Alfred Bekker

Sommer Krimi Koffer 2021 - 12 Romane


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bin nicht so sicher, ob ich es durch einen Rückzug retten kann", sagte ich. "Ich bin nur sicher, dass du mit den Mördern deiner Ex-Geliebten unter einer Decke steckst."

      Er ging erneut auf mich los, aber diesmal konnte ich ihn praktisch mit einer Hand abwehren. Er sah ein, dass er nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen konnte und murmelte: "Von mir erfährst du nichts."

      "Doch", sagte ich. "Vielleicht beobachtet man uns jetzt. Diese scheinbar so tote, nachtdunkle Straße hat auch jetzt tausend Augen. Oder irre ich mich? Die Leute, die du zu decken versuchst, werden anfangen, in dir ein Sicherheitsrisiko zu sehen."

      "Du spinnst!"

      "Oh nein. Du weißt, dass ich die Wahrheit sage. Wenn sie erkennen, das ich dich unentwegt durch die Mangel drehe, werden sie sich von dir zu trennen versuchen..."

      In seinen Augen flackerte die Furcht. Er ballte die Fäuste.

      "Wenn es so ist, wie du sagst, bist du ein Mörder!", schnappte er. "Dann willst du konsequent erreichen, dass sie mich abservieren..."

      "Nein, das will ich nicht. Aber ich will deinen Druck mit Gegendruck beantworten. Du hast von deinen Hintermännern nur dann nichts zu befürchten, wenn du mir hilfst, sie aus dem Verkehr zu ziehen."

      "Die zieht niemand aus dem Verkehr. Keine Macht der Welt", sagte er schwer atmend.

      "Ich bin gerade dabei, deine Zuversicht erheblich zu trüben."

      "Das bildest du dir ein", sagte er. "Warum sollte man ausgerechnet mich hochgehen lassen? Es ist doch viel logischer und näherliegend, dass sie dich aufs Korn nehmen! Du bist der Störenfried, du bist der Mann, den sie zu fürchten haben."

      "Deine Hintermänner wissen genau, dass mein Tod ihr sicheres Ende bedeuten würde. Sie wissen vermutlich auch, dass sie Karla nicht zu nahe treten dürfen, und zwar aus dem gleichen Grund. Der Entführungsversuch ist eine überstürzt beschlossene Erpressung, von der alle Beteiligten genau wissen, dass sie nicht mit Karlas Ermordung enden darf."

      "Worüber regst du dich dann auf?", grollte er. "Wenn hier einer Ursache hat, verrückt zu spielen, dann bin ich es. Was du getan hast, fällt unter Straßenraub!"

      "Okay", sagte ich. "Zieh daraus die Konsequenzen. Geh mit mir zur Polizei. Erstatte Strafanzeige."

      "Und wenn ich das täte?", fragte er. "Dann würdest du ganz schön blöd aus der Wäsche gucken, was?"

      "Lassen wir’s auf einen Versuch ankommen", sagte ich.

      "Ich gehe nicht zur Polizei. Du wirst mir die Piepen auch so zurückgeben."

      "Nicht, bevor du mir ein paar wichtige Fragen beantwortet hast... Und auch dann scheint es mir noch zweifelhaft, ob du das Geld wirst behalten dürfen."

      Er wurde plötzlich sehr ruhig. "Meinst du, dass es sich lohnt, als Held zu sterben?", erkundigte er sich.

      "Nein."

      "Dann gib mir meine Brieftasche zurück, reise ab und melde deiner Dienststelle, dass du hier nichts ausrichten konntest", sagte er.

      "Ich gehöre zu den Leuten, die niemals unter Druck klein beigeben."

      "Das", sagte er sehr langsam, "könnte leicht zu einer Todesursache führen."

      "Ich weiß", erwiderte ich.

      "Es spielt keine Rolle. Ich ändere meine Ansicht nicht."

      "Dann musst du die vollen Konsequenzen tragen."

      Ein Mann kam die Straße herab auf uns zu. Er schien es nicht sehr eilig zu haben, hielt eine Hand in seiner Jacketttasche, während er mit der anderen hin und wieder eine Zigarette an die Lippen führte. Michael Krawulke und ich schwiegen, um den Mann vorbeizulassen.

