Carl, du kannst doch nicht von einem kleinen Mädchen diese Arbeit verlangen, ruf mich, wenn du mich brauchst, dann werde ich dir helfen. Lange dauerte es, bis ich das, was da geschah, vergessen konnte, öfter liefen noch die Tränen.
Von der Blutsuppe mit geschlagenem Eischnee hatte ich nichts gegessen.
Ein neuer Freund
Vati tat ich nach der Sache mit der Gans doch leid. Er schenkte mir eines Tages ein kleines, schwarzes Kätzchen.
Da war aller Kummer verflogen, dieses Kätzchen sollte mir allein gehören, aber ich sollte gut für es sorgen, sagte Vati. Ja das wollte ich tun, denn nun hatte ich ein Tierchen für mich ganz alleine zum Liebhaben.
Da mir so schnell kein Name für das Kätzchen einfiel, sagte ich zu ihm, du sollst Kätzchen heißen, dabei blieb es auch, wir beide wurden von nun an unzertrennlich.
Mein Bruder Albrecht hatte sich zum Geburtstag ein Aquarium mit Fischen gewünscht, das er auch bekam. Das Aquarium durfte in der Küche auf einer Ecke von unserem Küchenarbeitstisch stehen. Mein Bruder gab sich alle Mühe, das Fischbecken mit schönen Wasserpflanzen, Steinen, Sand und vielen anderen Dingen auszustatten.
Er war stolz auf seine Fische mit dem schönen Aquarium. Wenn das Aquarium gesäubert werden musste, half ich ihm dabei. Mutti sagte eines Tages, legt doch eine Glasplatte auf das Becken, damit die Fische nicht rausspringen. Wir hielten das für einen Scherz, doch Mutti machte ein so ernstes Gesicht, als sie das sagte, dass wir ihr das glaubten. Lasst ein Stückchen frei auf dem Wasserbecken, dass die Fische Luft bekommen, sagte sie noch.
Wir hatten viel Freude mit den Fischen, aber diese Freude mussten wir bald teilen, denn mein Kätzchen war größer geworden und konnte schon auf den Tisch springen, auf dem das Aquarium stand. Es freute sich, wie wir, über das lustige Treiben der Fische. Mit ihren Samtfüßchen, die aber schon die Krallen ausstreckten, versuchte sie, die Fische zu fangen. Das machte mir viel Freude, ich sah es als Spiel. Doch als Mutti das sah, sagte sie, vergesst nie, die Glasplatte darüber zu decken, sonst habt ihr bald keine Fische mehr. Wir machten uns keine großen Gedanken, denn was soll eine Katze bei den Fischen? Wie wir wussten, sollen Katzen wasserscheu sein.
Doch mein Kätzchen meinte es anders. Oft sahen wir es bei den Fischen sitzen, hin und wieder versuchte es, durch die kleine Öffnung der Glasplatte zu angeln. Das sah sehr lustig aus, ob sie wohl mit den Fischen spielen wollte, dachte ich? Aber sie kam ja nicht dran.
Schicksal nimm deinen Lauf, eines Tages vergaß mein Bruder Albrecht nach dem Füttern der Fische die Glasplatte über das Becken zu legen, das musste mein Kätzchen mitbekommen haben, denn als wir wieder in die Küche kamen, war unser erster Blick zu den Fischen. Aber was war das? Kein einziger Fisch war mehr drin.
Und mein Kätzchen saß ganz friedlich neben dem Fischbecken. Mein Bruder und ich stritten um die Wette, wer wohl vergessen hatte, die Glasplatte drauf zu legen? Als Mutti kam, sagte sie zu Albrecht, hört auf zu streiten, deine Schwester ist noch zu klein, sie kann die Glasplatte nicht runtergenommen haben. Nun war es passiert, Kätzchen hatte alle Fische rausgeangelt und gefressen. Ich wollte mein Kätzchen bestrafen, doch Albrecht sagte, lass dein Kätzchen, es kann nichts dafür, ich hätte besser aufpassen müssen. Nun sahen wir erst, dass das Kätzchen ganz nass war von wegen wasserscheu, sie war bestimmt mit der Hälfte ihres Körpers im Aquarium gewesen, so nass wie sie war.
Als wir uns nun das Kätzchen ansahen mit dem nassen Fell, wie sie versuchte, mit ihren Pfötchen das Wasser von sich abzuschütteln, konnten wir uns nicht mehr halten vor Lachen. Ja, ja, sagte Mutti, ich habe es mir gedacht, entweder eine Katze oder Fische, doch ihr wolltet ja nicht auf meine Worte hören.
Mein Kätzchen und ich blieben weiter gute Freunde, wir waren unzertrennlich. Bis eines Tages, als es Winter geworden war, ich nach ihm rief, aber es kam nicht mehr. Ich weinte bitterlich, so oft ich es auch immer wieder rief, das Kätzchen blieb verschwunden. Was mit ihm passiert war, weiß ich bis heute nicht. Doch wenn ich an es dachte, weinte ich und hoffte, es wäre eines Tages wieder da. Aber es kam nie wieder.
