A. F. Morland

Wenn ein Killer Amok läuft: Ein Roberto Tardelli Thriller #75


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ihnen auch nichts. Darauf wurden sie gedrillt – aufs Überleben in allen Lagen.

      Burke noch einmal zu rufen, erachtete Roberto als sinnlos.

      Wenn Burke in der Lage gewesen wäre zu antworten, hätte er es längst getan. Roberto hielt den Atem an und lauschte. Kein verräterisches Geräusch. Er schien sich mutterseelenallein auf dieser großen Jacht zu befinden. Aber er war nicht so verrückt, das einfach als gegeben hinzunehmen, ohne sich gründlich davon überzeugt zu haben.

      Der Mafiajäger erreichte das Cockpit der Jacht.

      Im selben Moment entdeckte er George Burke.

      Der Anblick des Staatsanwalts drehte ihm den Magen um und sein Schweißausbruch verdreifachte sich.

      6

      Roberto Tardelli machte nicht den Fehler, vorwärtszustürmen und nur noch Augen für den ermordeten Staatsanwalt zu haben. Noch war nicht erwiesen, dass der Killer die Jacht bereits wieder verlassen hatte. Roberto verschaffte sich zuerst auf Deck und anschließend unter Deck Gewissheit, dass er mit dem Toten allein an Bord war.

      Erst dann kehrte er zu Burke zurück.

      Er schob die Luger in die Schulterhalfter und kniete sich neben den Leichnam, dessen Blut noch nicht geronnen war.

      Zu spät!, hämmerte es in Roberto Tardellis Kopf. Du bist zu spät gekommen!

      Obwohl ihn daran nicht die geringste Schuld traf, ging ihm dieser brutale Mord doch gewaltig an die Nieren. Er hatte sich gleich nach dem Anruf des COUNTER CRIME-Chefs Colonel Myer in Columbus, Ohio, in die nächste Maschine gesetzt, die nach Miami flog, und war unverzüglich zu Burkes Hotel gefahren, nachdem er eingetroffen war.

      Vielleicht wäre das hier zu verhindern gewesen, wenn COUNTER CRIME eine Stunde früher von der Sache Wind bekommen hätte. Wenn! Aber …

      Zu spät.

      Man hatte Roberto Tardelli zu spät informiert und dann nur noch gehofft, dass der clevere Mafiajäger das Wunder vollbringen würde, mit dem keiner ernstlich zu rechnen wagte.

      Zu spät.

      Roberto Tardelli zählte insgesamt sechs Einschüsse. Jeder einzelne Treffer war tödlich gewesen.

      Roberto kannte nur einen Mann, der so arbeitete: Mel Kowalski. Jeder andere Killer hätte einmal, zweimal – höchstens dreimal abgedrückt, aber nicht sechsmal. Das tat nur Mel Kowalski. Weil er ein Satan war. Weil es ihm nicht genügte, ein Menschenleben zu vernichten. Er musste immer auch den Körper des Opfers zerstören.

      Roberto erhob sich.

      Er ballte die Hände und ließ seinen finsteren Blick über den Atlantik schweifen.

      „Irgendwann kriege ich dich, Mel Kowalski!“, murmelte er grimmig. „Und dann präsentiere ich dir die Rechnung für das hier! Und für all die anderen Morde, die auf dein verdammtes Konto gehen!“

      7

      Der schiefergraue Pontiac Firebird rollte die schnurgerade Straße entlang. In dieser Gegend waren die billigeren Quartiere. Vor den Spielsalons hockten Hippie-Typen auf dem Bordstein, rauchten Haschisch oder Marihuana. Zumeist lutschten sie zu zehnt an einer einzigen Zigarette, denn für einen eigenen Joint reichte das Geld nicht.

      Die Sonne stand schon tief am Horizont.

      Bald würde sie hinter den Dächern der Hotels verschwunden sein.

      Dann würden die Ratten, die es auch hier gab, wieder aus ihren Löchern kriechen, verbotene Geschäfte machen, Touristen hereinlegen, bestehlen, erpressen … Und einige Verbrechen würden im Auftrag der Mafia verübt werden. Roberto Tardelli seufzte. Es war nirgendwo anders in den Staaten. Die Ehrenwerte Gesellschaft hatte ihre Drecksfinger überall. Und sosehr Roberto Tardelli dieser gefährlichen Unterweltorganisation auch schadete, indem er sie unerschrocken und mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln bekämpfte – sie restlos zu vernichten würde, das wusste er, ein Traum bleiben, der sich niemals erfüllte.