      In dem Augenblick, als der Bursche mit uns auf gleicher Höhe war, wirbelte er auf den Absätzen herum und riss die Hand aus seiner Tasche. Er richtete eine Pistole auf mich und zischte: "Hoch mit den Händen!" Dann trat er hinter mich, um mir den Lauf seiner Waffe in den Rücken zu rammen.

      "Danke, du hilfst mir aus der Klemme", sagte Michael Krawulke, nahm mir seine Brieftasche ab und hastete davon.

      "Wir machen einen kleinen Spaziergang", höhnte der Verbrecher, der den Druck des Pistolenlaufs in meinem Rücken beträchtlich verstärkte.

      "He, was ist mit den Händen? Hoch damit! Ich schlage vor, dass du sie im Nacken verschränkst."

      "Sie kamen wirklich im rechten Moment", sagte ich und tat, was er befahl.

      "Das ist meine Spezialität", spottete er. "Ich bin so eine Art Feuerwehr, weißt du."

      "Ich verstehe."

      "Gehen wir", sagte er. "Und keine Mätzchen! Ein solches Manöver würde trübe für dich enden. Nämlich mit einer Bleivergiftung."

      "Im Vergiften kennt ihr euch ja aus", sagte ich. "Erst Siegfried, dann ich..."

      "Nun ja, heutzutage kann man nicht wählerisch sein", spottete er.

      "Was zählt, ist der Erfolg."

      Und dann erkannte ich seine Stimme wieder. Es war der Mann, mit dem ich zweimal am Telefon gesprochen hatte.

      "Erfolg? Damit könnt ihr euch nun wahrhaftig nicht brüsten", sagte ich.

      "Gehen wir in Siegfrieds Keller", meinte er.

      Ich überquerte die Fahrbahn. Mein Herz klopfte rascher. Der Ganove blieb dicht hinter mir. Der Druck des Pistolenlaufs in meinem Rücken hielt an. Ich kannte den Haus- und Kellerzugang und wusste, wo offene Türen abzweigten. Solange der Kerl den Finger am Druckpunkt hatte, war ich ihm hoffnungslos ausgeliefert.

      Plötzlich fiel ein Schuss.

      Ganz in unserer Nähe. Ich fühlte, wie der Verbrecher zusammenzuckte, und wollte meine Chance nutzen, um ihn in den Griff zu bekommen. Aber noch ehe ich es schaffte, ihn anzugreifen, knallte es zum zweiten Mal.

      Ich sah den Feuerblitz ganz deutlich. Der Schütze befand sich irgendwo in einer Baugrube zwischen zwei Häusern. Der Kerl hinter mir zuckte heftig zusammen und hob den Arm, als ob er das Feuer erwidern wollte. Aber die plötzliche Schwerfälligkeit, mit der er reagierte, machte klar, dass es ihn erwischt hatte. Ich schlug ihm die Waffe aus der Hand und warf mich flach auf den Boden. Der Ganove landete neben mir wie ein nasser Sack.

      Er rührte sich nicht.

      Ich hob lauschend den Kopf.

      Stille.

      Dann wandte ich mich dem neben mir liegenden Mann zu. Seine Augen standen weit offen. Der Laternenschein, der sich in ihnen brach, traf den Blick eines Sterbenden.

      Er war voller Blut. Ich sah, das er furchtbare Schmerzen litt.

      "Rasch", sagte ich. "Wer sind Sie? Wer hat auf Sie geschossen?"

      Die Lippen des Mannes bewegten sich. Ich merkte, wie er sich quälte und etwas zu sagen versuchte, aber ihm fehlte die Kraft, das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Er riss den Mund noch einmal auf, als wolle er endlich beichten. Ein Schwall Blut und Speichel, mehr kam nicht

      Im nächsten Moment rollte sein Kopf zur Seite. Ein letztes Mal atmete er aus, aber nicht wieder ein. Sein Körper wurde ganz schlaff. Ich richtete mich langsam auf. Der Mann war tot.