Sir Thomas Moore

Morgen wird ein guter Tag


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      Wie die meisten Frauen in dieser Zeit führte Mutter ein strenges Regime, und Montag war Waschtag. Wenn es regnete und die Wäsche nicht draußen trocknen konnte, wurde daraus immer ein ausgewachsenes Drama. Mrs. Maskell, unsere Haushaltshilfe, kam montags an, füllte zuerst den „Topf“ und zündete das Gasfeuer darunter an. Dann machte sie sich mit Mutter – manchmal mit der Hilfe von Freda und Tante Jane – ans Waschen. Danach schöpfte man das Schmutzwasser mit einer „Kelle“ ab. Sie ähnelte einem Humpen mit hölzernem Griff. Die Wäsche wurde bei gutem Wetter draußen und bei schlechtem drinnen auf ein Trockengitter gehängt. Es bestand aus einer Reihe von länglichen Rundhölzern, das man mit einem Seilsystem bis zur Decke zog. Wir besaßen zudem eine Mangel mit schweren Holzwalzen, mit denen das Wasser aus der frisch gesäuberten Wäsche gepresst wurde. Eines Tages, ich war gerade nicht zu Hause, kam Freda mit dem Zeigefinger der rechten Hand zwischen die Walzen, was zu einem Splitterbruch führte. Allen Berichten nach brüllte sie wie am Spieß, und es war sicherlich extrem schmerzhaft. Mich als größtenteils nichts verstehenden und dadurch mitleidslosen kleinen Bruder faszinierte eher die Tatsache, dass der Finger so krumm verheilte, dass er für den Rest ihres Lebens einem Papageienschnabel ähnelte.

      Dienstag war der Bügeltag, Mittwoch der Markttag, am Donnerstag stand das Backen an erster Stelle und am Freitag putzte man. Wie bei allen Hausfrauen aus Yorkshire wurden die Treppenstufen vor dem Haus akribisch und exzessiv gereinigt, da das als Indiz für eine gute und saubere Frau galt.

      Als ich fünf war, unterbrach Mum aufgrund einer Schwangerschaft ihren wöchentlichen Ablauf. Eines Tages ging sie ins Krankenhaus, um das Baby zur Welt zu bringen. Traurigerweise kehrte sie allein zurück. Darüber wurde nicht gesprochen, ich erfuhr nur, dass der Name meiner verstorbenen Schwester Wendy lauten sollte. Erst viel später erkannte ich die Bedeutung dieses Schicksalsschlags und spürte, wie traurig sich meine Eltern gefühlt haben müssen.

      Kurz danach war ich mit einem Krankenhausaufenthalt an der Reihe, da ich hohes Fieber bekommen hatte. Unser Hausarzt Dr. Chalmers diagnostizierte Scharlach, und man brachte mich ins Fever Hospital in Morton Banks, wo die deutschen Kriegsgefangenen nach dem Großen Krieg an der Spanischen Grippe verstorben waren. Mein Vater war ein gütiger und liebenswerter Mann, doch man „erlaubte“ Kindern damals keine Krankheit, und so zeigte er sich nicht sonderlich erfreut darüber, dass ich ins Krankenhaus kam. Normalerweise lief das bei uns nämlich so: Wenn wir uns etwas eingefangen hatten, kaufte man ein Fläschchen Medizin in der Drogerie oder ließ sie sich vom Arzt geben und flößte uns das Zeug ein. War die Prozedur vorüber, mussten wir uns besser fühlen – da gab es keine Diskussion. Hatten wir eine Erkältung, wurde uns ein volles Glas der bitteren, klaren „Fennings Fever Mixture“ verabreicht – der „Familienmedizin“ –, die so abscheulich schmeckte, dass wir uns augenblicklich zur Genesung entschieden. Ich schätze mal, das war auch die Absicht.

      Scharlach ist eine komplexe bakterielle Infektionskrankheit, gegen die sogar Fennings nichts ausrichten konnte. Sie war hochgradig ansteckend, und auf meiner Station litten noch andere Kinder daran. Als meine Eltern mich besuchten, durften sie mir nur durch ein Glasfenster zuwinken. Ich werde niemals Mutters tapferes und zugleich ermutigendes Lächeln vergessen. Sie hätte sich keine Sorge machen müssen, da die Krankenschwestern sich gut um mich kümmerten, doch ich durfte erst nach Hause, als die Haut wieder glatt und der Schorf meines Ausschlags verschwunden war.

      Manchmal versterben Menschen an Scharlach, doch bei mir zeigten sich keine kurz- oder langfristigen Auswirkungen. Schon bald war ich wieder zu Hause und flitzte überall herum. Mrs. Maskell witzelte immer gegenüber meiner Mutter: „Yr Tom tows a sel wi lakin’“, ein Mix aus dem Yorkshire-Dialekt und dem Irischen, was so viel bedeutet wie: „Dein Tom wird sich schon müde spielen.“ Und spielen – das tat ich, und ich erinnere mich nie an irgendeine Müdigkeit. Ich war schon damals aktiv und blieb es mein ganzes Leben lang. Um mich aus der Bahn zu werfen, brauchte es mehr als läppisches Scharlach.

