warf seine und unsere Pläne über den Haufen. Verdammt noch mal, kein Mensch hätte etwas gemerkt — und auch Erika könnte noch leben —, wenn dieser Idiot seine Gefühle besser im Griff gehabt hätte."
"Gefühle lassen sich nicht vergewaltigen, Weissner", sagte ich.
"Wir besorgten Steinfurt neue Papiere, um sicherzustellen, dass er bis zur Ausreise im Untergrund leben kann und bei einer eventuellen Razzia nicht geschnappt wird. Wir taten alles, um gewisse Probleme in seinem und unserem Sinn zu lösen... Aber was geschah? Dieses Rindvieh bildet sich ein, als großer Rächer auftreten zu müssen!"
"Ich bin immer noch nicht sicher, ob er es war, der Wolfgang Krause tötete."
"Ich bleibe dabei. Ernst hat mit der Sache nichts zu tun", sagte Weissner bestimmt.
Ich sah die winzigen Schweißperlen auf seiner Stirn. Theodor Weissner war ein skrupelloser Geschäftsmann, der vor nichts zurückschreckte, aber ich hatte den Eindruck, dass er diesmal überfordert war. Die Situation zwang ihn zu einer Handlung, die er gern einem Mann wie Wolfgang Krause überlassen hätte.
Weissner war klar, dass er mich töten musste. Trotzdem schreckte er immer noch davor zurück, abzudrücken. Die Erkenntnis, dass er am Ende seiner kriminellen Karriere gezwungen war, zu töten, war fast mehr, als er verkraften konnte.
"Ich danke Ihnen für die Erklärungen", sagte ich. "Sie helfen mir weiter, aber sie überraschen mich nicht. Jetzt muss ich nur noch wissen, wo Sie Karla versteckt halten."
Er blinzelte, als sei ihm Rauch in die Augen gestiegen. Dann lachte er kurz und höhnisch. "Sie haben Ihre Nerven gut in der Gewalt und sind kein übler Schauspieler", sagte er. "Aber Sie irren sich, wenn Sie meinen, mich mit Ihrem selbstbewussten Auftreten austricksen zu können. Sie stehen auf verlorenem Posten und wissen es!"
"Sehen Sie, Weissner... Ich bin ein Mann, der es gelernt hat, in kniffligen Situationen rasch zu handeln. Ehe ich nach Krauses Tod zu Ihnen kam, telefonierte ich mit der Polizei."
"Das glaube ich Ihnen nicht..."
"Rufen Sie Michael Krawulke an", spottete ich. "Ihren guten Freund Michael! Sprechen Sie mit Linda. Das Fräulein war dabei, als ich mit dem Polizeichef sprach."
"Das ist schon wieder ein Bluff", sagte Weissner schwer atmend.
"Ich muss zugeben, dass ich Sie nicht sofort verdächtigte", sagte ich. "Ihr Hinweis auf das Geld, das Sie in Siegfried Hoffmanns Brieftasche gesehen hatten, war ein Alibi für Sie. Das gleiche galt für den Whiskykauf, von dem Sie mir berichteten. Erst hinterher wurde mir klar, dass Sie sich damit einen besonders geschickten Schachzug geleistet hatten. Dazu die Tropfsteinhöhle als Ort, von dem aus Sie Ihre Fäden ziehen konnten. Ein alter, schrulliger Tabakverkäufer mit feuchten Zeitungen. Eine Bruchbude, vollgestellt mit Eimern und schimmelnden Tapeten. Und Ihre Flucht nach vorn ließ Sie zunächst ganz unverdächtig erscheinen."
"Jetzt wissen Sie es besser, aber das hilft Ihnen nichts mehr", presste er durch die Zähne. Ich sah, dass die Schweißperlen auf seinem Gesicht größer wurden. Eine davon löste sich und lief im Zickzack von seiner Schläfe über die Wange.