      Der Mafiajäger war zu einer kleinen Spelunke unterwegs, die sich „Little Tattoo“ nannte.

      Er hatte den Namen von Bathseba Lane.

      Gleich nachdem er den toten Staatsanwalt an Bord seiner Jacht gefunden hatte, war Roberto Tardelli nach Miami Beach zurückgekehrt. Bathseba hatte inzwischen weiter getrunken und sich dann mit einer ziemlichen Schlagseite auf ihr Zimmer zurückgezogen. Dort erfuhr sie von Roberto, was mit George Burke passiert war. Ihr Weinkampf bewies dem Mafiajäger, dass das Mädchen den Staatsanwalt mehr geliebt hatte, als er vermutet hatte.

      Er brauchte eine halbe Stunde, um sie so weit zu beruhigen, dass sie wieder ein vernünftiges Wort reden konnte.

      Zwischendurch alarmierte er die Wasserpolizei, damit diese Burke hereinholte.

      Und während diese Aktion lief, redete Roberto geduldig auf das gebrochene Mädchen ein. „Versuchen Sie sich an Dinge zu erinnern, die Ihnen in den vergangenen Tagen vielleicht ein wenig seltsam vorgekommen sind, Bathseba“, sagte Roberto eindringlich. „Die unscheinbarste Kleinigkeit kann mitunter von eminenter Wichtigkeit sein.“

      Das blonde Mädchen schüttelte verzweifelt den Kopf. „Es ist mir nichts aufgefallen, Roberto. Nicht das Geringste.“ Sie wollte nicht nachdenken, oder besser gesagt: Sie konnte nicht. Sie war zu sehr betrunken. Der Schock hatte sie zwar zum Teil wieder ernüchtert, aber fürs Nachdenken war ihr Gehirn einfach zu lahm.

      Doch Roberto ließ nicht locker.

      Er wusste, dass er das Mädchen quälte, aber er konnte jetzt keine Rücksicht nehmen.

      „Versuchen Sie das Rad der Zeit um achtundvierzig Stunden zurückzudrehen, Bathseba“, verlangte er.

      „Das kann ich nicht!“

      „Sie müssen sich dazu zwingen.“

      „Es geht nicht.“

      „Möchten Sie, dass der Kerl, der George Burke ermordet hat, für diese gemeine Tat zur Rechenschaft gezogen wird?“

      „Ja. Ja, natürlich will ich das.“

      „Dann müssen Sie mir helfen, ihn zu finden, Bathseba.“

      „Wie denn? Wie?“, schluchzte das Mädchen.

      „Ist Ihnen niemand aufgefallen, der sich heimlich für George Burke interessiert hat? Der ihn beobachtete. Vielleicht erinnern Sie sich an ein Gesicht, das Ihnen zwei-, dreimal, vielleicht sogar öfter, begegnet ist …“

      Bathseba Lane schüttelte unentwegt den Kopf, doch urplötzlich hielt sie damit inne. Sie erinnerte sich auf einmal an einen Mann, von dem sie sich im Miami Serpentarium, einer Schlangenfarm, angestarrt fühlte.

      „Kann dieser Blick nicht auch George Burke gegolten haben?“, fragte Roberto Tardelli schnell.

      „Natürlich könnte das der Fall gewesen sein. George stand ja dicht neben mir.“

      „Beschreiben Sie den Mann“, verlangte Roberto, doch das konnte Bathseba nicht. Sie hatte kein Gedächtnis für Personen. Sie konnte sich nur noch daran erinnern, dass der Mann eine Sonnenbrille getragen hatte, die so groß gewesen sei, dass sie fast die Hälfte seines Gesichtes verdeckt hatte. Aber etwas anderes wusste Bathseba Lane zu erzählen: Sie habe diesen Mann tags darauf wiedergesehen. Er sei es ganz sicher gewesen. Er trug wieder diese große Brille auf der Nase, saß vor einer kleinen Spelunke, die sich „Little Tattoo“ nannte, und hatte ein hübsches schwarzhaariges Mädchen mit gewaltigen Ohrringen auf seinen Knien.

      Grund genug für Roberto Tardelli, diese Spelunke aufzusuchen!

      8

      Für zwanzig Dollar bekam Roberto im „Little Tattoo“, eine erschöpfende Auskunft. Die rassige Schwarzhaarige hieß Claudia Bregg und wohnte hinter dem Miami Wax Museum. Der Wirt pries die Vorzüge des Mädchens in schillernden Farben an und bat Roberto