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Der Kollege Sörgelmeier empfing uns im Präsidium in Hannover zusammen mit zwei Ermittlern namens Gravenschmidt und Havixbeck.
Die neuen Erkenntnisse über Pender teilten wir den Kollegen natürlich mit.
„Glauben Sie, dieser Pender könnte hinter der Erpressung stecken?”, fragte Sörgelmeier stirnrunzelnd. „Er war sicherlich nicht der Anrufer, denn erstens haben wir die Aufzeichnung des Anrufs von ehemaligen Zellengenossen und Mitarbeitern der JVA abhören lassen und es sind sich alle sicher, dass der Anrufer nicht mit Pender identisch ist und zweitens ist der Anruf aus der Umgebung des ‘Magic’ gekommen, und zwar zu einem Zeitpunkt, als wir diesen Laden schon lückenlos überwacht hatten.”
„Pender könnte sich optisch verändert haben”, gab Rudi zu bedenken. „Er ist schließlich auch unter falschem Namen herumgereist.”
„Sie meinen, meine Leute hätten ihn übersehen können?”
„Auszuschließen wäre das nicht”, hielt Rudi ihm entgegen. „Aber davon abgesehen müssen wir ohnehin davon ausgehen, dass der Entführer vielleicht Komplizen hatte.”
„Seltsam ist nur, dass er lediglich Forderungen für einen der Verschwundenen gestellt hat.”
„Ja, das hat mich auch gewundert”, gab Sörgelmeier zu.
„Sie beobachten doch zurzeit das ‘Magic’. Ist dort seitdem irgendjemand aus und eingegangen, der in Beziehung zu unserem Fall steht?”
„Nein.”
„Was ist mit dem Personal?”
„Das ist nahezu vollständig ausgetauscht worden, nachdem die Liga-Sache vor Gericht ging. Es gibt dort bis auf einen niemand mehr von damals, der dort noch beschäftigt wäre.”
„Und wer ist der eine?”
„Hartmut Kreutzer.”
„Den Namen habe ich im Zusammenhang mit diesem Fall noch nie gehört. Wer ist das?”
„Das ist früher einmal ein Informant von Dieter Reims gewesen”, sagte Dienststellenleiter Sörgelmeier. „Sie wissen ja, wie das damals hier im BKA-Büro war. Niemand hat mehr jemand anderem getraut. Die einzigen, die davon wussten, dass Hartmut Kreutzer als Informant tätig war, waren Kommissar Dieter Reims und ich. Und soweit ich weiß, hat Dieter damals nicht einmal seinen Kollegen in der Task Force die Identität des Informanten verraten.”
„Ausgerechnet der Informant von demjenigen, für den jetzt eine Forderung auf dem Tisch liegt... Ist doch seltsam.”
„Hartmut Kreutzer ist sauber”, mischte sich der Kollege Havixbeck ein. „Ich habe ihn auf Herz und Nieren überprüft. Und vor allem dürfte der ein gutes Alibi haben.”
„Wieso?”, hakte ich nach.
„Er mixt Spezialdrinks. Die sind eine Attraktion im ‘Magic’ und es wird behauptet, dass manche Gäste nur deswegen dorthin kommen. Wenn der Typ mal längere Zeit nicht hinter der Bar stehen würde, würde das vielen auffallen, glauben Sie mir.”
Ich wandte mich zu Kommissar Havixbeck herum. „Klingt so, als wären Sie öfter im ‘Magic’?”
„Wir schauen dort regelmäßig nach dem Rechten”, sagte Havixbeck. „Schließlich soll aus dem Laden nicht wieder das werden, was er zur Liga-Ära mal gewesen ist.”
„Ich verstehe.”
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Um sich im ‘Magic’ umzusehen, wäre es um diese Zeit ohnehin noch zu früh gewesen. Aber wir wollten unbedingt der Schwester von Sebastian Pender einen Besuch abstatten. Und da wir nicht sicher sein konnten, dass Pender auch mit uns reden wollte, begleiteten uns zwei hiesige Kollegen: Havixbeck und Gravenschmidt.
Wir fuhren mit einem Dienstfahrzeug und erreichten schließlich die Adresse von Roswitha Pender.
Kommissar Havixbeck parkte den Dienst-SUV am Straßenrand. Wir stiegen aus. Während Rudi und ich zur Haustür gingen, begaben sich Havixbeck und Gravenschmidt auf die andere Seite des Bungalows. Falls sich Sebastian Pender tatsächlich hier befand, sollte er uns auf gar keinen Fall entwischen. Wir legten Kevlar-Westen an und waren außerdem über Headset miteinander verbunden.
„Hinter dem Haus ist niemand”, hörte ich Havixbecks Stimme über das Headset.
Ich klingelte.
Keine Reaktion. Dann stellte ich fest, dass die Haustür nicht richtig geschlossen war. Ich griff zur Waffe und stieß sie ein Stück auf. Rudi meldete das über Headset an die Kollegen. Ich ging mit der Waffe im Anschlag ins Haus. Irgendetwas war hier faul. Vor mir lag ein langer, breiter Flur, dann erreichte ich das Wohnzimmer.
Sebastian Pender saß in einem Ledersessel - aufrecht und starr. In seiner Stirn war ein kleines, rotes Loch. Die Eintrittswunde einer Kugel. Vom Hinterkopf war hingegen nicht mehr viel übrig. Er war beim Austritt des Projektils regelrecht auseinander geplatzt. Getrocknetes Blut war überall auf dem Leder der Sessellehne zu sehen.
„Verdammt”, murmelte Rudi, der mir dicht auf den Fersen war.
„Wir haben Sebastian Pender gefunden”, meldete ich anschließend über Headset an die Kollegen.