"Wollen Sie es riskieren, dass unmittelbar nach dem Schuss die Inspektion A an Ihrer Tür klingelt?", fragte ich.
"Sie bluffen!"
"Warten Sie es ab", sagte ich.
Er legte den Kopf schief und lauschte nach draußen. Auf der Straße herrschte Stille. Theodor Weissners Gesicht verzog sich zu einem Grinsen.
"Sie kämpfen um Minuten. Um Ihr Leben, um genau zu sein. Da zählt jede Sekunde, nicht wahr? Aber Sie haben Pech, Raboi. Sie müssen sterben."
Vor dem Haus bremste ein Wagen. Ich lächelte matt.
"Wirklich?", fragte ich.
Weissner fuhr sich mit dem Handrücken der Linken über das schweißnasse Gesicht. "Das wird einer von den Hausbewohnern sein", sagte er.
Die Sekunden, die in den Raum tropften, zerrten an seinen und meinen Nerven.
Dann hämmerten Fäuste gegen die Eisentür. Theodor Weissner schluckte.
"Das besagt noch gar nichts", murmelte er. "Die Leute aus der Straße wissen, dass ich oft bis spät in die Nacht hier unten sitze. Wenn sie etwas brauchen, machen sie sich auf diese Weise bemerkbar."
"Sie sitzen in der Patsche, Weissner", sagte ich.
"Sie schaffen es nicht, den Spieß umzukehren", meinte er schwer atmend. "Drehen Sie sich um! Los — oder ich drücke ab."
Das gefährliche, fast hysterisch anmutende Flackern in seinen Augen signalisierte höchste Alarmstufe. Ich konnte es mir nicht leisten, seine schwachen Nerven noch weiter zu strapazieren. Ich tat schweigend, was er von mir verlangte.
Weissner trat von hinten dicht an mich heran. Ich ahnte, was mich erwartete, und spannte die Muskeln, um dem betäubenden Schlag trotzen zu können. Die Waffe knallte gegen meine Schläfe. Ich sah Sterne vor meinen Augen und fühlte, wie eine heftige Übelkeit aus meinem Magen in die Kehle schoss. Weissner schlug erneut zu. Ich brach in die Knie. Eine Explosion von Schmerz und Feuer bildete die Schwelle zur Ohnmacht, danach fiel alles in sattes Dunkel zurück. Ich wurde bewusstlos.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem übelriechenden dunkelgrünen Linoleumboden von Weissners Büro, hatte den unangenehmen Geruch von Zigarrenrauch und verschimmelten Tapeten in der Nase, dazu der Gestank vom Fußbodenbelag, der sich unter der ständigen Feuchtigkeit schon gewellt hatte. Ich wälzte mich auf den Rücken und bemühte mich, Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Meine Erinnerung setzte ein. Ich schüttelte den Kopf und kam behutsam auf die Beine.
Weissner war verschwunden. Ich hatte einen scheußlichen Geschmack im Mund.
Wasser!, dachte ich. Ich muss etwas trinken, ich muss diesen Reizgeschmack loswerden, alles andere hat Zeit! Mir war zumute, als seien meine Knie mit Pudding gefüllt. Ich hielt mich ein paar Sekunden lang am Schreibtisch fest, dann wankte ich zur Tür.
Im Korridor brannte Licht. In der Nähe der halb offenstehenden Eisentür lag Theodor Weissner und rührte sich nicht. Ich erreichte ihn mit wenigen Schritten und drehte ihn behutsam auf die Seite. Ich wollte etwas sagen, sah aber sofort, dass das keinen Sinn hatte. Tote hören nicht.
23
Ich betrat den Hausflur. Niemand war zu sehen. Von oben kamen undeutliche Geräusche, es war die Musikkulisse der im Hause laufenden Radiogeräte und eines scheppernden Grammophons. Ich blickte nochmals über meine Schulter.
Weissner war erschossen worden. Die Einschusswunde lag in der Höhe seines Herzens. Er hatte kaum Blut verloren. Die