Freddie Mercury

Ein Leben in eigenen Worten


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dass mein Leben ebenso verläuft, wie ich mich auf der Bühne benehme. Das ist aber nicht der Fall. Die Annahme, dass ich ein Leben voller Exzesse führe, ist vollkommen überzogen. Im Großen und Ganzen führe ich ein Leben, dass sich vielleicht ein klein wenig abseits der Norm bewegt, aber ich stehe nicht die ganze Zeit unter Strom. Ich lebe nicht wie ein Kamikazeflieger. Ich bin extravagant, mein Energiepegel ist sehr hoch, und ich erledige alles gerne sehr schnell. Ich kann über eine lange Zeitspanne ohne Schlaf auskommen, so bin ich eben. Aber wegen meiner Bühnenpersönlichkeit denken die Leute, dass ich nach dem Konzert genauso weitermache. Wenn ich das täte, wäre ich längst tot.

      Ich will nicht, dass die Leute sagen, sie haben mich auf der Straße gesehen und ich benehme mich ganz genauso. Nein, nein, nein, sie müssen einsehen, dass sich eine Person auch verändern kann. Das ist wahres Talent. Das ist es, was einen zu etwas Besonderem macht. Man kann das, was man auf der Bühne macht, nicht zu Hause in der Küche machen, nicht in seinem Haushalt. Man muss zu einer anderen Person werden, damit man wieder frisch gestärkt in seine Bühnenrolle schlüpfen kann, damit es etwas Besonders bleibt. Ansonsten würde es keinen Unterschied machen, ob man sein Haus verlässt oder die Bühne betritt.

      Die Zeiten, in denen ich außerhalb der Bühne das Freddie-Mercury-Image bedient habe, um den Erwartungen anderer Leute gerecht zu werden, sind vorbei. Ich habe festgestellt, dass man schnell ein sehr einsamer Mensch wird, wenn man das tun muss, also habe ich keine Angst davor, von der Bühne zu gehen und einfach ich selbst zu sein – was für manche Leute sehr langweilig und banal wirken mag. Zu Hause bin ich der Jeans-und-T-Shirt-Typ. Viele Leute sind sogar regelrecht enttäuscht, wenn sie mich treffen, weil sie erwarten, dass ich genauso bin wie auf der Bühne. Aber ich bin ein menschliches Wesen, und es wäre mir recht, wenn die Leute erkennen würden, dass ich genauso gut oder schlecht bin wie jeder andere auch. Ich habe dieselben Gefühle und dieselben zerstörerischen Fähigkeiten in mir, und ich glaube, die Leute sollten mir diese Freiheit zugestehen. Ich bin gerne so, wie ich bin und kümmere mich einen Scheißdreck darum, was andere Leute sagen.

      Ich möchte, dass sich die Leute ihr eigenes Bild von mir und meinem Image machen. Ich will nicht sagen müssen: „Seht her, so bin ich.“ Ein bisschen Geheimniskrämerei, die Wahrheit über jemanden nicht zu kennen, ist sehr reizvoll, und das letzte, was ich will, ist, den Leuten einen Hinweis geben, wer ich wirklich bin. Deshalb spiele ich auch diese bisexuelle Karte aus – weil es eben etwas anderes ist. Es macht Spaß.

      Natürlich bin ich aufbrausend, schrill, theatralisch und dramatisch, aber ich habe mir diese Image nicht ausgesucht. Ich bin ich selbst, und die Hälfte der Zeit lasse ich mich einfach treiben. Ich hätte mir selbst Unrecht getan, wenn ich kein Make-Up aufgetragen hätte, nur weil ein paar Leute denken, sowas tut man nicht. Selbst nur davon zu sprechen, schwul zu sein, war schon widerwärtig und unerhört, doch diese Zeiten sind vorbei. Es herrscht jetzt eine ganz andere Freiheit, und man kann sich darstellen, wie immer man möchte.

      Ich will immer vor so vielen Menschen wie möglich spielen. Je größer, desto besser! Ich glaube, jeder, der erfolgreich sein will und erfolgreich ist, will vor möglichst großen Menschenmassen spielen, und ich scheue mich nicht, das auszusprechen und zuzugeben. Ich will so viele Menschen erreichen, wie ich kann, und je mehr es sind, desto schöner. Am liebsten wäre es mir, wenn die ganze Welt meine Musik hören könnte und alle mir zuhörten und mir zusähen, wenn ich auf der Bühne spiele.

      Die Vorgruppe zu sein, war eines der traumatischsten Erlebnisse meines Lebens. Wenn man einen anderen Künstler auf seiner Tournee begleitet, gibt es so viele Einschränkungen. Man bekommt keine eigene Lightshow, die Spielzeit ist begrenzt, es gibt keine Effekte. Man hat gar keine Möglichkeit, dem Publikum zu zeigen, was man wirklich kann, bevor man nicht der Headliner ist und weiß, dass die Leute nur wegen einem selbst gekommen sind.