Ein neuer Mitbewohner
So nun aber zu einem anderen Tier von unserem Hof, es war ein kleines Schweinchen. Es bekam wie alle unsere Tiere einen eigenen Stall. Ich durfte sogar mit ihm spielen. Wenn ich mit ihm spielen wollte, holte ich es aus dem Stall in einen kleinen Garten, in dem auch ein paar Hühner waren, damit das Schweinchen nicht so alleine sein sollte. Auch Vati war einverstanden, dass ich mit dem Schweinchen zusammen war.
Doch schneller als gedacht wuchs das Schweinchen, es wuchs und wuchs, na ja bei all dem guten Essen, was es von Mutti bekam, konnte es auch nicht anders sein. Es bekam gekochte Kartoffeln aus unseren Feldern, die wir geerntet hatten. Auch irgend so eine Kleie, die Mutti unter die gekochten, gestampften Kartoffeln mischte. Ich hatte Mühe, mit Schweinchen zu spielen, denn immer öfter warf es mich einfach um. Denn es war einfach zu schnell gewachsen und sein Garten war im wahrsten Sinne zu einem Saustall geworden. Gras gab es keins mehr, den Garten hatte es total mit seiner Nase umgegraben. Wenn ich mit Futter zu ihm kam, konnte ich schon von Weitem sein Grunzen hören. Ich musste mich beeilen, das Futter auszuteilen, sonst hätte ich im Schmutz gelegen.
Da ich meine schönen Schuhe nur am Sonntag tragen durfte, war ich immer mit nackten Füßen beim Schwein. Wie meine Füße dann aussahen, kann ich kaum erklären, sie waren total voller Schlamm, besonders wenn es geregnet hatte. Ja, die schönen Schuhe, die ich hatte, waren nur für den Sonntag zum Kirchgang oder zu irgendwelchen Feierlichkeiten. Da ja kleine Kinder schnell wachsen, die Schuhe knapp waren, konnte man immer nur ein paar Schuhe kaufen. Wenn diese Schuhe zu klein wurden, durfte ich die Ferse hinten runtertreten und sie dann zu Hause noch weiter anziehen. Erst dann gab es wieder Sonntag Schuhe.
Heute war nichts wie sonst. Was ist denn nun schon wieder los? Vati kam aufgeregt zum Mittagessen und seine ersten Worte waren, das Schwein ist krank. Da hörten wir auch schon das Auto von unserem Tierarzt. Alle liefen wir nach unten zu dem Schwein. Ich durfte nicht mit in den Stall. Darum stand ich ängstlich am Zaun und schaute neugierig durch die Latten des Zauns.
Ach, lieber Gott, betete ich, lass unser Schweinchen wieder gesund werden. Ich hörte, wie Mutti sagte, Herr Doktor können wir es nicht einfach schlachten? Ich erschrak, wollte Mutti etwa unser Schwein töten? Es womöglich auch noch essen wie unsere Gans? Nein, das darf doch nicht sein, lieber Gott, flüsterte ich leise, ich kann doch meinen Freund nicht essen. Freunde darf man doch nicht schlachten. Sicher hatte ich mich verhört.
Da sah mich Mutti plötzlich an, sie schien genau so traurig wie ich zu sein. Mutti, Mutti, darf ich jetzt zu unserem Schwein? Ich möchte es so gerne streicheln, ihm sagen, dass es mein Freund ist.
Mutti ließ mich rein, ich hörte wieder dieses freudige Grunzen, als ich das Schweinchen streichelte. Ich konnte mich kaum von ihm trennen.
Heute war das Schweinchen ganz besonders lieb zu mir. Es ließ zu, dass ich es immer und immer wieder streichelte, ohne mich zu schupsen.
Dein Schweinchen ist sehr krank, hörte ich den Doktor sagen. Es braucht jetzt Ruhe, doch wie er das sagte, das hörte sich nicht gut an. Ich hörte darauf, was der Doktor sagte, ich ließ das Schweinchen in Ruhe. Ich verließ es mit den Worten, du wirst bald wieder gesund, Schweinchen, ich hole dir nur noch was Gutes zu fressen, dann bin ich wieder bei dir. Kaum hatte ich ausgesprochen, zog mich Mutti nach draußen. Oben in der Küche setzte sie mich auf ihren Schoß, lass dir mal etwas erklären mein Kind.
Schweine kauft man sich nicht zum Spielen oder zum Streicheln, sondern wenn sie groß sind, muss man sie schlachten.
Wir können dann das Fleisch verkaufen, damit wir von dem Geld andere Dinge wie zum Beispiel Schuhe und Kleidchen für dich kaufen können. Auch wir müssen etwas von dem Fleisch essen, sonst verhungern wir.
In diesem Moment verstand ich die Welt nicht mehr, ich fühlte die Tränen, die mir über mein Gesicht liefen. In meinem Kopf war es wie bei einem Karussell, alle Gedanken waren durcheinander. Gänse darf man nicht lieb haben, sie muss man töten, wenn sie groß sind.