Thomas L. Viernau

Arkadiertod


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er Militärkunde und war auch für das körperliche Wohl seiner Untergebenen zuständig. Oftmals sah man ihn mit einer Gruppe »Pfeiffhähne« an der Spree, wo er ihnen die hohe Kunst des Schwimmens beibrachte. »Ein gesunder Geist braucht auch einen gesunden Körper.«, wurde er des Öfteren zitiert.

      Speziell dem Mesmerismus sei Eisenbaum sehr zugetan. Er hätte einige spektakuläre Ergebnisse mit dieser ungewöhnlichen Heilmethode erzielt. Allerdings sprach er nicht gern darüber.

      Irgendetwas an den übernatürlichen Kräften, die da wohl am Werke wären, schien ihm nicht zu gefallen. Und als Quacksalberei oder gar Scharlatanerie wollte er sein Fach nicht verstanden wissen.

      Auch Eisenbaum leistete seine Unterschrift und den Blutzoll auf dem Dokument.

      Drosselmeyer hatte für den neu gegründeten Geheimbund den etwas pathetischen Namen »Gesellschaft zur Rettung des Vaterlandes« vorgeschlagen. Lindhorst winkte ab. Viel zu durchsichtig wäre dieser Name. Man sollte doch eher auf etwas Harmloses zurückgreifen, falls denn mal wirklich Fragen aufkommen sollten. Vielleicht »Botanischer Freundeskreis« oder »Liebhaber der lateinischen Sprache«. Spykher nickte. Ja, unbedingt solle der Name für Außenstehende irreführend sein. Man wisse ja nie, was so alles noch passieren würde in diesen unruhigen Zeiten. Mit einem Blick zum Wirt des »Dapertutto« wies er darauf hin, dass man niemandem wirklich trauen könne.

      Die anderen Männer der Runde stimmten ihm zu. Vorsichtig sahen sie sich um. Das Wirtshaus war leer. Nur ganz hinten an einem kleinen Rundtisch saß ein kleiner Mann, der dem Wein schon sehr zugesprochen zu haben schien. Mit glasigem Blick stierte er zu den Männern im Separee. Trotz der dem Wein geschuldeten Schieflage schienen sich seine tiefliegenden dunklen Augen in die Köpfe der Männer zu bohren und jeden Gedanken zu erraten.

      Er konnte zwar nicht hören, was sie besprachen, aber er wusste, wer diese Männer waren.

      Es war ein junger Assessor, der im östlich gelegenen Warschau angestellt war. Interessiert an den neuen Zuständen in Preußen war er kurzerhand nach Berlin gereist. Was er sah, versetzte ihm einen Schock. Für seine Zukunft sah er schwarz. Seinen Kummer ersäufte er im Wein. Lindhorst kannte ihn flüchtig. Der junge Beamte war kurzzeitig auch schon als Hilfsassessor in seinem Geheimen Staatsarchiv tätig. Hoffmann hieß er, ja, Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann, und aus dem ostpreußischen Königsberg kam er. Ein hochbegabter Mann mit besten Zeugnissen, aber auch renitent, feierfreudig und den schönen Dingen des Lebens nicht abgeneigt. Ob man ihm trauen könne? Lieber nicht.

      Der stark angetrunkene Mann mit dem schwarzen Strubbelkopf bemerkte, wie er von den ehrwürdigen Herren misstrauisch gemustert wurde. Schwankend erhob er sich, trat an den Tisch der Runde heran und lallte mit schwerer Zunge: »Meine Herren! Sie gestatten doch, dass ich mich vorstelle. Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus, Assessor, jawohl, preußischer Assessor, in Warschau, leider nicht mehr lange …« Dann kicherte er und schüttelte den Kopf. »Und Sie, meine Herren, Sie sind ja hier alle in Berlin … Was machen sie denn nun? Die Franzosen haben alles übernommen. Hihi! Konspirieren Sie doch nicht etwa? Geheimbünde … sie wissen schon, davon gab’s ja immer genug hier in Preußen. Hihi!«

      Betretenes Schweigen herrschte. Sollte ihr Vorhaben unter einem ungünstigen Stern stehen? Ein Betrunkener, der noch dazu gar nicht aus Berlin war, hatte mit ein paar Worten die gesamte Situation fast zum Kippen gebracht. Lindhorst hatte als erster die Fassung gewonnen.

      »Ah, jaah … Ich erinnere mich. Herr Assessor Hoffmann, vor ein paar Jahren waren Sie doch als Assistent bei mir. Aber, wenn ich mich recht erinnere, war doch Ihr Name Ernst Theodor Wilhelm und nicht Amadeus?

      Gab es da nicht irgendeinen klitzekleinen Skandal?

      War da nicht etwas mit einem Karnevalsscherz in Posen?