      Als wir zum ersten Mal in Amerika waren, war das als Vorgruppe von Mott the Hoople, und es diente als so genannte Eisbrecher-Tournee. Wir bekamen einen ersten Eindruck von Amerika und wussten daher, was notwendig wäre, wenn wir das nächste Mal kämen. Wir glaubten daran, dass es um die Musik und nicht um die Effekte ging, und wir fanden, dass unsere Musik etwas grundlegend anderes hatte – eine gewisse Originalität und Vielseitigkeit. Unsere Plattenfirma in Amerika, Elektra, vermarktete uns nicht als die Stars von morgen. Sie sagten: „Hört euch das mal an. Das ist britischer Rock in der königlichen Tradition.“

      Wir hatten ein paar Rückschläge. Wir waren dort mit dem Album Queen II im Gepäck, das sich gut verkaufte, aber auf dem Höhepunkt der Tournee erkrankte Brian an Hepatitis. Er hatte die Krankheit schon seit sechs Jahren mit sich herumgetragen, ohne es zu wissen. Jedenfalls war die Absage der Tour ein Schock, und wir dachten, es wäre ein großer Verlust. Trotzdem schafften wir immerhin einen Monat, und wenn wir gar nicht hingegangen wären, hätten sie wahrscheinlich gedacht, dass wir überhaupt nicht existierten. Natürlich wäre eine ganze Tournee schon noch ein Stück besser für uns gewesen, aber wir dachten nie, dass wir dadurch unsere „Chancen verspielt“ hätten. Wir wussten, dass die Zeit dort für uns reif war und wir ziemlich bald wieder zurück sein würden. Sie hätten die Presseberichte lesen sollen – die waren unglaublich. Sie wollten einfach, dass wir sobald wie möglich wiederkommen.

      Im Jahr darauf gingen wir nach dem Ende unserer Europatournee zurück in die Staaten. Die Tour dauerte zwei Monate und schlug ganz schön ein, aber ich fiel dabei gewaltig auf die Nase. Ich hatte Schwierigkeiten mit meiner Stimme und dachte zunächst, es wäre nur eine Halsentzündung. Dann begann es richtig weh zu tun, besonders, als wir einmal sechs Konzerte an vier Abenden hintereinander gaben. Auf meinen Stimmbändern hatten sich bereits solche grässlichen Knötchen gebildet. Ich suchte Spezialisten auf, und die sprachen von einer Operation. Sie würden mich einer Laserbehandlung unterziehen und die Dinger einfach abfackeln. Aber sie wussten nichts über die Nachwirkungen, welche möglicherweise gefährlich sein könnten. Schließlich sagten sie mir, ich solle den Beruf des Sängers an den Nagel hängen, oder ich würde bald überhaupt keine Stimme mehr haben. Das jagte mir richtig Angst ein, und wir mussten eine ganze Menge Konzerte absagen.

      In Amerika schienen wir vom Pech verfolgt zu sein. Auf unserer ’75er-Tournee schlich sich eine junge amerikanische Tussi in mein Hotelzimmer und stibitzte meinen Schmuck und meine Armreifen. Sie hatte gerade das Zimmer verlassen, als ich sie beim Aufzug ansprach. Ich zog sie an den Haaren, zerrte sie zurück ins Zimmer, leerte ihre Tasche aus, und alles außer dem Waschbecken fiel heraus. Ich nahm meine Siebensachen wieder an mich und sagte: „Verschwinde, du Seattle-Schlampe.“

      Ein Jahr später wäre meine viel versprechende Pop-Karriere beinahe zu einem vorzeitigen Ende gekommen. Zwei junge Mädchen, die vor der Halle warteten, hatten beschlossen, meinen Schal als Souvenir zu beanspruchen. Dabei hätten sie fast vergessen, dass er zu diesem Zeitpunkt noch um meinen Hals geschlungen war, und hätten mich beinahe stranguliert. Ich bin sicher, dass Ihre Majestät sich nicht mit solchen Sachen herumschlagen muss, aber andererseits hatte sie auch nie etwas in den Charts, oder?

      Ich habe die Tourneen durch Japan immer genossen, besonders wegen all dieser Geisha-Mädchen – und Jungen. Es gefiel mir dort sehr, der Lebensstil, die Kunst – wundervoll! Ich würde morgen wieder hinfliegen, wenn ich könnte. Schon als wir landeten, wussten wir, dass es sehr aufregend werden würde. Als wir das Flughafengebäude betraten, wollten wir unseren Ohren nicht trauen. Sie hatten sämtliche Flugansagen unterbrochen und spielten statt dessen unsere Musik. Es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn man ein Land betritt, das bereits voller Fans ist, und wir alle hofften, diese Erwartungen auch erfüllen zu können.

      Damals war Queen II die LP des Jahres, und die Hysterie begann in dem Moment, als wir dort ankamen: Tumulte am Flughafen, Bodyguards, ganz wie zu seligen Beatles-Zeiten. Die Organisation war beeindruckend, und wir genossen jede einzelne Minute. Wir benötigten Schutz, denn man konnte nicht einmal in die Hotellobby gehen, weil sich dort lauter nette Leute drängten, die ein Autogramm wollten. Wir hatten jeder einen persönlichen Bodyguard, und meiner hieß Hitami. Er war der Kopf des Sicherheitsdienstes von Tokio und hatte nichts anderes zu tun, als mir während der Tournee jeden Wunsch von den Lippen abzulesen und dafür zu sorgen, dass mir nichts geschah. Er war furchtbar nett und schenkte mir eine wunderschöne japanische Laterne, die mir sehr kostbar ist.

      Wir gingen auch zu einer Teezeremonie, wie damals