      2

      „Ich vermeide es, nach vorne oder nach hinten zu blicken,

       sondern versuche immer, nach oben zu schauen.“

      Charlotte Brontë (1816–1855)

      Im Sommer 1925 wurde ich Zeuge eines monumentalen Geschehnisses, denn Vater erstand sein erstes Automobil, einen kastanienbraunen Rover 8. Es war ein in Birmingham gebauter Viersitzer mit acht PS, einer einzigen Tür und einem Verdeck. Die Kosten beliefen sich auf 130 Pfund, das heutige Äquivalent zu einigen tausend Pfund, doch mir erschien das Automobil unbezahlbar.

      Die Tür befand sich wegen des Reserverads auf der Beifahrerseite, und der Scheibenwischer musste noch von Hand bedient werden. Hinten gab es keine Fenster, doch meine Schwester und ich hatten kleine Vorhänge zur Abdeckung, falls es zu windig werden sollte. Meine Eltern achteten bei der Erziehung immer auf Bescheidenheit, doch insgeheim fühlte ich mich ein wenig stolz – eigentlich sehr stolz –, dass wir das erste Auto in unserer Straße besaßen. Unser Nachbar hatte ein Motorrad mit einem zweisitzigen Beiwagen für Frau und Tochter.

      Mein Vater brachte meiner Mutter sogar das Fahren bei, zu einer Zeit, in der die generelle Meinung von Frauen am Steuer nichts wissen wollte. Ungewöhnlich! Sie stellte sich sogar als bessere Fahrerin als er selbst heraus. Wenn wir während der schrecklichen Winternebel – in denen der Kohlenstaub aus den Fabriken die Sicht zusätzlich beeinträchtigte – die Hand vor Augen nicht mehr sehen konnten, musste Mum aussteigen und langsam vor dem Wagen hergehen. Fairerweise muss ich hinzufügen, dass Mum den nennenswerten Vorteil hatte, dass sie ein sich näherndes Vehikel klar und deutlich hörte!

      Nachdem Vater den Wagen angeschafft hatte, wandelte sich unser Leben zum Besseren. Statt sich in der unmittelbaren Gegend aufzuhalten oder so weit zu kommen, wie es zu Fuß oder mit dem Fahrrad möglich war, reisten wir über den eng gesteckten Radius hinaus. Wir unternahmen Tagesausflüge zu den Mooren, nach Haworth und Bolton Abbey, und fuhren an den meisten Sonntagen nach Whitby an der Ostküste – eine Reise von jeweils 145 Kilometern pro Strecke in einer Karosse mit einer Höchstgeschwindigkeit von 65 Kilometern in der Stunde.

      Am Anfang jedes Ausflugs überreichte mir Vater die Landkarte und bat mich um die Navigation, was zu einer nervenzermürbenden Tortur wurde, bis ich es endlich kapiert hatte. Er oder Mutter fuhren nur nach meinen Anweisungen (ich musste Dad bei der Fahrt immer ins Ohr brüllen), und er stellte mir oder Freda ständig Fragen wie: „Welchen Fluss überqueren wir gerade? Wie heißt der Berg dort?“ Wusste ich die Antwort nicht, steckte ich in Schwierigkeiten. Er wollte jedoch nur sichergehen, dass ich Sicherheit im Umgang mit einer Landkarte bekam. Die Fähigkeit, sich geografisch zurechtzufinden, war damals eher unüblich, da sich nur wenige weit von ihrem Haus entfernten und noch weniger Autos besaßen. Was ich auf diese Weise beigebracht bekam, verlernte ich nie, und es sollte sich für mich noch als lebenswichtig herausstellen.

      Meist hielten wir mitten auf der Strecke an und picknickten bei Sutton Bank, einem Teil der Hambleton Hills. Von dort aus genossen wir eine spektakuläre Aussicht über das Vale of York bis hin zum White Horse bei Kilburn, einer riesigen Figur, die von einem Lehrer und einem Freiwilligenteam in den 50er-Jahren des 19. Jahrhunderts aus dem Sandstein gemeißelt worden war. Mit einem Steigungswinkel von bis zu 25 Prozent war Sutton Bank so steil, dass viele Automobile den Aufstieg nicht schafften oder höchstens im Rückwärtsgang hochfuhren. Manchmal mussten Mama, meine Schwester und ich aussteigen und die Strecke zu Fuß zurücklegen, aber die Kraxelei lohnte sich immer. Nachdem wir anschließend die Küste erreicht hatten, machten wir uns direkt zum Strand in Sandsend auf, wo Vater Strandstühle für den Tag mietete. Er und Mutter setzten sich dann hin, eine Thermoskanne mit Tee in den Händen und eine Decke über den Beinen.

      Freda und ich zogen uns die gehäkelten (!) Badeanzüge an, um zu schwimmen und herumzualbern oder den ganzen Nachmittag zu spielen. Ein Wort an die Weisen: Wenn wollene Badeanzüge nass werden, saugen sie sich voll, werden schwer und ziehen den Schwimmer nach unten. War es sehr heiß, krempelte sich Vater die Hosen hoch, um barfuß im flachen Wasser zu spazieren. Vorher öffnete er noch in einem geradezu zeremoniellen Akt den Kragenknopf des Hemdes, etwas, was er nur in der Freizeit machte. Auch Mum ging ans Wasser, aber die beiden schwammen niemals. Stattdessen sahen sie beim fröhlichen Spielen ihrer Kinder zu und versorgten uns