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500 Jahre Reformation: Bedeutung und Herausforderungen


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ist, sich an der Gestaltung der weltlichen Verhältnisse mit zu beteiligen und sich dabei an der göttlichen Gerechtigkeit zu orientieren. Das kann immer nur bruchstückweise geschehen, inkohativ, also stets anfangsweise, unvollständig und unter Berücksichtigung der Realitäten. Aber gerade so soll es geschehen.

      Unter Heinrich Bullinger hat man in Zürich dann den sogenannten Fürtrag eingerichtet: Die Pfarrer sollten das Recht haben, vor dem |96| politischen Rat aufzutreten und ihn zu ermahnen, ähnlich wie dies die Propheten im Alten Testament gegenüber ihren Königen getan hatten. Dieses prophetische Amt wurde zu einem wichtigen Element der Schweizer Reformation. Und dabei ging es keineswegs nur um religiöse Angelegenheiten: Die Armenversorgung als Aufgabe des gesamten Gemeinwesens, die Verordnung über den Zins, die Einrichtung von Schulen, die Söldnerpolitik, aber auch die Flüchtlingspolitik und die Verwendung öffentlicher Gelder waren tagespolitische Fragen, zu denen Bullinger den Rat auf den göttlichen Rechtswillen hinwies.

      2.4 Die Kirche als Gemeinschaft des dankbaren Bekennens

      Ulrich Zwingli hat in seiner Abendmahlslehre im «Commentarius» von 1525 das Abendmahl vor allem als «Bekenntniszeichen» und als «Dank» bestimmt. So hat er die biblischen Abendmahlstexte verstanden und sich durch die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen Wortes «Sakrament» als «Fahneneid» ebenso bestätigt gesehen wie durch die altkirchliche Bezeichnung des Abendmahls als «Eucharistie», als Dankesfeier.

      Dies hat ihm bekanntlich viel Kritik eingetragen. Zwingli selber hat später versucht, dieser Kritik Rechnung zu tragen. Bis heute werden die Abendmahlstexte aus seinen letzten beiden Lebensjahren kaum zur Kenntnis genommen. Die Schweizer Reformatoren nach ihm haben aber daran angeknüpft und sie weitergedacht. Bucer und Calvin haben versucht, von der späteren Position Zwinglis aus eine Brücke zu derjenigen Luthers zu schlagen. Die Abendmahlslehre Heinrich Bullingers wollte nicht einseitig einen einzelnen Punkt oder Bibelvers auf Kosten anderer betonen, sondern alle in der Bibel erwähnten Aspekte des «Mahls des Herrn» zu ihrem Recht kommen lassen. Das Abendmahl wurde so verstanden als Feier, in der sich zeichenhaft das ganze Leben der Kirche verdichtet. Sie ist «Eucharistie», eine Feier der Gemeinde, die dankend Christi Versöhnungstat gedenkt («das tut zu meinem Gedächtnis», 1Kor 11, 24), sie ist als Gemeindefeier eine Form der Christusverkündigung und sie ist zugleich Ausblick auf den zur Rechten Gottes erhöhten und wiederkommenden Christus («denn sooft ihr dieses Brot esst und diesen Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt», 1Kor 11, 26). Sie ist die Feier der Gegenwart Christi in seiner Gemeinde (Mt 18, 20), die an seinen Tisch geladen ist. Und sie besitzt als menschliches Gemeinschaftsmahl auch eine ethische Dimension, denn Gemeinschaft ohne gegenseitige Fürsorge und Rücksichtnahme ist unmöglich (vgl. 1Kor 11, |97| 17–34). Bullingers Abendmahlslehre ist weithin in Vergessenheit geraten. Aber nur, was den Namen ihres Autors angeht. Wer die Abendmahlslehre des Limadokuments mit derjenigen Bullingers vergleicht, wird viele Parallelen finden. Und das ist weniger Zufall, als es zunächst scheint. Immer ist der Gedanke der «Eucharistie», des Dankes, und des Bekennens präsent. Denn öffentliches Bekenntnis und Dank gehören wesentlich zum Leben der Kirche dazu. Sehr viel brennender wurde das Thema Bekennen dann in den protestantischen Kirchen der Diaspora und in den verfolgten Kirchen. Hier bildete sich eine neue Bekenntniskultur aus, zu der besonders Calvin Wichtiges beigetragen hat.

