jetzt Constantin Marten. Und Dr. Jenny Behnisch beauftragte Schwester Beate, Cordula Tee zu bringen.
Constantin brachte Cordula ein wunderhübsches Orchideengesteck mit.
»Ich weiß, daß man Blumen hier ungern in den Krankenzimmern sieht«, sagte er, »aber diese riechen nicht stark. Ich weiß ja nicht, womit ich dir sonst eine Freude machen kann, Cordula.«
»Mit deinem Kommen«, sagte sie. Und wenn die Worte auch undeutlich klangen, ein freudiger Schrecken war es für ihn doch.
»Es geht dir ja schon besser, Cordula«, sagte er zärtlich.
»Es tut noch weh, aber ich muß wieder ganz gesund werden.«
»Das wünsche ich auch.« Er küßte ihre Hände, und dann kam Schwester Beate mit dem Tee.
Ein paar kleine Schlucke nur trank Cordula, aber auch das tat weh. Constantin merkte, wie es sie anstrengte.
»Es wird mit jedem Tag besser werden«, tröstete er leise. »Professor Eckert wird dir bestimmt helfen können. Er ist eine Kapazität, und ich glaube fest, daß alles unternommen wird, um dir zu helfen, Cordula.«
»Du hilfst mir am meisten«, sagte sie mühsam. »Ulrich darf nicht bei Joana bleiben.« Flehend sah sie ihn an.
Er wußte genau, was sie bewegte, denn auch er kannte Joana recht gut, wenn er auch tunlichst jeden engeren Kontakt zu ihr gemieden hatte. Er ahnte Cordulas Befürchtungen und wußte doch nicht, was er diesbezüglich tun sollte.
Er brachte es nicht fertig, ihr zu sagen, daß Joana mit dem Jungen verreist war. Sie mußten vorerst eine Ausrede finden, und er wollte sich darüber mit den Ärzten abstimmen. Es mußte alles genau bedacht werden, damit es ja keinen Rückschlag in Cordulas Befinden gab. Er dachte genau wie die Behnischs, die sich jetzt schon den Kopf zerbrachen, womit man Cordula beruhigen könnte.
»Joana versteht doch nichts von Kindern, von Ulrich schon gar nicht«, fuhr Cordula mit größter Anstrengung fort.
Er streichelte ihre Wange. »Du darfst deine Stimme jetzt nicht so strapazieren, Cordula«, mahnte er besorgt. »Es ist auch besser, wenn wir noch etwas warten, bis Ulrich kommt. Er begreift sicher nicht, daß du immer noch in der Klinik bleiben mußt und daß du nicht richtig sprechen kannst. In ein paar Tagen kann alles schon viel besser sein.«
»Und wenn er mich gar nicht mehr erkennt?«
»So klein ist er nun auch wieder nicht mehr. Mach dir nicht solche Gedanken.«
»Ich weiß nicht, was Joana ihm alles erzählt hat!« Tränen liefen wieder über ihre Wangen. Er beugte sich zu ihr hinab und küßte sie weg. Sanft legte er dabei seine Hände um ihr Gesicht. »Es wird alles gut werden, Liebes. Das Schlimmste ist überstanden.«
Sie schloß die Augen. »Ich habe es ihm gesagt, Constantin«, murmelte sie, aber dann war ihre Kraft aufgebraucht. Sie sank zurück in den Schlummer, der ihre Gedanken auslöschte.
Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht, und bei aller Liebe und Zärtlichkeit, die er für sie empfand, hatte er doch Angst, daß auf diesem Unglücksflug etwas geschehen sein könnte, was ihr Bewußtsein belastete.
Wie hatte er um ihr Leben gezittert und doch nicht gewagt, sich jemandem mitzuteilen! Er hatte die Angst ganz allein ertragen müssen, weil niemand wissen sollte, wie er zu Cordula stand. Für Joana wäre es freilich ein gefundenes Fressen gewesen, wenn sie auch nur geahnt hätte, was ihn und Cordula seit einiger Zeit wirklich verband, wie nach all den Jahren plötzlich die Erkenntnis gekommen war, wieviel mehr als Freundschaft sie füreinander empfanden. Nein, es sollte niemand wissen. Es war ihr Geheimnis, bis Cordula es selbst lüftete.
Er streichelte ihre Hände mit dem Gedanken, ihr Kraft von sich zu geben. Er wußte, daß er nichts unversucht lassen durfte, um Ulrich zu seiner Mutter zu bringen. Er mußte Joana und den Jungen finden!
*
»Warum fahren wir nicht zu Mami?« fragte Ulrich zu dieser Zeit. Er hatte diese Frage schon mehrfach gestellt.
