Peter Hince

Queen intim


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Siegs der deutschen Mannschaft wäre er bei „Champions“ in einem dementsprechenden Trikot auf die Bühne gegangen und hätte ein oder zwei Bälle in das zweifellos begeisterte Publikum gekickt. Leider gewann Argentinien, wodurch Fred bei seinem letzten Auftritt in der Stadt, die er so liebte, ein angemessener Höhepunkt verwehrt blieb.

      Fußball ist des kleinen Mannes Sport. Trotz der Universitätsabschlüsse und der gelegentlich arroganten Haltung, waren Queen eine Band des Volkes. Sie gaben den Menschen mit ihren Shows stets einen angemessenen Gegenwert für ihre Geduld und ließen ihren Reden auch Taten folgen, womit sie sich kontinuierlich den Kritikern widersetzten. Queen und ihre Musik zu mögen war verpönt, vermutlich, weil sie Erfolg hatten. Ja, so etwas gibt es bei uns in Großbritannien einfach nicht – Leute, die Talent haben und erfolgreich sind. Um eine erfolgreiche Karriere im Musikbusiness aufrecht zu halten, muss man vor allem über Talent und Können verfügen: Auch Zielstrebigkeit, Glaube und Durchhaltevermögen sind notwendig, um ein hohes Niveau zu wahren. Queen hatten das alles. Fred sogar im Überfluss.

      Leider bezog sich der Überfluss auch auf negative Aspekte, denn von einigen Zeitungen und besonders von der Regenbogenpresse wurde Fred geradezu mit Mist überschüttet. Sie interessierten sich nur für seine Schwächen, den Lebensstil und die Sexualität. Trotz seiner starken Willenskraft und seines unbeugsamen Charakters verletzte ihn das manchmal. Wenn sich Fans über einen Fußballspieler hermachen, weil er nicht in Form ist oder keine Tore schießt, antwortet er ihnen auf die best mögliche Art – indem er das spielentscheidende Tor schießt, oder, noch besser, einen Hattrick abliefert. Fred antwortete auf die Medienschelte, indem er eine weitere Hit-Single komponierte, Queen ein neues Platin-Album ergatterten und begeisterte Besprechungen für ihre rekordverdächtigen Konzerte erhielten, die sie als die wahren Champions herausstellten.

      Das Ende von „Champions“ war das Ende der Zugabe. Die halbkreisförmige Lichttraverse wurde mit voller Beleuchtung wieder herabgefahren, neigte sich zunächst und näherte sich dann wie von einer magischen Hand gesteuert dem Publikum, während Nebel und Trockeneis die Bühne verhüllten und die Band förmlich verschluckten. Nachdem sie sich verbeugt hatten, verschwanden die erhitzten und schwitzenden Musiker von der rechten Bühnenseite, zum Klang des applaudierenden Publikums und dem vom Band gespielten „God Save The Queen“.

      Die Assistenten warfen den Musikern kuschelige Bademäntel über, während man sie schleunigst zur Garderobe geleitete, wo sie feiern, sich streiten oder sich einfach stillschweigend hinsetzen konnten. Nach einer kurzen Zeit ging es weiter, wobei man die eben genannten drei Optionen wechselte.

      Wie hatten sie heute gespielt? Wie kamen sie an? An den Abenden, an denen sie sehr gut spielten, erkannte man das gewisse Etwas, das Magische an der Band. Falls dem nicht so war, wussten sie es, wussten wir es, aber das Publikum beschwerte sich niemals. Für sie wurde es immer zu einem Erlebnis. Es gab einige Städte und Veranstaltungsorte, die Queen zu Höchstleistungen anspornten: Mir fallen da spontan das L.A. Forum ein, der Madison Square Garden, das Montreal Forum, die Festhalle in Frankfurt/Main, Budokan in Tokio, nicht zu vergessen Auftritte in den Niederlanden und in London – dort gelang es Queen, etwas Besonderes in ihrem Programm herauszuarbeiten. Während der Magic-Tour 1986 brillierten Queen bei zahlreichen Open-Air-Konzerten in Stadien. Bei den Südamerika-Terminen 1981 spielten sie überragend, wobei die dritte Show in Buenos Aires meiner Meinung nach das beste Open Air war, das Queen jemals ablieferten.

      Bis auf das engste Personal wurde niemand nach einem Gig in die Garderobe gelassen. Das geschah erst bei einer ausgeglichenen Stimmung. Manchmal mussten alle Mitarbeiter raus, da die Musiker den Abend ausgiebig diskutierten. Wenn etwas bei der Show schief gelaufen war, rief man die Verantwortlichen zur Besprechung der schlechten Leistung zu sich. Gerry Stickells, der Tourmanager, musste am häufigsten das Gewitter über sich ergehen lassen – wegen verpasster Einsätze, Problemen mit dem Equipment, einem schlechten Sound oder dem Muster des Garderobenteppichs.

