Alfred Bekker

Sommer Krimi Koffer 2021 - 12 Romane


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      „Die Forderung richtet sich ausdrücklich an das BKA?”, vergewisserte ich mich. „Nicht etwa an die Familie.”

      „Ja”, bestätigte Kriminaldirektor Hoch. „Aber sich an die Familie zu wenden wäre auch witzlos. Ein BKA-Beamter verdient nicht so viel, dass er davon ein Millionenvermögen bilden und solche Summen aufbringen könnte.”

      Das Telefon auf Kriminaldirektor Hochs Schreibtisch klingelte. Unser Chef ging an den Apparat und nahm das Gespräch entgegen. „Hallo Petrick”, sagte er.

      Ich vermutete, dass er Petrick Dorian, den Dienststellenleiter des Büros in Frankfurt am Apparat hatte. Im weiteren Verlauf des Gesprächs sagte Kriminaldirektor Hoch nur einmal kurz „Ja” und hörte ansonsten einfach nur zu. „Das war Frankfurt”, bestätigte er schließlich, nachdem er bereits wieder aufgelegt hatte. „Der Erpresser hat mit einem Wegwerf-Handy ohne Vertragsbindung angerufen. Das macht seine Identifikation schwierig. Allerdings konnte ermittelt werden, von wo der Anruf kam.”

      „Kann es sein, dass der Sendemast, in den er sich eingewählt hat, in Hannover steht?”, fragte ich.

      „Sie haben es genau getroffen, Harry.”

      22

      Das Gebiet ließ sich sogar noch genauer eingrenzen. Der Erpresser hatte aus einem Umkreis von zweihundert Meter um das ‘Magic’ angerufen.

      Die Kollegen aus Frankfurt lieferten uns die Aufzeichnung des Anrufs als Audio-Datei. Die Forderung war kurz und knapp vorgetragen worden. Danach hatte der Betreffende nur angekündigt, dass er sich wieder meldet und weitere Anweisungen folgen würden. Keine Angaben dazu, wie er sich die Übergabe vorstellte und auch sonst keine weiteren Details.

      Das Ganze hatte nicht nur die Kollegen in Frankfurt ziemlich ratlos hinterlassen. Auch wir wurden aus dem Verhalten des Erpressers nicht schlau.

      „Klingt für mich nach einem Amateur”, meinte Rudi, als wir in seinem Büro zusammen saßen und uns die Audio-Datei schon zum drittenmal hintereinander anhörten, um dabei auf jede Kleinigkeit achten zu können.

      Natürlich waren bereits Spezialisten dabei, die Aufnahme gründlich zu untersuchen. Vielleicht ließen sich Hintergrundgeräusche identifizieren oder es gab irgendwelche anderen Besonderheiten, die zunächst gar nicht weiter auffielen.

      Wir reisten noch am Nachmittag nach Hannover. Dorothea hatte dort bis zu unserem Eintreffen bereits ein Hotelzimmer für uns gebucht. Während der Fahrt bekam ich einen Anruf von Frau Gansenbrink.

      „Hallo Harry. Es geht um diesen Sebastian Pender aus der Liga, der furchtbare Racheschwüre losgelassen hat und jetzt wegen eines Verfahrensfehlers auf freiem Fuß ist.”

      „Ich bin gespannt”, sagte ich. „Haben Sie herausgefunden, wo er sich zurzeit aufhält?”

      „Nein, das nicht. Aber ich habe in einem sozialen Netzwerk das Profil eines gewissen A. Venger gefunden.”

      „A. Venger - wie Avenger - ‘Rächer’?”

      „Exakt. Um jemanden in einem sozialen Netzwerk eindeutig zu identifizieren braucht man nur wenige markante Eigenschaften von ihm zu kennen. Das wissen viele nicht. Sie glauben immer, dass sie dort völlig anonym sein können. Aber das ist eine Illusion. Alter, Geschlecht, gemeinsame Kontakte und Freunde, Vorlieben für Musik oder sonstwas, Geburtsort, Beziehungsstatus - die Leute gebe so vieles von sich Preis, dass man nur einen Abgleich durchführe muss.”

      „Und der sagt Ihnen, dass dieser A. Venger Sebastian Pender ist?”

      „Mit mehr als neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit. Nein, ich leg mich fest: 99,99 Prozent.”

      „Das ist mehr als bei einem DNA-Abgleich.”

      „Sag ich doch. Das liegt in diesem Fall daran, weil ich natürlich durch die Gerichtsakte, die Prozessberichte, die Polizei-Akten und so weiter und so fort, eine Unmenge an Daten über ihn habe.”

      „Ich sehe die Verbindung zu unserem Fall noch nicht”, sagte ich dann, denn Frau Gansenbrink hat immer ein bisschen die Tendenz, sich von der Faszination darüber, wie man etwas herausfinden kann, mitreißen zu lassen. Das Was kann dabei manchmal vorübergehend etwas in den Hintergrund geraten.

      „Es gibt einen Flugpassagier, der mit A. Venger alias Sebastian Pender identisch ist. Die Übereinstimmung der Merkmale ist so groß, dass ich mir ziemlich schnell sicher war. Gewissheit hatte ich dann, als ich mich in eine Webcam eingehackt habe, die vor dem Flughafen in Tegel steht und deren Speicher mit den Flugdaten abgeglichen habe. Pender ist dort zu sehen. Er reiste unter dem Namen Jonas Schwarz kreuz und quer durch Deutschland - und zwar in genau die Städte, in denen die ehemaligen Mitglieder der Hannoveraner Task Force wohnten.”

      „Das klingt allerdings interessant”, musste ich zugestehen.

      „Wenn die Kollegen vor Ort den Angehörigen oder Freunden der verschwundenen beziehungsweise toten BKA-Kommissars ein Bild von Pender vorlegen und nochmal gezielt fragen, könnte dabei etwas herauskommen.”

      „Werden wir in die Wege leiten”, sagte ich.

      „Ach, und noch etwas. Ich habe eine aktuelle Handynummer von Pender herausgekriegt. Das Gerät ist nur zeitweilig eingeschaltet. Zuletzt in Hannover.”

      „Hannover!”

      „Ich habe dann mal überprüft, wer dort in der Nähe wohnt und das mit der Besucherliste der JVA abgeglichen, in der Pender gesessen hat.”

      „Und?”

      „Ich bin auf seine Schwester gestoßen. Sie lebt in Hannover. Ihr Name ist Roswitha Pender. Sie ist fünf Jahre älter als ihr Bruder und es spricht einiges dafür, dass Pender dort zurzeit lebt oder zumindest öfter dort auftaucht.”

      „Dann werden wir das auch tun. Hat Pender irgendetwas mit dem ‘Magic’ zu tun?”

      „Er hat während der Liga-Ära einen Dreißig-Prozent-Anteil gehalten und einen Teil seiner Geldwäsche-Aktivitäten über diese Diskothek laufen lassen. Das steht auch in den Prozessakten.”