Schlucken aus. Danach gingen wir zu einem Empfang. Dort waren alle japanischen Topmanager und auch der britische Botschafter mit seiner Frau. Sie erzählte uns: „Neulich waren wir bei Led Zeppelin, aber es war so schrecklich laut!“
Ich konnte nicht glauben, welche Massen zu den Konzerten strömten, alle schoben sich durcheinander, wiegten sich zur Musik und sangen. Wir können von Glück sagen, dass wir überall, wo wir hinkamen, eine ganz ähnliche Resonanz hatten – ein Publikum, das sehr dankbar war und gleich gut mitging. Später wussten sie instinktiv, dass sie bei „Love Of My Life“ mitsingen sollten. Es ist atemberaubend, so etwas zu beobachten. Ich musste es ihnen nicht sagen, sie waren sich ihrer Rolle einfach automatisch bewusst. Es gefällt mir, wenn ein Publikum so reagiert. Mag sein, dass es uns manchmal auch gefallen würde, wenn sie sich bei ein paar Songs mal hinsetzen und zuhören würden, aber ich habe wesentlich mehr davon, wenn sie ausrasten, denn das treibt mich selbst wieder zu Höchstleistungen.
Ja, es war eine harte Tour, aber sie beförderte uns über Nacht in eine ganz andere Liga. Es war eine Tournee, die wir machen mussten, damit wir danach in der Lage wären, die nächste Großbritannien-Tournee so zu gestalten, wie wir uns das vorstellten. Für den Anfang waren wir schon lange zuvor für einige mittelgroße Hallen gebucht, aber als die Konzerte näher rückten, hatten wir das neue Album draußen und waren öfters im Fernsehen, und alles überschlug sich. Wenn wir gewartet hätten, hätten wir auch in den ganz großen Hallen spielen können – es war nur eine Frage des Timings. Dennoch bin ich froh, dass wir die Tour zum damaligen Zeitpunkt durchgezogen haben, wenn sie auch große körperliche und mentale Belastungen mit sich brachte.
Es ist toll, auf Tournee zu sein und vor einer Ansammlung von Leuten die Bühne zu betreten, die einen nie zuvor gesehen haben. Man muss jedesmal ganz von vorne anfangen, und man spielt jeden Song, als wäre er ein neues Stück, und das macht Spaß. Daneben muss man auch all seine alten Tricks auffahren, weil uns stets daran gelegen ist, bei denen, die zu unseren Konzerten kommen, eine Reaktion auszulösen. Ich übertreibe gerne ein bisschen, und in meiner Bühnenshow gibt es ein paar Sachen, von denen ich weiß, dass die Leute in bestimmter Weise darauf reagieren. Ich hatte sogar einmal daran gedacht, mich von nubischen Sklaven auf die Bühne tragen zu lassen, die mir Luft zufächern. Ich wollte sie vorsingen lassen und dann persönlich die Gewinner auswählen. Aber woher soll man einen nubischen Sklaven nehmen?
Im Grunde wollen die Leute Kunst, Unterhaltung, und dann sehen, wie man in einer dicken Limousine davonfährt. Das ist der Grund, warum wir Alben und Konzerte als zwei verschiedene Arbeitsbereiche betrachten. Im Vergleich zur Bühnensituation herrscht im Studio eine ganz andere Atmosphäre. Wenn wir auf der Bühne vor einem Publikum stehen, können wir richtig loslegen. Wir setzen uns sehr hohe Maßstäbe, und neunundneunzig Prozent der Zuschauer würden unserer Beurteilung eines Konzertes nicht zustimmen. Wir schreien und brüllen uns gegenseitig an, zertrümmern die Garderobe und lassen ordentlich Dampf ab. Am Ende meckern wir an allem herum, sogar an der Luft, die wir atmen. Wir gehen uns ständig an die Gurgel. Eines Abends hatte Roger schlechte Laune und schmiss sein ganzes verdammtes Schlagzeug quer über die Bühne. Das Ding verfehlte mich nur knapp – er hätte mich umbringen können. Ein anderes Mal sprühte Roger in einem engen, dämpfigen Umkleideraum aus Versehen Brian sein Haarspray ins Gesicht, und sie hätten sich beinahe geprügelt. Trotzdem war das alles nicht böse gemeint!
Queen hatten sich zu diesem Zeitpunkt wirklich eine eigene Identität geschaffen. Amerika sah, dass wir gut waren, ebenso Japan, wo wir die größte Band waren. Ich habe keine Probleme damit, dass so zu sagen. Wir wussten, dass wir besser als alle anderen waren, weil wir unsere Musik immer strikt nach unseren eigenen Vorstellungen gestaltet hatten. Wir wussten, dass man uns The Beach Boys nennen würde, wenn wir etwas mit Harmoniegesang machten, und wenn wir etwas Rockiges machten, dann wären wir wieder Led Zeppelin. Statt dessen verwirrten wir die Leute lieber und bewiesen, dass wir nicht wie irgend jemand anders waren. Wenn überhaupt, dann haben wir mehr mit Liza Minelli gemeinsam als mit Led Zeppelin. Wir bewegen uns mehr in der Tradition des Showgeschäfts als in der Rock’n’Roll-Tradition. Wir hatten eine eigene Identität, weil wir all das zusammentrugen, was Queen heute definiert. Das schienen die Leute nicht zu begreifen.
