Highschool-Abschluss in Seattle und zählte zu einer Gruppe besessener Melvins-Fans, die zu jedem Konzert reisten, das in halbwegs fahrbarer Entfernung stattfand. Moon: „Die Melvins waren meistens mit einem Transporter mit Tigermuster unterwegs, der ihrem Roadie gehörte, und dieser Roadie war Krist.“ Bei einem dieser Gigs bemerkte Moon auch Kurt zum ersten Mal.
Nach der Schule zog Moon nach Olympia und besuchte das Evergreen College. Zwar gab er sein Studium bald auf, aber er blieb in der Stadt, weil er die Musikszene so großartig fand. Eines Abends gingen Moon und sein Highschool-Freund Dylan Carlson zu einer Party im Dude Ranch, einem Club in East Olympia, und kamen zum ersten Mal mit Kurt ins Gespräch; die gemeinsame Begeisterung für die Band Big Black sorgte sofort für eine gewisse Verbundenheit. Schon damals zeigte sich Kurts einzigartiger Sinn für Ästhetik. „Kurt trug einen sehr auffälligen Trenchcoat“, erinnert sich Moon.
Einige Monate später erlebte Moon bei einer anderen Party zum ersten Mal die neue Band von Kurt und Krist. Dale Crover von den Melvins saß am Schlagzeug. Sie nannten sich – zumindest an diesem Abend – Skid Row. „Damals änderten sie ihren Namen praktisch für jeden Gig“, sagt Moon. „Kurt trug Glam-Klamotten, sogar Plateauschuhe, aber es war klar, dass das reine Verarsche war. Vor allem erinnere ich mich daran, dass er kein Gitarrensolo spielte. Er hatte ein digitales Delay-Pedal, und es war ein bisschen so, als ob er halbe Gitarrensoli brachte, um klar zu machen, dass er sich über dieses Rock-Klischee lustig machte. Es war bemerkenswert.“
Moon, der inzwischen in Olympia kleinere Konzerte veranstaltete, buchte Kurts Band für ihren zweiten Gig. Er gibt zu, dass sein Freund Dylan Carlson „schneller raushatte als ich, dass Kurt ein Genie war“. (Kurt war bis zu seinem Tod mit Dylan befreundet, der höchstwahrscheinlich der letzte war, der ihn lebend sah.) Moon hingegen erkannte Kurts Qualitäten erst, als der damals Zwanzigjährige ihm einen Song vorspielte. „Das war so ein echter Ohrwurm, noch mehr als die meisten Sachen, die später dann auf Bleach landeten. Das haute mich wirklich um. Dass er mit den verschiedensten Formen spielte. Auf seiner Jeansjacke prangten zwar die Namen seiner ganzen Lieblingsbands, die auf Touch And Go und anderen Indie-Labels erschienen waren, aber er konnte trotzdem einen umwerfenden Killer-Song schreiben.“
Schon in dieser Lebensphase nahm Kurt gelegentlich Drogen. „Als ich umziehen musste, fragte ich Kurt, ob er mir helfen konnte. Zwar sagte er, dass er sich nicht gut fühlte, aber als ich einwandte, dass er der einzige meiner Bekannten war, der ein Auto hatte, half er mir beim Einpacken, verschwand kurz draußen, weil er kotzen musste, kam dann aber wieder und zog den ganzen Umzug mit mir durch. Das war so nett von ihm, dass er mich unterstützte, obwohl er sich so scheiße fühlte. Dass er Drogen nahm, war mir gar nicht klar.“
Olympia beschreibt Moon als „hartes Pflaster, wenn man als cool gelten wollte. Die Stadt stand in dem Ruf, ziemlich elitär zu sein, und es hieß, dass es dort ziemlich viele Cliquen gäbe. Kurt wollte sofort von den Leuten dort anerkannt werden, und das schaffte er natürlich auch. Die Band war viel zu gut, als dass man sie nicht akzeptiert hätte. Außerdem war er bei Partys echt lustig. Manchmal war er erst ganz still, und dann plötzlich konnte er den ganzen Raum unterhalten.“
Olympia war auch das Zentrum der Riot-Grrrl-Bewegung, die gerade, als Kurt dort hingezogen war, in Schwung kam. Die Musikjournalistin Ann Powers, die unter anderem für die in Seattle beheimatete Wochenzeitung The Rocket schrieb und inzwischen eine Reihe von Büchern über Rockmusik und Feminismus herausgebracht hat, erklärt: „Riot Grrrl war Punk Rock mit Bewusstsein. Eine der einflussreichsten Bands, Bikini Kill, veröffentlichte ihr Album auf dem von Moon gegründeten Label Kill Rock Stars, dessen Vertrieb über K Records lief. Kurt hatte, als er in Olympia lebte, eine heiße Affäre mit der Bikini-Kill-Schlagzeugerin Tobi Vail.“ Courtney bestätigt das: „Tobi war die erste Frau, die Kurt wirklich geliebt hat.“
Powers führt weiter aus: „Die Erfahrungen, die er in dieser Szene machte, sorgten dafür, dass Nirvana anders tickten als Mudhoney oder Pearl Jam. Er war mittendrin. Er war mit einer Frau zusammen, die feministische Musik machte, alle wichtigen Bücher zu dem Thema las und die Welt unter diesem Blickwinkel betrachtete.“ Kurt wiederum beeinflusste auch Vail. Sie sagte Everett True, dass sie von Kurt viel über Gesang gelernt hätte, unter anderem, wie man Schreie so einsetzte, als sei die Stimme ein Musikinstrument.