      Bekennen in der Tradition der Schweizer Reformation geschieht aber nicht nur gegenüber den Menschen, sondern es ist zunächst ein Akt gegenüber Christus selbst, zu dem es sich, in Verantwortung vor ihm, zu bekennen gilt. «Reformierte» zeigen nicht auf ihren eigenen Glauben, wenn sie «bekennen». Sie rufen Christus an. Die Überzeugung gehört zum Grundbestand der Schweizer Reformatoren: Kein Christenmensch besitzt einfach den wahren Glauben oder die wahre Glaubenserkenntnis – und kann ihn somit auch nicht einfach «weitergeben». Keine Kirche hat das Recht, sich selbst als verlängerten Arm der göttlichen Gnade auszugeben, keine Sakramentsfeier ist einfach ein Austeilen des Leibes Christi. Alles kirchliche Reden und Tun steht zunächst einmal in der Verantwortung vor Gott und kann nur im Gebet um den Geist geschehen. Die christliche Kirche ist nichts anderes als ein Stück Welt. Aber sie ist betende Welt: «Veni creator spiritus!» Und sie ist so dankende und immer wieder neu bekennende Welt. Das ist die kritische und zugleich heilsame Bedeutung der Betonung des göttlichen Geistes in der Schweizer Reformation. Denn nur so kämpft eine christliche Kirche oder Gruppe nicht für sich selber, sondern für das Kommen des Reiches Gottes und tut, was ihr aufgetragen ist.

      2.5 Worin besteht der besondere Beitrag der Schweizer Reformation zur Reformationsbewegung heute?

      Vieles von dem hier Erwähnten ist keineswegs Sondergut der Schweizer Reformation. Es wurde bereits gesagt: Eine religiöse Sekte gründen war das Letzte, das sie beabsichtigte. Stattdessen war sie mit der ganz einfachen und zugleich höchst anspruchsvollen Aufgabe beschäftigt, das grundlegende Christliche, Christus selbst als göttliches Wort und Ort der |98| göttlichen Versöhnung ernst zu nehmen. Eine Wiederbelebung des Konfessionalismus oder die Verehrung von Gründervätern stehen dem Geist der Schweizer Reformatoren entgegen. Und doch lohnt es sich, auf die besondere Weise, wie sie ihre Einsichten formuliert und in kirchengestaltender Weise umzusetzen versucht haben, zu hören. Allerdings macht eine Beschäftigung mit ihnen auch schnell deutlich, wie sehr sie, nicht anders als alle anderen Reformatoren, Kinder ihrer Zeit waren und deren Maßstäbe und blinde Flecken teilten. Man denke nur an das brutale und christlich nicht zu rechtfertigende Strafsystem, das keiner der Reformatoren je in Frage gestellt hätte, an die nur sehr ansatzweise kritisierte Ständegesellschaft, an die Selbstverständlichkeit, mit der sie die Notwendigkeit einer öffentlichen Einheitsreligion mit biblischen Texten gerechtfertigt und so die seit der Antike bestehende religiöse Intoleranz weitergeführt und gar verschärft haben, und an vieles mehr. Wäre nicht gerade eine Jubiläumsfeier ein guter Anlass, uns von den Reformatoren auch – in respektvoller, christlich-theologisch argumentierender Kritik – zu distanzieren, dort, wo sie dem, was sie sich zu sagen beauftragt sahen, in ihrem Reden und Handeln nicht gerecht wurden? Gerade Zwingli und Bullinger, die ihre Leserschaft ausdrücklich dazu aufgefordert haben, sie vom Evangelium her zu kritisieren und allenfalls zu korrigieren, müssten dafür eigentlich offen, ja dankbar sein.

      So könnte man vielleicht folgendermaßen bilanzieren: Der besondere Beitrag der Schweizer Reformation für die globale Reformationsbewegung heute und morgen besteht vornehmlich in einer Aufgabe: daran zu erinnern und dafür einzustehen, dass alle sich auf Christus berufenden Kirchen wahre Orte der Gemeinschaft des Lernens, der Versöhnung und des Rechts bleiben und immer mehr werden – und dazu gehört das Eingeständnis eigener Schuld und eigenen Versagens, aber auch Orte des Dankes und des Bekennens, und dies auch in sichtbarer und erfahrbarer Form mit politischer und gesellschaftlicher Ausstrahlung. Ob die anstehenden «Reformationsjubiläum» in dieser Hinsicht förderlich sind, ist noch offen.

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