Wir lernten andauernd dazu, denn man ist immer nur so gut wie sein letztes Konzert. Wir strebten nach Perfektion und wollten unsere Show noch mehr auf Hochglanz bringen. Es klappt natürlich nicht immer alles so, wie man es sich vorstellt. Wie oft stürmte ich zu einem Kostümwechsel von der Bühne und musste dort hören, wie Brian sein Gitarrensolo abrupt beendete, während ich gerade noch dabei war, meine Hosen anzuziehen. Dann musste ich halb angezogen zurück auf die Bühne. So etwas ist mir weiß Gott nicht nur einmal passiert.
Wir dachten, solange wir das Gefühl hätten, voranzukommen und Neuland zu betreten, wären wir glücklich und müssten einfach weitermachen. Bekanntlich wollten sie uns ja nicht nach Russland hineinlassen, weil sie dachten, wir würden die Jugend korrumpieren oder so. Wir wollten dort auftreten, wo noch nie Rock-Musik gespielt worden war. Aus diesem Grund gingen wir nach Lateinamerika (1981), und öffneten schließlich Südamerika für den Rest der Welt. Wenn man es dort schafft, kann man eine irre Menge Geld verdienen.
Ursprünglich gingen wir nach Südamerika, weil man uns dorthin eingeladen hatte. Sie wollten vier gesunde Burschen sehen, die ein bisschen nette Musik spielten. Am Ende unserer Reise wollte ich den gesamten Kontinent aufkaufen und mich selbst zum Präsidenten ausrufen. Wir hatten schon lange mit dem Gedanken gespielt, eine große Südamerika-Tournee zu machen. Aber eine Queen-Tournee beschränkt sich nun einmal nicht nur auf die Band. An einer Tournee ist eine stattliche Anzahl von Personen beteiligt, und ein solches Unternehmen kostet uns sehr viel Geld. Schließlich sagten wir: „Scheiß auf die Kosten, meine Lieben, jetzt leben wir mal ein bisschen!“
Ich wusste zwar einiges über Argentinien, aber ich hätte nie gedacht, dass wir dort so bekannt sind. Es war verblüffend für mich, wie eine gesamte Nation darauf reagierte, dass wir dort waren. Wir waren alle schrecklich nervös, weil wir ja nicht erwarten konnten, dass uns der Erfolg auf fremdem Territorium automatisch zufiel. Ich glaube, ich habe noch nie eine derart ambitionierte Show gesehen, mit dem ganzen Licht und den Effekten, die wir verwendeten.
Aus aller Welt kamen ganze Horden von Journalisten, um unsere Auftritte in Argentinien und Brasilien zu begleiten. In Sao Paulo spielten wir an einem Abend vor einhundertzwanzigtausend, am nächsten Abend vor einhundertdreißigtausend. So etwas hatte es noch nicht gegeben, und es war alles ganz neu für sie. Sie sorgten sich darum, dass es bei einer solch großen Menschenmenge politische Züge annehmen könnte, und baten mich inständing, nicht „Don’t Cry For Me Argentina“ zu singen. Sie beorderten die Todesschwadron zu unserem Schutz, diese ganz schwer bewaffnete Polizeitruppe, die Leute schon beim kleinsten Muckser abknallt – für den Fall, dass die Menge außer Kontrolle geraten sollte. Und bevor wir auf die Bühne gingen, stand dort eine riesige Reihe Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten.
Von einem Ort zum anderen wurden wir in gepanzerten Fahrzeugen transportiert, die ansonsten nur bei Ausschreitungen eingesetzt wurden. Meine Lieben, das war der aufregendste Teil an der ganzen Sache. Vor uns donnerte eine Kolonne aus sechs Polizisten auf Motorrädern, die uns durch die Menschenmassen manövrierten und winkten wie eine Ehrengarde. Der Wagen hatte Öffnungen an den Seiten, wo die Polizisten ihre Gewehre durchstecken konnten, und wir mittendrin, wie wir auf höchst dramatische Weise das Stadion verließen. Es war fantastisch.
1985 in Rio war es wunderbar. Es verdrehte einem völlig den Kopf, dort oben zu stehen und all diese Menschen mit dem kleinen Finger zu dirigieren. Bei „Love Of My Life“ musste ich wie verrückt blinzeln und ganz schön hart schlucken. Es war dasselbe Gefühl, das ich auch bei der Last Night Of The Proms bekomme. Der Sonnenschein macht einen gewaltigen Unterschied, und die Leute können dort unten richtig aufblühen. Sie waren ein wunderbares Publikum, und es gefiel mir sehr, wie sie ihren Gefühlen freien Lauf ließen.
Manchmal gerieten sie zu sehr in Erregung, und einmal gab es Probleme, als zwischen einigen Zuschauern und einem Kameramann eine Schlägerei ausbrach. Es war bei „I Want To Break Free“, weil wir uns für das Video zu diesem Song alle ganz tuntig aufgetakelt hatten. Ich kam also mit falschen Titten unter meiner Weste und einem Staubsauger auf die Bühne, um dieses Bild wachzurufen, und da drehten sie ein bisschen durch. Anfangs