.
Geologen und Biologen behaupten, dass eine weitere große Katastrophe in Gang sei. Ihnen zufolge habe sie vor 2,5 Mio. Jahren ihren Anfang genommen: Große Eisflächen begannen den Planeten zu bedecken und veränderten so das Klima und den Meeresspiegel. In dieser Zeit sei der homo habilis entstanden, der den Werkzeuggebrauch erfand (ein Stein, ein Stock …), um effektiver ins Naturgeschehen eingreifen zu können. Später, als er sich bereits zum homo sapiens sapiens weiterentwickelt hatte, legte er nicht nur eine unglaubliche schöpferische Kraft, sondern zugleich auch eine Zerstörungskraft von solchem Ausmaß an den Tag, dass er mit einem gewaltigen Meteoriten verglichen werden kann.
In den letzten drei Jahrhunderten hat der Mensch aufgrund eines verantwortungslosen und gedankenlosen Konsums eine systematische Zerstörung der Ökosysteme praktiziert. Er beschleunigt deshalb den Prozess der massenhaften Auslöschung der lebenden Arten in einem Tempo, das selbst den unerbittlichen Rhythmus der Natur bei Weitem übersteigt. Die „Treibhausgase“ (Kohlendioxid, Methan, Stickoxid, Wasserdampf und Ozon) sind die Hauptverursacher der globalen Erwärmung und der Klimaveränderungen, unter denen die Erde spürbar leidet.
Wir sind also von einigen Kräften abhängig, die sich unserer Kontrolle entziehen und die unsere Gattung vernichten können, so wie sie in der Vergangenheit bereits so viele andere Arten vernichtet haben. Doch das Leben selbst wurde niemals ausgelöscht. Nach jeder Vernichtung fand eine neue Genesis statt. Da die Intelligenz in erster Linie im Universum selbst angelegt ist und erst sekundär eine Qualität von uns Menschen ausmacht, kann man davon ausgehen, dass sie in anderen Lebewesen weiter existieren wird, die hoffentlich ein besseres Verhalten an den Tag legen als wir. Peter Ward, Geologe an der Universität Washington, meinte:
„Was spricht dagegen, dass einige Arten, die heute unbedeutend sind, zu Vorläufern irgendeiner großen Intelligenz werden, die Größeres vollbringt, und mehr Weisheit und Weitsicht an den Tag legt als wir? Wer hätte es denn vorhergesehen, dass die kleinen auf Bäumen lebenden Säugetiere, die vor 75 Millionen Jahren vor den Dinosauriern aus Furcht zitterten, eines Tages uns hervorbringen würden?“ (Ward 1997, 289) Hier liegt ein Grund dafür, warum wir alle Arten erhalten sollten: nicht, weil sie wirtschaftlich, medizinisch und wissenschaftlich für uns wertvoll sind, sondern wegen ihres evolutiven Potenzials, das sie möglicherweise enthalten. Die Zukunft der Intelligenz und des Bewusstseins kann anfanghaft in ihnen vorhanden sein.
Schließlich haben wir die Erde in ihrer bereits reifen Gestalt mit ihren heutigen Merkmalen vor uns: mit ihren Ozeanen und Flüssen, ihren Vulkanen, ihrer Atmosphäre, ihrer Flora und Fauna mitsamt deren immenser Artenvielfalt. Die verschiedenen Bestandteile (Felsen, Berge, Gewässer, Pflanzen, Tiere, Menschen und Mikroorganismen) sind einander nicht entgegengesetzt, sie alle sind vielmehr eng miteinander verknüpft und voneinander abhängig, sodass sie ein einziges komplexes und lebendiges System bilden. Dieses System ist Gaia; es weist ein so fein abgestimmtes Gleichgewicht seiner verschiedenen Bestandteile auf (Sauerstoffgehalt der Luft, Stickstoff im Boden, der Salzgehalt der Ozeane und die Gesamtheit der übrigen physisch-chemischen Elemente), wie es nur ein Lebewesen aufweisen kann. Innerhalb dieses komplexen und weitergehenden Prozesses bildet das Leben das erstaunlichste Phänomen, das auf unserem Planeten und möglicherweise innerhalb unserer Galaxie, der Milchstraße insgesamt, entstanden ist.
