Wendy Holden

Mein Leben mit den Eagles


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klopfte mir auf die Schulter, als ich seine letzten Sachen ausgeladen hatte. „Vielleicht könntest du jetzt, wo ich weg bin, versuchen, ein bisschen besser mit Papa auszukommen, okay?“

      Ich schüttelte ihm die Hand und nickte stumm, immer noch ganz der kleine Bruder, besonders jetzt, da er geheiratet und das Haus verlassen hatte. Ich fuhr direkt zurück nach Hause, ordnete das Zimmer nach meinem Geschmack um und stellte Papas Voice-of-Music-Gerät hinein. Auf einem Stuhl stehend entfernte ich die Einhundert-Watt-Birne aus der Deckenlampe. Ich langte in die Tasche und ersetzte sie durch eine rote mit geringer Leistung, die ich extra gekauft hatte. Das war jetzt mein Zimmer, wo ich wann ich wollte und so laut ich wollte Gitarre spielen konnte, in einem roten Scheinwerferkegel wie Jimi Hendrix.

      Zu Hause wurde mein Bruder schmerzlich vermisst – sowohl als ausglei­chender Faktor als auch als Kamerad, sodass mein Vater immer unzufriedener mit mir wurde. Jerry war der Mustersohn gewesen, und seine Sittlichkeit und sein Lebensstil ließen meine Unzulänglichkeiten nur noch deutlicher zutage treten. Ich war das krasse Gegenstück, hatte an mehreren Demonstrationen gegen Vietnam und an anderen politischen Aktionen teilgenommen; mein Haar hatte ich noch länger wachsen lassen, um besser zu den anderen Jungs zu passen. Darüber hinaus hegte mein Vater den begründeten Verdacht, ich könnte mit Drogen zu tun haben.

      Mein endgültiges Zerwürfnis mit Papa zeichnete sich lange vorher ab. Unser Verhältnis war derart feindselig geworden, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis etwas passierte. Eines Tages sollte ich nach Hause kommen und irgendeine banale Tätigkeit verrichten, Geschirr spülen oder Rasen mähen oder die Wäsche rausbringen und aufhängen. Aus irgendeinem dummen Grund – vermutlich, weil ich viel zu sehr mit Gitarrespielen beschäftigt war oder gerade Gras rauchte – tat ich es aber nicht. Als ich schließlich doch heim­kam, begann meine Mutter sofort, mich deshalb zu schelten. In meiner Ehre gekitzelt, schoss ich sofort zurück.

      „Ich muss euren verdammten Abwasch nicht machen“, erklärte ich. „Ich bin nicht euer Sklave.“

      Sie hielt einen Moment lang inne und sah mich mit zusammengekniffe­nen Augen an.

      „Warte, bis dein Vater nach Hause kommt“, sagte sie spitz.

      Ich ging hinauf in mein Zimmer und schmollte. Ein paar Stunden später hörte ich, wie Papa nach Hause kam. Innerhalb von Minuten stand er in der Tür meines Zimmers.

      „So redest du nie wieder mit deiner Mutter, du fauler, nichtsnutziger, lang­haariger Hippie“, schrie er, als er seinen Gürtel löste. „Warum bist du nicht so wie dein Bruder?“

      Ich erinnere mich noch, wie ich auf dem Bett saß und versuchte, mich mit den Händen zu schützen, während er begann, mich mit dem Riemen seines Gürtels auf den Rücken zu schlagen. Mein ganzes Leben lang hatte ich diesen Gürtel ertragen müssen, aber aus irgendeinem Grund beschloss ich, diese Prü­gel nicht länger hinzunehmen.

      Ich sprang auf, ballte die Faust und schlug Papa so hart, wie ich konnte, aufs Kinn. Durch die Wucht des Schlags stolperte er rückwärts, ruderte mit den Händen und dem Gürtel in der Luft herum und stürzte zu Boden. Er krachte gegen ein Bücherregal und landete in einem Stapel Langspielplatten. Seinen Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen. Ich glaube, er war in erster Linie überrascht. Ich rannte buchstäblich aus dem Zimmer, sprang in mein Auto und machte mich davon, bevor er mich erwischen konnte. Während ich aus dem Haus floh, konnte ich ihn die ganze Zeit hinter mir hören, aber ich weiß nicht, ob er mir hinterherschrie oder nach Mama rief, damit sie ihm wieder auf die Beine half. Ich ging fort von zu Hause und schwor mir, nie wieder ein Wort mit ihm zu wechseln. Mein Schweigen sollte immerhin sechs Jahre anhalten.

      Ich zog bei Barry Scurran ein, dem Bassisten des Maundy Quintet, der im zweiten Jahr an der Universität studierte und ein Apartment in einer Wohn­anlage in der Nähe des Campus hatte. Er ließ mich zunächst ein paar Tage auf seinem Sofa schlafen, doch schließlich gab er mir sein freies Zimmer, für das ich von da an Miete bezahlte. Einige Male ging ich noch zum Haus meiner Eltern zurück, wenn diese bei der Arbeit waren, um ein paar Klamotten und einige LPs zu holen, ohne die ich schlicht nicht leben konnte. Ich hinterließ keine Nachricht, und sie hatten keine Ahnung, wo ich mich aufhielt.