      Waren Sie da nicht mit verwickelt?

      Naja, ist ja jetzt auch egal …Wie steht‘s in Warschau? Noch ist dort wohl kein Franzose aufgetaucht. Man munkelt aber, dass die Polen sich wohl auf seine Seite schlagen werden …«

      Der kleine Mann sah in aus seinen dunklen Augen ungeniert musternd an. »Ich habe den Willem gegen den Amadeus getauscht. Es ist nur eine kleine Hommage dem großen Mozart gegenüber. Willems gibt es in Preußen wie Sand am Meer, Amadeusse fehlen jedoch. Da könnten wir ruhig noch ein paar von vertragen.

      Aber, was die Franzosen angeht, nun, da sehe ich schwarz. Damit werden wir leben müssen. Wer weiß, wie lange Preußen so noch existieren kann. Wir werden in Zukunft noch sehnsüchtig an Preußen denken. So, wie einst die alten Griechen von ihrem Arkadien schwärmten, so werden wir wohl von unserem Preußen träumen. Hihi. Ein Hoch auf Arkadien! Auf unser preußisches Arkadien!«

      Er prostete den Männern zu und wankte wieder zurück auf seinen Platz am anderen Ende des Schankraums. Dort fiel er mit einem Seufzer zurück auf seinen Stuhl, sackte in sich zusammen und schlief ein.

      Nach ein paar Minuten fiel die Anspannung von den Männern ab. Sie bemerkten, dass von Hoffmann keine Gefahr ausging.

      Lindhorst stand kalter Schweiß auf der Stirn. Er erhob sich und verkündete mit leiser Stimme: »So lasst uns denn unseren Bund in Anspielung auf dieses nette Bonmot des Herrn Assessor Hoffmann auf den Namen Arkadischer Bund taufen. Das ist unverfänglich und dennoch wissen wir, wovon wir sprechen bei Nennung des Namens. Besser hätten wir es wohl nicht auf den Punkt bringen können.«

      Alle nickten und schnell waren sich die Männer einig, sich als Arkadier zu bezeichnen. Draußen schlugen die Glocken zur Mitternacht. Es war still geworden in den Straßen Berlins. Nichts erinnerte an den Einmarsch Napoleons. Die Laternen leuchteten, als ob nichts passiert wäre. Ein fahler Mond schien in die klare Oktobernacht, die erstaunlich warm war. Graue Gestalten schlichen im Schatten der Häuser durch die Nacht. In seinem Zimmer im Gasthof »Dapertutto« schlief der Assessor Hoffmann seinen Rausch aus, träumte von unheimlichen Gestalten, die als Gespenster in seinem Unterbewusstsein herumspukten und noch für viele schlaflose Nächte sorgen würden.

      Die Kieselblatt-Akten

       Lindstedt

      

       Das kleine Schloss war ursprünglich ein Gutshaus. König Friedrich Wilhelm III. kaufte es, hatte aber keine richtige Idee zur Nutzung.

       Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm IV. begann das Gutshaus in ein Schloss umzugestalten. Vorbild war eine italienische Villa. Sein Baumeister Persius und sein Gartenmeister Lenné begannen mit der Arbeit, konnten ihr Werk jedoch nicht mehr vollenden. Der König war gestorben.

       Es sollte eigentlich sein Alterssitz werden. Wieder wartete Lindstedt als unvollendetes Kunstwerk auf seine Vollendung.

       Erst zu Kaiser Wilhelms II. Zeiten wurden Schloss und Park Lindstedt fertig gestellt.

       Eine sinnvolle Nutzung hat das Schloss bis heute nicht.

       Die kleine Tafel am Eingang zum Schlosspark erinnert an den Offizier Henning von Tresckow, der sich mit anderen Leuten des Widerstands heimlich auf Schloss Lindstedt traf, um das Attentat auf Hitler vorzubereiten.

       Nach dem Krieg wurde das Gebäude von dem Botanischen Institut der Potsdamer Hochschule genutzt. Lindstedt lag abseits des großen Interesses und nur ein paar geschichtsbegeisterte Enthusiasten wussten um die Existenz des kleinen Schlösschens und des ihn umgebenden Parks. Niemand schien sich um Lindstedt zu kümmern. Unauffällig dümpelte das Anwesen vor den Toren Potsdams vor sich hin.

       Diverse kleinere Archive wurden im Laufe der Jahre nach Lindstedt ausgelagert. Ein paar wissenschaftliche Mitarbeiter betreuten die Unterlagen, die akribisch alles ordneten und beschrifteten. Später wurde das Schloss dem Gerichtsmedizinischen Institut zugeteilt.

       Mit der Wende änderte sich auch für Lindstedt einiges. Schloss und Park wurden der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten überschrieben und Lindstedt bekam eine Verschönerungskur.

       Das