»Sie könnte dich doch gar nicht sehen und nicht mit dir reden«, erwiderte Joana gereizt. »Hör endlich mit dieser Fragerei auf!«
»Aber du hast gesagt, wir fahren zu Mami«, erklärte der Kleine trotzig. »Ich mag nicht so weit Auto fahren.«
»Wir werden bald am Ziel sein, und es wird dir gefallen«, sagte sie. »Wer weiß, ob deine Mami wieder richtig gesund wird und mit dir verreisen kann.«
Der kleine Junge blickte sie verstört an. »Wie kannst du so etwas sagen? Wie kannst du so böse sein?« stieß er hervor.
»Jetzt hörst du aber endlich auf!« rief sie schrill. »Ich bin nicht böse. Ich muß aber auf den Verkehr aufpassen, und du machst mich nervös.«
»Dann rede ich eben nie mehr«, sagte er trotzig.
»Du bist ein verzogener Bengel.«
Das hatte sie schon öfter gesagt, aber diesmal verhielt Ulrich sich ganz still. Seine Lippen preßten sich fest aufeinander. Er war entschlossen, nie mehr mit Joana zu reden.
Das wurde ihr nach einer Weile unheimlich.
Als Seefeld vor ihnen lag, sagte sie: »Nun wird nicht mehr geschmollt, Ulrich.«
Er blieb stumm. Sie hielt an.
»Schauen wir uns mal nach einem Hotel um«, sagte sie.
Kein Wort kam über seine Lippen.
Ein paar Leute gingen vorbei.
»Das Alpen-Hotel ist wirklich phantastisch«, sagte eine elegante junge Frau. »Das nächste Mal buchen wir auch dort, Schatz.«
Joana erinnerte sich daran, daß ihr Mann auch schon mal von diesem Haus gesprochen hatte, aber er hatte gemeint, daß es doch zu abgelegen sei, wenn es auch jeglichen Komfort bot. Aber Joana konnte das jetzt nur recht sein.
Also bugsierte sie den schweigsamen Ulrich wieder ins Auto, und weiter ging die Fahrt. Ulrich hätte gern etwas gefragt, aber er hatte geschworen, nicht mehr zu reden. Daran hielt er sich nun auch.
Joana war auf die kurvenreiche Straße konzentriert und achtete nicht mehr auf ihn. Er hatte sich auf die Rückbank gelegt und die Augen geschlossen.
Er öffnete sie auch nicht, als sie beim Alpenhotel angekommen und in die Tiefgarage eingefahren waren.
»Steig jetzt aus, Ulrich«, sagte sie streng und zog ihn am Arm.
Sie übersah den eigenartigen Blick des Portiers, der herbeigeeilt kam, aber Ulrich bemerkte ihn. Er betrachtete den schwarzhaarigen Mann mittleren Alters – allem Anschein nach ein Italiener, und die waren besonders kinderlieb – als Verbündeten und zwinkerte ihm ein bißchen zu. So, wie er es immer mit seiner Mami gemacht hatte, wenn sie sich mit den Blicken verständigen wollten. Zum Beispiel, wenn der Papi schlecht gelaunt gewesen war.
Er hatte den Papi gern gemocht. Er war zu ihm auch immer sehr nett gewesen, aber an der Mami, Ulrichs heißgeliebter Mami, hatte er öfter herumgenörgelt, vor allem im Urlaub, wo sie jeden Tag beisammen gewesen waren. Das hatte Ulrich nicht vergessen.
Joanas Stimme konnte er sowieso nicht leiden. Da kam er mit Onkel Jochen noch besser aus. Und seit Joana mal gesagt hatte, daß seine Mami sicher nicht wieder gesund werden würde, haßte Ulrich seine Tante, wenn er auch noch nicht begriff, daß es Haß war.
Nun waren sie mit dem Aufzug in die Halle gefahren, eine weite, prächtige Halle, aber Ulrich konnte dies nicht imponieren. Er war schon in mehreren Luxushotels gewesen. Seine Mami war nie ohne ihn gereist.
Joana wurde aufs höflichste informiert, und Ulrich wurde auch gefragt, wie er heiße. Aber er war entschlossen, weiterhin zu schweigen. Er sei müde von der Fahrt, erklärte Joana deshalb entschuldigend.
Sie fuhren mit dem Lift in den sechsten Stock zu einem wunderschönen großen Appartement. Da gingen auch Joana fast die Augen über. Ja, wenn Jochen solch ein Hotel besäße. Sie war wieder einmal von Neid erfüllt.