      Schließlich setzte ich mich ans Telefon und rief Mama an, um ihr zu sagen, dass ich in Ordnung sei.

      „Bitte komm nach Hause, Don“, flehte sie. „Ich … wir … machen uns solche Sorgen um dich.“

      „Nein, Mama“, entgegnete ich trocken. „Ich werde nicht zurückkommen und dieses Spielchen nicht länger mitmachen.“

      Mein Vater trat zwar nicht direkt mit mir in Kontakt, teilte mir jedoch über meine Mutter mit, dass ich das Auto zurückbringen müsse, das ich mit seiner Hilfe gekauft hatte, wenn ich nicht in seinem Haus leben wollte. Wütend fuhr ich den Volkswagen heim und parkte ihn vor dem Haus. Die Zündschlüs­sel ließ ich im Schloss stecken. Er wusste ganz genau, wie wichtig ein Auto für meinen Lebensstil war. Noch bitterer war, dass er nun begann, es selbst zu fahren. Ich sah es oft in der Stadt und verfluchte ihn zähneknirschend.

      Wenigstens hatte ich immer noch Susan, und das Maundy Quintet lief gut. Bernie, Tom und ich schrieben weiterhin gemeinsam Songs, wenn unser Repertoire auch hauptsächlich aus Coverversionen beliebter Stücke bestand, um das Publikum bei Laune zu halten. Wir kamen gut miteinander aus und ließen uns bei der Auswahl der Musik von Toms gesanglichen Fähigkeiten leiten. Bernie und Tom waren in musikalischer Hinsicht die eigentlich trei­bende Kraft und schrieben einen ganzen Haufen eigener Nummern, wenn ich heute auch zugeben muss, dass sie nicht besonders gut waren. Damals waren wir zwar anderer Meinung, aber Klassiker waren es freilich nicht. Man muss eben irgendwo anfangen.

      Was ich an Bernie stets am meisten bewundert habe, ist seine kompromiss­lose Zielstrebigkeit. Wenn er das Spiel auf der Pedal Steel Guitar lernen wollte, dann kaufte er eine, setzte sich hin und übte. Nach einem Monat oder so konnte er sie dann so spielen, dass er mit sich zufrieden war. Er zeigte mir, dass man flexibel und anpassungsfähig sein musste, wenn man die Herausforderung annehmen wollte, die ein völlig neues Instrument oder Genre darstellte. Ich habe die Pedal Steel oder die Mandoline nie so spielen gelernt wie er, aber es ging trotzdem ganz gut. Ohne ihn hätte ich es nicht einmal versucht.

      Bernie war ein großer Fan der Beatles und der englischen Musik. George Harrison war sein Held. Einmal trug er sogar eine Beatles-Perücke, und er nahm eine Art englischen Akzents an. Er kleidete sich „englisch“ und versuchte, sein unglaublich lockiges Haar zu glätten. Dann kaufte er sich eine braune Gitarre von Gretsch, Modell Tennessean, dieselbe, die auch Harrison spielte. Mann, er liebte dieses Instrument. Ich bewunderte die Beatles sehr und fand ihre Bega­bung außergewöhnlich, doch für mich hatte Rhythm and Blues einfach viel mehr Seele. Zwischen den Frauen, die wegen B. B. King weinten, und den Mäd­chen, die im Shea-Stadion hysterisch die Beatles ankreischten, bestand ein him­melweiter Unterschied. Ich war außerdem schlau genug, um zu begreifen, dass die Beatles ihren Mangel an Emotionalität durch Coolness ausglichen.

      Als die Hollies nach Gainesville kamen und einen Auftritt an der Univer­sität hatten, ergriff ich die Chance, sie einmal live zu sehen. Die eigenständige und angesehene Gruppe aus dem englischen Manchester hatte mit Songs wie „Searchin’“, „Just One Look“ und „I’m Alive“ bereits eine Serie von Charts-Hits verzeichnen können. Ich drängelte mich durch die Zuschauer bis ganz nach vorn und beobachtete, wie Allan Clark und Graham Nash ihren jüngsten Hit, „Bus Stop“, sangen. Ich war stark beeindruckt. Sie sahen so anders aus. Ich prägte mir ein, welche Kleidung sie anhatten und wie sie ihr Haar trugen. Etwas in Graham Nashs Stimme sprach mich zudem ungemein an. Er spielte nicht nur sehr gut, er schien dabei auch wirklich Spaß zu haben. Als er zu mir in die erste Reihe hinablächelte, während er sang, konnte ich nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern.

      Während Bernie sich noch abmühte, sein Haar zu glätten, bevorzugte ich die klassische Pagenfrisur mit langem Fassonschnitt und eingedrehten Seiten. Immer noch hellblond, sah ich fast so aus wie Brian Jones von den Rolling Stones. Als Band übernahmen wir voll und ganz den Blumenkinder-Look der damaligen Zeit mit seinen langen, blusigen Hemdsärmeln und den weiten Schlaghosen. Wir ließen auch ein paar Werbefotos von der Gruppe machen, auf denen wir heute lächerlich anmuten, insbesondere der