      Nach Verlassen der Bühne war die Show für die Band vorbei, doch nicht für die Roadies, denn uns stand eine zweite Show bevor. In dem Moment, in dem die Band von der Bühne ging, begann das geschäftige Treiben – sogar noch vor Ende des Einspieltapes und dem Aufflackern der Hauslichter. Die Bühne musste schnellstmöglich komplett geräumt werden, denn erst dann konnte man die PA abbauen. Auch mussten die über der Bühne befestigten Scheinwerfer heruntergelassen werden, bevor man sie und die Träger auseinandermontierte. Vor dem Abbau schaute man noch schnell über die Bühne, um zu erkennen, was dort für Goodies oder interessante Gegenstände lagen. Das variierte natürlich von Land zu Land: Neben an die Band adressierten Karten und Briefen (ab in die Mülltonne) fanden wir Münzen, Joints, Ringe (die wir behielten), Spielzeug (das später in die Luft gejagt wurde), Cassetten (meist zum Überspielen behalten), selbst gemalte Bilder der Band und Gedichte (Mülltonne), Zigaretten, T-Shirts (manchmal behalten) und Damenunterwäsche (behalten und sorgfältig aufbewahrt).

      Bei der US-Tour 1980 wurden von einigen Fans Einwegrasierer auf die Bühne geschleudert, aus Protest, dass Fred nun einen Bart trug. Wie vorherzusehen, kommentierte er das mit einem „Fuck Off!“ Dann, als er sich zwischen den Songs mit dem Publikum unterhielt, legte ein Fred-Klon mit einem Oberlippenbart und einem Karomuster-Hemd einen kleinen runden Metallgegenstand auf den Catwalk zu seinen Füßen. Fred hob ihn auf. „Was haben wir denn hier?“, fragte er mit schriller Stimme und hielt dabei den Gegenstand in die Luft. „Einen Cock-Ring! Danke dir vielmals, mein Liebling.“

      Fred lief zur rechten Bühnenseite und händigte ihn mir aus. Für mich sah das Ding wie ein Designer-Serviettenhalter aus. Ich legte den Ring in meine BLU 8, eine Werkzeugkiste, in der sich so einige Überraschungen befanden, als Paul Prenter, der sexuell unersättliche, schwule Assistent zu mir rüber lief und mir ins Ohr schrie: „Gib ihn mir – ich will ihn!“ Kein Problem – bei mir wäre er eh nur in der Werkzeugkiste gelandet, zusammen mit Schrauben, Hämmern und Nüssen. Ganz offensichtlich hatte Paul andere Pläne für den Ring, die aber ohne jeden Zweifel was mit Hämmern, Schrauben und zwei Nüssen zu tun hatten.

      Nachdem alle nennenswerten Geschenke verstaut waren, begann das „Abreißen“ – schnell, aber gut organisiert. Alles, was wir mit Gaffa-Tape gesichert hatten, wurde von dem klebrigen Band befreit, gut eingepackt und dem am nächsten Stehenden zum Verstauen überreicht. Die lokalen Helfer entsorgten unverzüglich alle auf der Bühne stehenden Getränke: Drinks in Plastikbechern, offene Dosen und Ähnliches wanderten in große Plastikmülltonnen, die man am hinteren Bühnenrand aufstellte. Da John immer eine große Auswahl an Drinks zur Verfügung hatte, wurden einige davon als „Bonus-Bezahlung“ betrachtet und konsumiert. Der Tontechniker Tony „Lips“ Rossi kam als erster an die Reihe. Der auf Sparsamkeit bedachte Mann – man nannte ihn auch „Love Criminal“ – sammelte während drei aufeinander folgender Shows die Reste aus drei Rotweinflaschen und kippte sie in einer zusammen. Gefragt, warum er den nun nicht mehr sonderlich frisch anmutenden, sondern eher dubiosen Wein (Winter/Jahrgang 1980) nun wieder mit einem Korken verschloss, erläuterte er uns seinen Plan. Er wollte die Managerin der Vorband Straight Eight verführen, einen eindrucksvollen, feurigen Rotschopf aus besserem Hause. Keine leichte Aufgabe für einen Italo-Amerikaner aus Pennsylvania, der auf der Straße aufgewachsen war. Bewaffnet mit der Weinflasche und ein bisschen Koks, das er sich zurückgelegt hatte, schlich sich Rossi zur großen Verführung ins Park Hotel Bremen. Es klappte. Die beiden heirateten sogar. Doch die Ehe hielt nicht lange.

      Nachdem die Bühne abgeräumt und meine Ausrüstung gesichert war, flitzte ich raus zum Truck, der mit ausgeklappter Rampe schon in Position stand, um mit dem Einladen zu beginnen. Mit dem Fahrer ging ich in den Laderaum und gemeinsam mit einem Team Abbauhelfer platzierten wir die Cases wie bei einem Puzzlespiel, um eine möglicht große Ladedichte zu erreichen. In einigen Teilen der USA erlaubten die einflussreichen Gewerkschaften der Crew nur Anweisungen und Hinweise beim Beladen, damit ihre Leute arbeiten konnten. Ich hatte natürlich nichts dagegen, doch es verzögerte die ganze Sache erheblich.

      Beim Ausladen in der nächsten Stadt stellten die Schmarotzer eins der größten Hindernisse dar – Typen mit fragwürdigen Verbindungen zur Band, die ständig bei Rockkonzerten auftauchen und einem immer im Weg stehen. Der Haufen von „ehemals wichtigen Personen, die niemals wichtig waren“, bestand aus allen nur erdenklichen Posern, die nur daran interessiert waren, backstage gesehen zu werden (am liebsten mit der