Einen festen Platz in der Kurt-Cobain-Legende nimmt die Geschichte ein, dass Kathleen Hanna, die Leadsängerin von Bikini Kills, an die Wand über seinem Bett die Worte „Kurt smells like teen spirit“ schrieb. Sie bezog sich dabei auf das Deodorant, das Vail benutzte, aber Kurts künstlerisches Genie verarbeitete den Ausdruck auf seine ganz eigene Weise in seinem wohl berühmtesten Song. Courtney pflegte zwar, wie allgemein bekannt ist, eine herzliche Abneigung gegen die Musikerinnen von Bikini Kills, die auf Gegenseitigkeit beruhte, aber in unseren Gesprächen 2018 erklärte sie respektvoll: „Ich war zwar nie ein Fan ihrer Musik, aber ihre Kultur fand ich großartig.“
Die Riot Grrrls und Courtney Love standen für zwei sehr unterschiedliche Überzeugungen, die Everett True so beschreibt: „Es gab Bands wie die Sex Pistols und The Clash, die überzeugt waren, dass man die Gesellschaft unterwandern, von innen aufbrechen und das System auf den Kopf stellen sollte, und auf der anderen Seite Leute wie Ian MacKaye und Fugazi, die meinten, dass man durch jede Berührung mit dem System korrumpiert würde und besser außerhalb komplett alternative Strukturen schuf. Kurt entschied sich offensichtlich für das Unterwandern. Und er war am Schluss mit Courtney Love zusammen und nicht mit Tobi Vail. Das sagt doch schon alles, oder?“
Das spiegelt sich auch in Kurts Tagebüchern aus der Zeit nach den Aufnahmen von Nevermind: „Durch die jüngsten Kontakte zu Angestellten des Kapitalismus-Monsters habe ich festgestellt, dass es eine Handvoll äußerst ehrenwerter und aufrichtiger Musik-Fans gibt, die sich als Feinde getarnt haben, um selbst die Mechanismen des Imperiums zu infiltrieren und um das zu zerstören, was wir als Scheiße erkannt haben.“
Dass Kurt schließlich beschloss, Olympia den Rücken zu kehren, führten einige seiner Biografen darauf zurück, dass seine Beziehung zu Vail zerbrach, aber Krist nennt einen anderen Grund. „Er war wesentlich talentierter als die meisten Leute in der Stadt. Eine Menge Leute in der Kreativszene sind reine Poser, die nichts wirklich erschaffen. Kurt hingegen war wirklich ein Künstler.“
Mir hatte Kurt oft gesagt, dass die elitäre Haltung dieser Szene ihm auf die Nerven gehe und sie ihn in seinem Ehrgeiz bremse. Eric Erlandson berichtet: „Ich konnte verstehen, was Kurt an Olympia gefiel, aber auch, was ihm nicht gefiel – dass es dort so verbohrt und wertend zuging und überall geklüngelt wurde.“ Kurt beschwerte sich Azerrad gegenüber: „Ich wünschte mir, die Leute würde nicht alles so beschissen ernst nehmen. Jeder in der Underground-Szene scheint für irgendeine Utopie zu kämpfen. Es gibt unglaublich viele kleine Grüppchen. Wenn es nicht gelingt, eine vereinte Untergrundbewegung zu schaffen, sondern ständig über irgendwelchen Kleinkram gestritten wird, wie will man dann auf breiter Ebene irgendwas bewirken?“ Die Punk-Szene in Olympia wollte allerdings auch nichts bewirken. Kurts Talent und seine Sensibilität wurden gefeiert, aber seinen Ehrgeiz ignorierte man.
Courtney Love hatte eine Zeitlang in Olympia gelebt, bevor sie Kurt kennenlernte, und dabei eine noch bitterere Einstellung zu der Szene rund um K Records gewonnen. In ihrem Song „Rock Star“ von Holes Album Live Through This machte sie sich gallig über die dort herrschende Selbstzufriedenheit lustig: „When I went to school in Olympia / And everyone’s the same / We look the same / We talk the same.“ In der Akustikversion, die sie für die Sendung des legendären BBC-Moderators John Peel aufnahm, fügte sie in sarkastischem Ton hinzu: „I went to school with Calvin.“
Sie bezog sich dabei auf Calvin Johnson von K Records, der Kurt auf Künstler wie die Vaselines und Jad Fair aufmerksam gemacht hatte, auf Musik, die nuancierter ausfiel als der harte Sound der lauten Punk-Bands, die ein größtenteils männliches Publikum anzogen. Zwar nahmen Nirvana nie etwas für K auf, aber im September 1990 spielte Kurt in Johnsons Sendung auf KAOS ein paar akustische Songs und coverte mit ihm gemeinsam den Wipers-Song „D-7“. (In dieser Sendung gab Kurt zudem bekannt, dass Dave Grohl die Band am Schlagzeug verstärken würde.) 1991, nachdem er aus Olympia weggezogen war und kurz, bevor Nirvana bei Geffen unterschrieben, ließ sich Kurt das K-Records-Logo auf den Unterarm tätowieren. „Es soll mich daran erinnern,