4. Die schönste Ausdrucksgestalt: das Leben3
Bis vor einiger Zeit hat man sich das Leben als etwas außerhalb des Entstehungsprozesses des Kosmos vorgestellt, als etwas Mirakulöses, das direkt von Gott kommt. Doch seit 1953, als Watson und Crick den genetischen Code entdeckten, wie er in der DNA von Zellen lebendiger Organismen vorhanden ist, änderte sich unsere Auffassung von der Entstehung des Lebens radikal. Es befindet sich nicht außerhalb des universalen Prozesses der Entstehung des Kosmos. Ganz im Gegenteil, es ist seine höchste Ausdrucksform. Die Forschung hat gezeigt, dass das Leben aus denselben physikalisch-chemischen Elementen besteht wie alle anderen Entitäten des Universums; sie organisieren sich in hoch komplexen Beziehungen zueinander. Alle lebenden Organismen verfügen über dasselbe grundlegende Alphabet: Zwanzig Aminosäuren und vier in den „Nukleotiden“ enthaltene Basen als Grundstoffe: Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin. Wir alle sind Brüder und Schwestern, Cousins und Cousinen. Wir unterscheiden uns jedoch durch unterschiedliche Silbenkombinationen dieses lebendigen Alphabets (Watson 2005).
Zu Beginn der 70er-Jahre begriff man im Zuge der thermodynamischen und physikalische Chaosforschung (wir erinnern an dieser Stelle nur an einen bedeutenden Wissenschaftler dieser Richtung, an den im Jahr 2003 verstorbenen russisch-belgischen Wissenschaftler Ilya Prigogine), dass das Leben auf einer sehr hohen Komplexitätsstufe der Materie und im Zusammenhang mit Turbulenzen und chaotischen Verhältnissen der Erde selbst entsteht. Das Chaos ist niemals nur chaotisch. Von Anfang an, seit dem Urknall, erweist es sich als produktiv, indem es immer komplexere und höhere Ordnungen hervorbringt. Das Leben ist eine Ausdrucksform dieser Organisation des Chaos. Es stellt die Selbstorganisation der Materie dar, wenn diese sich in einem Zustand außerhalb ihres Gleichgewichts befindet. Durch das Leben überwindet die Materie das Chaos, findet zu einem neuen dynamischen, sich selbst organisierenden und sich selbst regenerierenden Gleichgewicht. Sobald ein bestimmter Grad an Komplexität erreicht ist, entsteht das Leben als kosmischer Imperativ, wie dies der Mediziner, Biologe und Nobelpreisträger C. De Duve so unübertrefflich zum Ausdruck gebracht hat (Duve 1997).
Das Leben bricht überall dort im Universum hervor, wo diese Komplexitätsstufe erreicht ist. Das Leben ist die schönste uns bekannte Kreatur des Universums, das entzückendste Kind, das die Evolution jemals hervorgebracht hat, es ist stark und zärtlich zugleich, zerbrechlich und dennoch bis heute unzerstörbar.
Es geschah vor ungefähr 3,8 Millionen Jahren, möglicherweise in den Tiefen eines Urozeans oder in einem der alten Sümpfe auf diesem winzigen Planeten Erde innerhalb eines Sonnensystems von nur einem winzigen Bruchteil der Größe der Galaxie in einem ihrer Winkel (29.000 Lichtjahre von ihrem Zentrum entfernt, im Inneren des Orion-Spiralnebels): Die erste lebendige Zelle brach hervor, ein Urbakterium, das Aries genannt wurde. Es ist die Mutter aller Lebenden, die wahre